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Ausgabe:

1939 Nr. 2

Spalte:

62-63

Autor/Hrsg.:

Hirsch, Emanuel

Titel/Untertitel:

Der Weg der Theologie 1939

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

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Fabrikant, der Freund des Vaters Bl., der ihn vielleicht
am besten verstanden hat, hat T. Fallot zum Vorkämpfer
eines christlichen Sozialismus gemacht) haben an ihn
angeknüpft. Seine Betonung des Reiches Gottes vor der
der Kirche, seinen Protest gegen eine kirchliche Verengung
des Christentums finden wir bei H. Lhotzky und
Joh. Müller wieder. Der Letztere teilt seinen Realismus
und sieht wie er, nur etwas säkularisiert, „das Ziel der
Menschheit in der Erfüllung der Bestimmung, die wesenhaft
in ihrer geschöpflichen Existenz enthalten ist" (Erinnerungen
S, 441). Wenn Sch. meint, daß Bl. mit seinein
erweiterten Offenbarungsbegriff, der diese nicht auf
die Bibel konzentriert, und seiner Unterstützung von
Kirche, Dogma und Sakrament zu sehr Spiritualist ist,
so scheint uns dieser Spiritualismus zukunftweisend zu
sein. Seine Betonung des Heiligen Geistes deckt sich mit
der im Weltbund für freies Christentum (Van Holk-Ley- |
den) erhobenen Forderung einer Theologie des Heiligen j
Geistes. Aber auch andere theologische Richtungen haben
Blumhardtsche Anregungen aufgenommen und wei-
tergeführt, so Althaus die eschatologischen, Brunner die
auf das Werk des Hl. Geistes bezüglichen, Aulen den i
Gedanken vom Christus Victor, Künneth endlich seine
Theologie der Auferstehung. Nichts kann besser als diese i
Hinweise am Schluß die Zeitgemäßheit dieser gründ-
liehen und erschöpfenden Studie über den theologischen j
Gehalt der Blumhardtschen Deutung des Evangeliums
und der in ihm zu Tage getretenen Lebenskräfte recht- j
fertigen, die der Beachtung der deutschen Theologie j
empfohlen sei, wenn sie auch in französischem Sprach-
gewand erschienen ist.
Wimmenau (Elsaß).________Oeorg Wolf.

Ihm elsf, Landesbischof D. Ludwig: Als die Diener Gottes.
Sechs Kapitel Pastoraltheologie. Mit einem Vorwort von D. Martin
Doerne, hrsg. von D. Carl Ihmels. Dresden-Leipzig: C. Ludwig
Ungelenk 1938. (135 S.) 8°. RM 3.60.

Hat ein Ihmels, der nur noch das „erste Wetterleuchten
" der großen kirchlichen Erschütterungen erlebte, 1
in den heutigen Fragen von Kirche und Amt noch J
mitzureden? Die Neuherausgabe von 6 einschlägigen
Vorträgen und Aufsätzen (zw. 1914 u. 1932) durch
seinen Sohn D. Carl Ihmels zwingt trotz, ja wegen der '
kirchlichen und theologischen Um- und Überstürzungen
des letzten Jahrfünfts zu ungebrochenem Ja. Durch-
gehends ist ein Doppeltes aufweisbar: die zeitliche Ent-
lernung ist schon groß genug, um das sachliche Urteil
von bedrängender Wirre der Tagesgeschehnisse zu lösen;
die zeitliche Nähe ist noch groß genug, um die Wucht
einer fast prophetischer Mahnschau zu sichern. — Bei
der Kirche (bes. I (1923): Was für Pfarrer erfordert
unsere Zeit? IV (1919): Welche Aufgaben hat die
Bekenntniskirche . . .? VI (1932): Führerschaft in der
K.; letzteres vielleicht am wenigsten zeitnah?) sieht und
sagt J. voraus: daß und warum sie nach Fortfall des
Summepiskopats „erst lernen muß, gewisse Schritte in
eigener Autorität zu tun" (S. 131), daß und warum
nach Zerbruch der bisherigen „Staatskirche" die Volkskirche
fragwürdig wird (so bes. S. 98: „indem wir die
Volks kirche wollen, dürfen wir doch nur die Volks-
kirche wollen"), daß und warum mit den kirchlichen
Verfassungsfragen das Bekenntnisproblem unausweichbar
wird (bes. S. 141: Ablehnung der Alternative: „ent-
weder Bekenntnisk. und dann Freik. oder aber Volksk.
und dann keine Bekenmtnisk."); ferner Recht und
Schranke der geistlichen Führung (S. 131: „nur eine
Autorität, der die Führung der K. zukommt: das Wort
Gottes"). — Beim kirchl. Amt (außer I bes. V (1914):
Von der täglichen Zurüstung des Pfarrers; III (1932):
Bekenntnis und Diener der K.; II (1926): Wie predigen
wir Rechtfertigung, Versöhnung, Heiligung?) bewegt uns
heute in erhöhtem Maße: die Frage der Bekenntnisverpflichtung
(bes. S. 119: „Wehe uns, wenn wir verpflichtet
wären, in Kraft unsrer Frömmigkeit Leben zu schaffen
und zu pflegen"!), die der Verkündigung (bes. S. 80:
,,In Wirklichkeit wird luth. Predigt daran erkannt werden

