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Ausgabe:

1939 Nr. 2

Spalte:

75-76

Titel/Untertitel:

Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel ; 8 1939

Rezensent:

Usener, Wilhelm

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75

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

76

tig die philosophische Reflexion immer selbständiger !
heraustritt, um schließlich in den Vorarbeiten zu einer j
(allerdings nicht ausgeführten) Geschichte der Teleolo- |
gie seit Kant einen ersten ganz eigenen Ansatz zu finden j
— wobei allerdings nachzutragen ist, daß uns bereits |
aus der Schulzeit einige höchst bemerkenswerte Zeug- j
nisse solcher Reflexion bekannt sind (vgl. „Fatum und
Geschichte" Bd. 2, S. 54 ff. und „Willensfreiheit und
Fatum" ebenda S, 60 ff.).

Für die religiöse Entwicklung Nietzsches enthalten die erschienenen
Bände aufschlußreiches Material, dessen Auswertung jedoch die Klärung j
zahlreicher Einzelfragen voraussetzt. Auch sind dafür als wichtige Quelle
die Briefe nicht zu entbehren, deren vollständige Veröffentlichung noch |
aussteht. Immerhin läßt sich soviel sagen, daß der junge Nietzsche der j
Anschaulichkeit und Bewegtheit christlicher Glaubensvorstellungen starke I
ästhetische (musikalische und dichterische) Anregungen verdankt (vgl. da- i
für außer zahlreichen Gedichten auch Bd. 1, S. 18, 216; Bd. 2, S. 64; |
Bd. 3, S. 67), daß wir jedoch in seinen Selbstreflexionen keinerlei An- j
lehnung an religiöse Reflexionsformen entdecken können. Früh schon
setzt die philologisch-historische Betrachtung von Bibel und Christentum
ein, die in den einleitenden Sätzen von „Fatum und Geschichte" in aus- |
gesprochen revolutionärem Ton als Programm einer Lebensarbeit verkündet
wird. Im März 1865 hält Nietzsche einen Vortrag im Gustav-
Adolf-Verein zu Bonn über die kirchlichen Zustände der Deutschen in
Nordamerika (Bd. 3, S. 84 ff.), dem Persönliches nicht zu entnehmen
ist. Wenig später macht er sich Notizen zum Problem des Lebens Jesu
und zur Auferstehungslehre (ebenda S. 100 ff.), erstere prinzipielle kritische
Fragen aufwerfend, letztere rein exegetische Befunde zusammenstellend
. Hier spürt man die Nachwirkung der Lektüre von D. F.
Strauß' Leben Jesu. Jedoch scheinen diese Fragen gegenüber den philologischen
Problemen für Nietzsche damals noch keine wesentliche Bedeutung
zu haben.

Göttingen. Hermann Zeltner.

Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel. 8. Band 1937. Hrsg.

von D. G. Merz. Bethel-Bielefeld: Verlagshandlung der Anstalt Bethel.

(219 S. mit einem Bild Bodelschwinghs) 8°. RM 3.50.

Dem „ältesten Mitarbeiter der Theol. Schule", dem i
Leiter der Bethelanstalten Fr. v. Bodelschwingh ist die- I
ser 8. Band des Jahrbuchs zum 60. Geburtstag gewidmet
; die gegenwärtigen und einige frühere Lehrer des
Th. Sch. haben sich zu diesem Widmungsband zusammengefunden
und hoffen, daß auch bei der Mannigfaltigkeit
und Verschiedenheit der Gaben die Einheit im
Geist deutlich erkennbar sei, in irgend einer Weise soll
der Gedanke durchklingen, daß aller Dienst der Kirche
sich gründet auf das Hören des Worts.

