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Ausgabe:

1939 Nr. 3

Spalte:

83-84

Autor/Hrsg.:

Hahn, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus bei Paulus 1939

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 3.

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schiedener Richtungen kann besagen, daß der Streit inzwischen
gleichgütig geworden war und die Nachkommen
der einstigen Gegner ohne Gefahr von dem redeten, was
sie ehedem getrennt hatte. Unergiebig ist schon seit einiger
Zeit der Begriff des schreibenden oder sogar schrift-
stellernden Profeten. Von solchen und anderen Einreden
bleibt das Verdienst des Vfs. um die anregende Bearbeitung
des Gegenstandes unberührt.

Kiel._Wilhelm Caspari.

Hahn, Dr. Wilhelm Traugott: Das Mitsterben und Mitauferstehen
mit Christus bei Paulus. Ein Beitrag zum Problem der Gleichzeitigkeit
des Christen mit Christus. Gütersloh: C. Bertelsmann 1937.
(XII, 184 S.) 8°. RM 5 — .

Die vorliegende theologische Doktorarbeit, die aus
einer bei Karl Heim angefertigten Seminararbeit herausgewachsen
ist, geht der Frage des „mit" Christus
in der paulinischen Theologie nach. Sie ist weitgehend
von systematischen und praktischen Gesichtspunkten bestimmt
; der Vf. gesteht selbst, daß ihm das Verständnis
der paulinischen Botschaft zu einer Frage der „theologischen
Existenz" geworden ist; sie ist aber auch neu-
testamentlich gewissenhaft gearbeitet, und die Exegese
wird nicht von systematischen Gesichtspunkten her vorgenommen
, sondern von den Textworten her begründet.
Die Arbeit läßt wirklich Paulus selbst zu Wort kommen,
und das ist die Hauptsache.

Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit den
Aussagen des Apostels über das Mitsterben und Mitauferstehen
mit Christus. Der Vf. setzt sich dazu mit Lohmeyers
Aufsatz „Mit Christus" in der Deißmann-
Festgabe auseinander. Gegen diesen sucht er nachzuweisen
, daß sich die Formel nicht auf eine transzendente,
zeitlose und unpersönliche Welt bezieht, sondern auf
das konkrete Christusgeschehen, d. h. das Geschehen,
das den Menschen in seiner Wirklichkeit von Christus
her trifft. Das „mit Christus" gilt nach Paulus für die
gegenwärtige Existenz des Christen! — Der Vf.
führt noch weiter: die Formel „mit Christus" findet sich
vor allem in Zusammenstellung mit dem Sterben und
Auferstehen Christi. Daraus folgt: die christliche Existenz
ist schon in dieser Welt dem Christusgeschehen
= dem Kreuz und der Auferstehung Christi gleichzeitig.
Das erarbeitet der Vf. aus den Paulusbriefen, und geht
dann der Frage nach, was diese Gleichzeitigkeit bedeutet
. Eine erschöpfende Erklärung kann er dafür nicht
bieten, denn dieser Gleichzeitigkeit fehlt in der vorgefundenen
Wirklichkeit jede Analogie; sie ist ein Wunder,
eine einzigartige eschatologische Möglichkeit. Nur tastend
und glaubend kann man sie sich erklären. Hier
nimmt der Vf. die besonders von A. Schweitzer
herausgearbeitete These vom Hereinbruch des neuen
Aions im geschichtlichen Christusgeschehen, in Kreuz
und Auferstehung zur Hilfe. Und von hier aus zeigt
er dann, wie durch den Heiligen Geist die Gleichzeitigkeit
mit Christus die Möglichkeit des Christen wird,
ob er gleich auch noch in der vorgefundenen Wirklichkeit
stehen bleibt. Durch Predigt, Taufe und Abendmahl
zieht Christus den Menschen mit seiner ganzen Existenz
in sein Kreuzes- und Auferstehungsgeschehen hinein
, das dem Menschen immer schon vorgegeben ist,
an dem er aber doch unmittelbaren Anteil gewinnen darf.
Der Mensch tritt durch den Glauben in eine totale Gemeinschaft
mit Christus, in der er allerdings nie mit
Christus identisch wird, in der er aber in personalem Ge-
enüber mit Christus lebt. Er bleibt darum in einem
pannungsverhältnis, das. solange dieser Aion besteht,
nie aufhören kann; deswegen vollzieht sich sein Leben
in Gegensätzen, in Sterben und Auferstehen, Indikativ
und Imperativ. Er streckt sich aber gerade deswegen
der Wiederkunft Christi entgegen, die allein ein Aufheben
dieser Spannung bedeuten wird.