müssen, daß das Wort von der Rechtfertigung tatsächlich
ihren Mittelpunkt bildet") und vor allem die des
pastoralen Ethos; die 4 Grundforderungen, die J. bereits
1923 für den Pfarrer von heute aufstellte (S. 18),
sind Extrakt seiner und jeder Pastoraltheologie. — Insgesamt
prägt sich heraus: wie hier der Typ eines
lutherischen Bischofs erstmalig verkörpert wird; wie dabei
die bischöfliche Betreuung des Pfarrerstandes sein
ureigenes Charisma war; wie sein Bischofsamt zugleich
„die praktische Probe auf die Kirchenlehre des Theologen
" bedeutete und bestehen konnte; wie endlich alles
durch klarstes Verständnis von und heißester Liebe zu
und stärkstes Vertrauen auf lutherische Kirche durchpulst
ist (so S. 37: von der „unverwüstlichen Lebenskraft
der Kirche, daß alle Verkehrtheit der Glieder sie
nicht zu zerstören vermocht hat").
Stade._W i e b e.

Hirsch, Emanuel: Der Weg der Theologie. Stuttgart: W. Kohlhammer
1937. (128 S.) gr. 8°. RM 3 — .

Die sieben Beiträge dieses Heftes sind untereinander
dadurch verbunden, daß sie von verschiedenen Seiten her
ein neues Verhältnis der Theologie zur deutschen Gegenwart
herzustellen versuchen. „Der Weg der Theologie"
besteht „in einer inwendigen Erneuerung der Denk- und
Lebensgestalt des christlichen Glaubens" (S. 10). Die
Theologie muß das neue Lebensgesetz unseres Volkes
als Ausdruck unserer heutigen Gottesbegegnung ernstnehmen
und von hier aus ihren Auftrag erfüllen, die
Christusbotschaft ins persönliche Leben hineinzustellen.
Hirsch sieht für die Kirche einen doppelten Dienst: die
Heiligung des irdischen Lebens und die Wegweisung ins
ewige Leben. Das heutige Selbstverständnis sieht er
wesentlich in Übereinstimmung mit dem christlichen Verständnis
des Menschseins, weil der deutsche Mensch die
Erfahrung des verborgenen Gottes und die der heiligen
Bindung gemacht hat. Von dieser Gotteserfahrung aus
muß der Weg zu Christus gezeigt werden. „Denn nur
dem Menschen, dem der ihm verborgene Gott begegnet
als heilige Bindung ins irdische Leben, kann der Glaube
an Gottes Liebe in Jesus eine sinnvolle Wirklichkeit sein.
Nur er steht in der persönlichen Erkenntnis der Frage,
auf die Jesus die Antwort von Gott werden will" (S. 17).

Der zweite Aufsatz über „Die Lage der Theologie"
zeigt an drei wesentlichen Punkten das neue Verhältnis
der Theologie zur deutschen Wirklichkeit auf. 1. Die Beziehung
des Evangeliums zur Weltanschauung wird positiv
gesehen. Das Evangelium „schenkt den Weg ins
ewige Leben", die Weltanschauung gibt „den Halt und
den Zusammenhang des irdischen Lebens" (S.25). Allerdings
stößt unsere heutige Weltanschauung mit dem
Weltbild zusammen, das weithin in der Theologie aus
der Vergangenheit übernommen worden ist. „Die altpro-
testantische Gestalt von Theologie und Kirche fügt sich
mit dem uns allen gemeinsamen Weltbild und Wirklichkeitsempfinden
immer weniger zusammen. . . Daher wird
der Umbruch bei uns mittelbar Vollstrecker des Schicksals
, das langsam aber unausweichlich sich an der überlieferten
Gestalt von Theologie und Kirche, auch evangelischer
Theologie und Kirche vollzieht" (S.28). Bei dieser
Lage helfen allein der unbedingte Wille zur Wahrhaftigkeit
und der Glaube. 2. Bei dem Verhältnis zur
Bibel geht Hirsch von der Tatsache aus, daß unser heutiges
Bibelverständnis ein anderes ist als das der Reformatoren
, für die die Bibel die Grundlage des Wahrheitsbewußtseins
war. Unter Berufung auf Luthers Wort von
dem in Gottes Wort gefangenen Gewissen zeigt Hirsch,
daß es bei dem Bibelverständnis im Geiste Luthers auf
das rechte Empfangen des göttlichen Wortes ankomme,
was aber im „Element des Vernünftigen" geschehe (S.
36). 3. Die Lehre und der von ihr bestimmte Gottesdienst
bedürfen dringend einer Neugestaltung. Dabei
kommt es darauf an, daß wir die Wiederentdeckung
des Evangeliums durch Luther in unsere Zeit übersetzen.

„Der überkonfessionelle Charakter der systematischen
Theologie" ist durch die neue Volkwerdung gefordert.