So berichtet aus dem Gespräch der Kirche mit Matth. 25, 31—46 !
Die geringsten Brüder W. Brandt über die Exegese dieser j
Stelle von Chrysostomus über Luther und Calvin, dann den Praktikern 1
der Inneren Mission bis zu den zeitgenössischen Auslegern. Der gegen- I
wärtige Leiter G e o r g Merz handelt von Luthers Lehre von der
rechten Gestalt der christlichen Lehre, vor allem auf Grund I
der Schmalkaldiscnen Artikel: „Nicht von der Ordnung her und nicht I
von der Brüderschaft kann Kirche gebaut werden. Sie erfährt ihre Erbauung
durch Wort, Sakrament, Gnadenzuspruch, aber dies geschieht j
recht nur dort, wo es geordnet und brüderlich zugeht." Daraus wer- I
den nun Richtlinien für die Gegenwart, insondeiheit für die bekennende j
Kirche aufzustellen versucht. Mitten in die brennenden Fragen des
Kirchenkampfs fährt im Anschluß an die 4. Bekenntnissynode in Oeynhausen
Edmund Schiink, Die Freiheit vom Gesetz und
die Ordnung der Kirche; er geht von der hypothetisch angenommenen
Analogie zwischen Gesetz und Kirchenordnung aus und versucht
mit großem Ernst von der Reformation Luthers aus zu den Fragen
nach der rechten Kirchenleitung Stellung zu nehmen; ob immer I
überzeugend ?! Mit großem Interesse liest man die Ausführungen des
Leiters des Gnadauer Gemeinschaftsverbands Walter Michaelis,
Die Mitarbeit der Gemein schaf tsbewegung am Verfassungsleben
der Kirche, die von der Stellungnahme und Mitarbeit
der Gemeinschaftsleule nach 1918 berichten und betonen, wie
sich diese dabei nicht nur als Vertreter ihrer Gemeinschaftssonderinteressen,
sondern als für die Gesamtkirche verantwortlich wußten. Berichterstatter
weiß aus eigener Erfahrung, wie der Verf. und andere Abgeordnete
seiner Richtung, z. B. sich auf zwei westfälischen Provinzialsynoden in
diesem Sinn sehr wirkungsvoll betätigt haben. Auf das homiletische Gebiet
führt die viel Anregung gebende Abhandlung von 011 o Sch m i tz,
Exegetische Zucht in der Predigt. Dem A. und N.T. gelten i
die Beiträge von Volkmar Hentrich, Der Anbruch der Herrschaft
Gottes eine theologische Auslegung von Jesaja 1, wobei es
»llerdings zweifelhaft erscheint, ob die Zurückweisung der bisherigen
wissenschaftlichen Anschauung über die Prophetie überzeugend wirkt,
und die kurze Abhandlung von Theod. Oestreicher, Volksgemeinschaft
im A.T., sowie die sehr interessante Studie von Günther
Bornkamm über l.Cor. 13, Der klöstlichereWeg. Ernst
Kiessmann bietet eine biblische Studie zur Frage einer Charakterologie
der heiligen Schrift, Gottes Ruf und der Menschen Charakter
, in feinsinniger Weise werden hier Moses, David, Jesajas, Jeremias
, Petrus und Paulus geschildert und gezeigt, wie Gottes Berufung
neues Leben schafft, aber ohne daß eine vollkommene Wandlung nach
Leib, Seele und Geist geschieht. Als ganz besonders wertvoll möchte
Berichterstatter den Aufsatz von Gottfried Simon, Die heimische
Kirche im Lichte d er M i ss i o n s k i rch e der Gegenwart
bezeichnen, hier redet der bekannte Missiönsmann aus reichster
missionarischer Erfahrung und gründlicher literarischer Kenntnis in sehr
nüchterner Weise von dem Vergleich der Heimatgemeinde und der Missionsgemeinde
und zeigt die Parallelen zwischen der Christentumsbekämpfung
auf dem Gebiet der Mission und der Heimat in der Gegenwart
. Robert Frick, Meister Eckhardts Predigt von der
geistlichen Armut, Vortrag bei der Feier der nationalen Revolution
am 30. 1. 1937 vor der Studentenschaft der Th. Sch., schließt die wissenschaftlichen
Gaben des wertvollen Buches, das ein Zeugnis dafür ist,
wie ernste wissenschaftliche Arbeit in der Th. Sch. in Bethel getrieben
wird.