Das Referat zeigt, wie sehr der Vf. vom Paulusver-
ständnis beeinflußt ist, wie es vor allem Bult mann
vertritt. Der Vorzug ist: an die'Stelle von toten Lehrbegriffen
oder einer isolierten Rechtfertigungslehre usw.

tritt der Paulus, der den ganzen Christus predigt, und
dem der ganze, vom Christusgeschehen sich bestimmt
wissende Mensch gegenübersteht. Daß Hahn uns auf
diesem Wege des Paulusverstäudnisses ein Stück weitergeholfen
hat, dürfen wir dankbar hervorheben.
I Riga._ H. S ees ein an n.

Moe, Olaf: Johannesevangeliet, Innledet og Fortolket. Oslo:
H. Aschehoug & Co (W. Nygaard) 1938. (630 S.) gr. 8°.
Der Verfasser des vorliegenden Kommentars zum
Johannesevangelium geht hauptsächlich in den Bahnen
Theodor Zahns, hat aber auch von anderen konservativen
Exegeten aus älterer und neuerer Zeit viel gelernt. Dagegen
scheinen die kritischen Forscher für ihn haupt-
j sächlich da zu sein, um abgelehnt zu werden. Mit seinen
I Vorbildern, denen er gewöhnlich ziemlich treu folgt,
i teilt er sowohl die Verdienste als die Mängel: die eingehende
, jede Möglichkeit sorgfältig prüfende, aber
etwas scholastische Exegese und die apologetische Tendenz
, die oft zu recht gekünstelten Konstruktionen zwingt
und so eine Willkür zeitigt, die wahrlich nicht hinter der
! vielgeschmähten Hypothesenmacherei der „ungläubigen"
I Exegeten zurücksteht.

Das Evangelium ist vom Zebedaiden, der mit dem
Lieblingsjünger identisch ist und in Ephesus gelebt hat,
gegen 100 verfaßt. Es setzt die Synoptiker voraus, deren
Zeugnis es ergänzen will. Es kann das, weil der
; Evangelist als Augenzeuge über reiches Primärmaterial,
das in den drei ersten Evangelien nicht benutzt wurde,
verfügt. Überhaupt betont Moe sehr stark den Charakter
des Jh als (laou'iuu und kommt im Zusammenhang damit
l auf den Begriff evayyeliav = Evangelienschrift zu spre-
j eben, evayyi'kwy bedeutet eigentlich die Missionspredigt,
die die soteriologischen Hauptfakta umfaßte, während
! die Einzelheiten der evangelischen Geschichte im katc-
j chetischen Unterricht mitgeteilt wurden. Die „Evangelien
" bieten beides, und sie bieten es als uxxqtuqCo, d. b.
! als Selbsterlebtes, was besonders klar im Johannesevan-
gelium zum Ausdruck kommt. (Mk gibt, wie z. T.
| Mt, das Evangelium Petri wieder, Lk ist kein Evangelium
im strengen Sinne). — Die Unterschiede zwischen
dem synoptischen und dem johanneischen Jesusbild sind
ungebührlich übertrieben worden: in beiden Fällen ist ja
{ Jesus der Sohn Gottes. Nur ist Jh stärker dogmatisch
j interessiert und betrachtet die Gottheit Christi mehr von
j dem Gesichtspunkt der Präexistenz als von der Eschato-
! logie aus. Aber der johanneische Christus redet doch
j auch rein formal ganz anders als der synoptische? Das
j ist nicht zu bestreiten, wenn der Unterschied auch nicht so
I total ist, wie man gern behauptet. Löst man nämlich
die johanneischen Reden auf, wird mau finden, daß sie
in bedeutendem Umfang aus selbständigen Kernworten
i bestehen. Die trotzdem tatsächlich vorhandene Differenz
erklärt sich einmal daher, daß verschiedene Stoffe behandelt
werden, sodann will Johannes gewiß keine stenographischen
Referate bieten, sondern nur die Worte
des Herrn so, wie der Geist ihn an sie erinnert hat,
i wiedergeben. — Der Verfasser widerlegt ausführlich
die gegen die Augenzeugenschaft des Evangelisten angeführten
Gründe. Wenn man behauptet, daß seine Ausführungen
über gewisse Dinge, wie z. B. über „die
Juden", über die Amtszeit des Kaiphas usw., ungenügende
Sachkenntnis zeigen, so beruht das auf Mißverständnis
, und der Mangel an Anschaulichkeit, den man
hie und da bemerken kann, erklärt sich einfach aus seiner
kontemplativen Veranlagung. Aus den von ihm beige-
i brachten chronologischen und topographischen Notizen,
sowie aus seiner Sprache und seinem Stil können wir mit
Gewißheit schließen, daß er ein palästinischer Jude gewesen
ist und den Vorgängen aus nächster Nähe zuge-
! sehen hat. — Was die Integrität des Evangeliums be-
; trifft, gehören 7,53—8,11 nicht ursprünglich dazu. Dagegen
ist Kap. 21 authentisch, obgleich V. 24 f. von ir-
. gend welchen anderen Augenzeugen hinzugefügt wor-
i den sind. — Das Evangelium ist „der literarische Niederschlag
der mündlichen Verkündigung" des Evange-