Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1939 Nr. 4

Spalte:

130-131

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bentzen, Aage

Titel/Untertitel:

Daniel 1939

Rezensent:

Schmökel, Hartmut

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

129

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 4

130

und erst allmählich auch von Ältesten, Profeten und Weis-
heitslehrern verwendet worden. Stevenson glaubt in
Jes. II die einzelnen Phasen im Kampf des Cyrus gegen
Babel nachweisen zu können. So beziehe sich z.B. 42, 10
bis 17 auf die ersten Erfolge des Perserkönigs, 48,20/1
auf die von Cyrus erteilte Erlaubnis der Juden zur Heimkehr
. Bertram erhofft von einer Belebung der LXX-
Forschung bei besondrer Berücksichtigung der Wutz-
schen Thesen eine Vertiefung der at.lichen Studien.
Hertzberg demonstriert am Beispiel von Jes. 1, wie
der ältere Bibeltext durch Glossen vgl. z. B. 1,26; 7,22a
umgedeutet worden ist. Ähnlicher Art ist der Aufsatz
von Puukko: y 1QA ist eine monotheistische Uindich-
tung eines älteren Sonnenmythus, v 46 wurde von Luther
in sein Trutzlied umgeformt, y 22 ist von den
Evangelisten im christlichen Sinn interpretiert. Der Förderung
der at.lichen Textkritik dient der Vortrag von
Junker. Der Verf. nimmt besonders die durch Kon-
souantcnschiebung entstandenen Textfelder aufs Korn
B. II. Sam. 6, 5cf. BH 1 z. St. Stummer bricht für
die Vulgata bei der Textkritik eine Lanze. Gern wird
auch der Satz vernommen (S. 233), daß die Meinung,
durch das Konzil von Trient (1546) sei dem Katholiken
der hebr. Urtext verboten, ein Märchen ist. Fischer
zeigt, daß aus den hebr. Bibelzitaten des Scholastikers
Odo (Mitte des XII. Jahrh.) Material zur Geschichte
des hebr. Textes und seiner Vokalisation zu holen ist. —
Lindblom erklärt Liebe und Zorn als die Grundzüge
im Wesen Jahwes — ich würde dafür lieber sagen:
Gerechtigkeit und Güte. Die gelehrteste Abhandlung ist
"i- E. die lexikalische Untersuchung von Kowley über
die semitische Herkunft des Wortes „Ziffer"; sicher entschieden
wird die Wurzelfrage nicht. Stärk weist Entsprechungen
aus der iranischen Kultur zu dein Paradiesesmythus
Gen. 2f. auf. Causse spricht über den
Einfluß der ägyptischen Weisheitslehre auf die Spruchliteratur
Israels, v. Rad verficht die These, daß der
Schöpfungsgedanke innerhalb des genuinen Jahweglaubens
„zu keiner Selbständigkeit und Aktualität kam" (S.
H6). Das sei erst durch Berührung Israels mit ägyptischen
Weisheitslehrern ermöglicht worden. De Groot
läßt Jerusalem, bevor es durch David in israelitischen
Besitz kam, von den Philistern erobert sein. Auch neigt
er zu der Annahme, daß Jerusalem zur Zeit Davids eine
Doppelstadt war. Eißfeldt mißt feinfühlig das Verhältnis
ab, in dem Altertumswissenschaft und at.liche
Wissenschaft zu einander stehen. Es ist vielfach ein gegenseitiges
Geben und Nehmen; zugleich aber auch eine
Spannung. Z. B. der vom Hellenismus gezeitigte Monotheismus
ist andrer Art als der Israels: dort ein oberstes
■öeiov _ hier Jahwe, ein persönlicher Gott, der alle
andren Götter seiner Persönlichkeit unterordnet. Dort
eine Vergottung des irdischen Königs — hier die Alleinherrschaft
des himmlischen Königs. Jede von beiden
Wissenschaften möge ihre eignen höchsten geistigen
Ideale wahren und pflegen und die der andren respektieren
. Nach Begrich hat Weiser den längsten Beitrag
zur vorliegenden Sammlung beigesteuert. Zugleich ist
seine Studie — das liegt am Thema: Die theologische
Aufgabe der A.T. Wissenschaft-philosophisch die tiefst-
bohrende. Wenn W. als Grundlage für die Erforschung des
A.T. die philologisch-historisch-kritische Methode (S. 223)
nennt, so wird ihm jeder ernste Mitarbeiter am A.T. beipflichten
. Darüber hinaus soll aber nach W. das Ziel
des at.lichen Interpreten dahingehen, dem Leser im A.T.
nicht bloß an das ehemalige Israel, sondern auch an
den Gegenwartsmenschen zur Stellungnahme gerichtete
Gottesworte vernehmbar zu machen. Das sei die eigentliche
theologische Aufgabe der at. Wissenschaft. Das
kann natürlich nicht gleichmäßig für alle Teile des
A T. gelten — man denke z. B. nur an den Ballast der
Speisegesetze, oder an Deut. 23, 13 f.! Abgesehen von
dieser Einschränkung lasse ich W. oberstes Forschungs-
Prinzip für das A.T. gelten — beschränke es aber nicht
auf die Bibel! Die Seele des deutschen Menschen von
heut wird auch durch die Werke unserer Klassiker —

trotz Lütgert! —, unserer Denker und Künstler, durch
die Taten großer Männer, durch die verschiedenen Wissenschaften
, durch die Natur, die Geschichte und den Alltag
zur Höhe gerissen und vernimmt so den Anruf Gottes!
! Neckargemünd b. Heidelberg Georg Beer

Bentzen, Aage: Daniel. Tübingen: J. C. B. Mohr 1937. (IX, 53 S.)
gr. 8° = Handbuch z. Alten Testament. Erste Reihe, H. 19.