Halle/S._ Wilhelm Usener.

Z o e 11 n e r, Dr. Wilhelm, und Prof. D. Dr. Wilhelm S t ä h 1 i n: Die
Kirche Jesu Christi und das Wort Gottes. Ein Studienbuch
über das Wort Gottes als Lebensgrund und Lebensform der Kirche.
In Zusammenarbeit mit anderen herausgegeben. Berlin : Furche-Verlag
1937. (238 S.) 8°. RM 3.80; geb. 4.80.

Das Buch ist als Gabe der II. Studienkommission für
Edinburg, die unter dem Vorsitz von Zocllner stand,
verfaßt und ihr vorgelegt. Nach dem Einleitungswort des
Vorsitzenden berichtet Wilh. Bachmann über das Zustandekommen
des Buches. Der Sekretär der Kommission
Stählin behandelt im allgemeinen Teil Die
Kirche Christi und das Wort Gottes. Er umschreibt
mit zwei Fragen die Aufgabe der Kommission:
Warum bezeichnen wir das Offenbarungshandeln Gottes
als sein Wort, und inwiefern kann die menschliche
Sprache in der Kirche Trägerin der göttlichen Offenbarung
sein? Er will das Geheimnis der Offenbarung
nicht von dem Phänomen der menschlichen Sprache
aus verstehen und stellt den Satz auf: „Die menschliche
Sprache hat ihren Ursprung in Gottes personenhaftem
Sein". Wenn wir von Gottesoffenbarung als dem Wort
sprechen, ist das nicht etwa bildhaft, anthropomorph
gemeint, diese Rede ist die eigentlich sachgemäße. Stark
wird gegenüber der soziologischen Auffassung der Kirche
ihre Gottgegebenheit betont. Das unauflöslich zusammenhängende
Handeln Gottes wird mit den Ausdrücken
Offenbarung — Wort Gottes — Christus — Kirche
bezeichnet. In gründlicher theologischer Besinnung wird
nun der ganze Problemenkreis, der mit Wort Gottes
und Kirche gegeben ist, erörtert. In dem Wort der
Kirche ist Christus gegenwärtig. Die Lehre von der
Inspiration ist nur im Zusammenhang mit der Inkarnation
zu verstehen. Bei der Behandlung von Wort und
Sakrament wird betont: Das ökumenische Gespräch hat
nicht den Sinn, Wortkirchen und Sakramentkirchen gegeneinander
auszuspielen, sondern allen Kirchen zu dieser
lebendigen Einheit von Wort und Sakrament zu verhelfen
. In nüchterner Weise werden die Fragen der apostolischen
Sukzession und der Ordnung der Kirche kurz
besprochen, sowie das Verhältnis der Una saneta zu den
Teilkirchen. Der Einteilung des allgemeinen Teils in
1. das Wort Gottes und die Kirche, 2. das Wort Gottes
und das Amt, 3. das Wort Gottes und die Kirchen,
folgen auch die Einzeluntersuchungen:

Hier erscheint die erste, interessante, sich mit den
Ausführungen Stählins berührende Abhandlung von K. B.
Ritter-Marburg über das Geheimnis der
Sprache etwas künstlich konstruiert. Der Schwede
Gustav Anacker-Stockholm behandelt das
Wort Gottes als Offenbarung in sehr klaren,
biblischen und gut lutherischen Ausführungen, wobei wie
auch in anderen Beiträgen die Verbalinspiration deutlich
zurückgewiesen wird. Einen Beitrag der Orthodoxen
Kirche bietet in französischer Sprache Archimandrite
Hierom oine Cassien-Paris, L'Eglise du
Christ et la Parole de Dieu: Das Dogma der