RM 2.60; geb. 4.40. In Subskr. RM 2.35; geb. 4.15.

Auf insgesamt 63 Seiten einen vollständigen Daniel-
i kommentar zu geben, erscheint zunächst als Wagnis.

Wenn es geglückt ist, so gebührt der Dank einmal der
I ausgezeichneten internationalen wissenschaftlichen Da-
| niel-Arbeit der vergangenen Jahre, die von der Behand-
| hing dieses Buches durch Marti bei Kautzsch ( 1922)
I an über Montgomery (1928), Charles (1929) und andere
l bis hin zu Obbink (1932) die Danielexegese zu großer
Einstimmigkeit und einem hohen Maße von Vollständigkeit
förderte; zum anderen aber ist das Gelingen
dem Können des Verfassers selbst zuzurechnen, den
wir unter den Bearbeitern des deutschen Gesamtkom-
mentars herzlich begrüßen. Bentzen hat es verstanden,
das von der voraufgehenden Forschung für die allgemeinen
Fragen wie für die Einzelerklärung Erarbeitete
in komprimierter, kaum zu übertreffender Kürze zusammenzufassen
und fruchtbar weiterzuführen. Die durch
den Rahmen des „Handbuches" gebotene Beschränkung
zwingt angesichts der Unzahl der Probleme in der Tat
zu einer Knappheit der Darstellung, die der Leser gewiß
zuweilen auch bedauern muß — aber hier offenbart
sich mit dem Wert auch die Beschränkung der ganzen
Eißfcldtschen Reihe. Sie bietet eine Behandlung der
alttestamentlichen Bücher von gehaltvoller Kürze, voll
von Anregungen und Hinweisen, und damit eine fruchtbare
Grundlage zu weiterer Arbeit; sie genügt aber kaum
als unabhängiger und vollständiger Kommentar, der dem
j Studenten als ausreichender Begleiter für seine bib-
! lischen Studien an die Hand gegeben werden könnte.
Freilich, wer weiterarbeiten will und kann, der findet
zumal in Bentzens Daniel unendlich Vieles und Bedeutsames
.

Die Übersetzung, zu der Eißfeldt selbst Pate gestanden hat, ist in
I gutem und leicht lesbarem Deutsch gehalten; die Schwierigkeiten und
| Fehler des hebräischen Textes sind im recht unfanglichen Apparat, der
j dankenswerter Weise auch reiche Parallelstellen bietet, mit Vorsicht und
| Sachkunde behandelt. Die Einzelexegese bietet keine großen Überraschungen
, wie ja denn die Ergebnisse der Danielforschung weithin feststehen.
Erfreulich ist zu beobachten, wie diese Daniclforschung mit oft recht
I interessanten Ausblicken gelegentlich bis hin zur alten Kirche zurückver-
j folgt wird (vgl. etwa S. 5 zu 1, 12). Überhaupt ist die Literatur sehr
| sorgfältig herangezogen und so wird — oft nur andeutungsweise und in
i aller Kürze — eine fruchtbare religionsgeschichtliche Auswertung etwa
j der Legenden erreicht. Während man eine nähere Auseinandersetzung mit
I dem Problem der Zweisprachigkeit vermißt — hier scheint mir Obbink
(Daniel, Tekst en Uitleg, 1932, S. 20 ff.) unterschätzt zu sein —, wird
I über die Entstehungszeit der Urlegenden (S. 11, 15, 17, 21 usw.), die
] Ansetzung der Visionen (S. 35, 39, 43, 53), die Beeinflussung der Vor-
I stelluiigen des Buches durch Babylon, den Iran usw. (S. 15 f., 21, 23 f.,
29 usw.) und über die Nachwirkungen der Texte (S. 17 f., 29, 43 usw.)
! sorgfältig gehandelt und man bedauert nur zuweilen die gar zu spar-
I tanische Kürze, zu der sich Vf. immer wieder zwingen zu müssen glaubt,
j Die Annahme der Menetekel-Interpretation H. Bauers (S. 25) wird man
I ebenso begrüßen können wie die Ablehnung der umständlichen Theorie
' Noths zu K. 7, die an sich ja von Haller stammt (S. 29). Besonders
j eindrucksvoll ist die kenntnisreiche historische Paraphrase zu K. 11. Hingegen
scheint, um nur noch dies eine zu nennen, die Erklärung dafür,
warum die altchristliche Kunst entgegen 3, 21 die Männer im Feuerofen
! oft unbekleidet darstellt, auf S. 15 oben doch wohl ein Fehlgriff zu sein.

Ich möchte nicht weiter ins Einzelne gehen, dafür
aber die Aufmerksamkeit noch auf Bentzens Bemühung
um die Feststellung des Rhythmus in den poetischen Danielabschnitten
lenken. Die Frage nach den Metren im
I AT muß wohl überhaupt neu gestellt werden; hier kann
| naturgemäß nur andeutungsweise von ihr die Rede sein.
Wir finden in der den Kpp. vorangehenden metrischen
Übersicht — wenn wir von dem durch Vf. selbst als
poetisch fraglich bezeichneten K. 11 f. absehen — zunächst
die „anerkannten" Metren 3:3, 2:2, 4:4; 3:2