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Ausgabe:

1939 Nr. 2

Spalte:

56-57

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Martin

Titel/Untertitel:

John Wesleys Bekehrung 1939

Rezensent:

Oberdieck, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

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darum doch die sichtbarste und repräsentativste Gestalt
der Frömmigkeit seines geschichtlichen Bereiches. Auch
die vielseitigste. Den Kirchenhistoriker interessiert er
als Kirchenpolitiker, als Kontroverstheologe, Kanzelredner
und Verwalter einer Diözese. Im Felde seines Wirkens
stehen der König, der Papst, katholische, calvini-
stische, lutherische und anglikanische Theologen, Ordensgemeinschaften
, Gläubige und Abtrünnige.

Diese Vielseitigkeit des Theologen Bossuet ist
das Thema der vorliegenden Studie. Sie beschäftigt
sich ausführlich mit den Gesprächen und Büchern, die
den Protestanten zeigen sollen, wie in Wirklichkeit der
katholische Glaube aussieht, wie er sich von ihrem
eigenen unterscheidet, wie viel oder wie wenig sie also
preisgeben müssen, um wieder Angehörige der katholischen
Kirche zu werden. Die wichtigsten Adressaten und
Anreger dieser Kontroverse sind Ferry, Claude, der
hannoversche Molanus, Leibniz und anglikanische Geistliche
. Daß Sparrow Simpson den Beziehungen Bossuets
zur englischen Kirche besonders aufmerksam nachgeht,
werden nicht nur seine Landsleute willkommen aufnehmen
.

Zur außerkatholischen treten innerkatholisch« Fron-
ten der Theologie Bossuets. Das vorliegende Buch widmet
seiner Absage an den Quietismus und an Richard
Simon und Petavius, die ersten Vertreter einer historiscto-
kritischen Betrachtungsweise, besondere Kapitel. Man
erfährt, worum es jeweils geht und wie der Streit
in seinen einzelnen Etappen verläuft. Anhand der Korrespondenz
Bossuets wird besonders ausführlich die Aufeinanderfolge
des Geschehens in seinem Kampfe gegen
den Quietismus Fenelons geschildert. Natürlich ist auch
Sparrow Simpson nicht davon überzeugt, daß Bossuet
dabei immer das Rechte gedacht und getan habe.

Sehr genau erörtert unser Buch den Gallikanisrnus
des Bischofs von Meaux. Es unterrichtet den Leser
von seinem bedeutungsvollen Auftreten vor der Versammlung
des französischen Klerus im Jahre 1682,
vom Zustandekommen der vier gallikanischen Artikel
und von seiner berühmten und umfangreichen Defensio
declarationis cleri Gallicani.

Den tragenden Grund der Theologie Bossuets, so
führt Sparrow Simpson in einem besonderen Kapitel aus,
bildet seine Überzeugung, der katholische Glaube sei
von jeher und seinem Wesen nach unveränderlich und
unwandelbar. Whether he is expounding the Faith of the
Church or defending the traditions of Christendom, or
criticising the variations of Protestantism, this presup-
position is invariably the fou/idation (193). Obwohl
Bossuet diese Grundüberzeugumg niemals systematisch
entwickelt hat, läßt sie sich mit Leichtigkeit aus allen
Wendungen seiner Theologie herauslesen.

Das Buch von Sparrow Simpson bedeutet für uns
nicht eigentlich einen Zuwachs an wissenschaftlicher
Erkenntnis. Wohl aber bietet es eine zuverlässige und
übersichtliche Darstellung alles Wissenswerten unmittelbar
aus den Quellen heraus. Es geht meistens so vor,
daß es ausführlich und klug die jeweils interessierenden
Schriften Bossuets referiert. So gewinnt der Leser eine
durchgebildete und anschauliche Gesamtvorstellung. Der
Theologe Bossuet bleibt dabei freilich eine historische
Gestalt. Ob es möglich ist, mit ihm ein eigenes theologisches
Gespräch anzuknüpfen, den Theologen Bossuet
also theologisch und nicht nur historisch zu erfassen,
darüber sagt Sparrow Simpson nichts.

Noch eine Bemerkung zum Schluß: Der Verfasser
nennt Fenelon (S. 91) einen „geborenen Höfling". Das
ist er sicher nicht. Der Begriff „Höfling" trifft eher
schon auf Bossuet zu. Im Gegensatz zu ihm ist Fenelon
ein feudaler Aristokrat alter Prägung. Als solchen hat
ihn noch kürzlich P. Barriere in seinem wichtigen Buche
La Vie Intellectuelle en Perigord (Bordeaux, 1936) bezeichnet
. In einer einprägsamen Formel dieses Buches
werden die politischen Voraussetzungen der beiden Gegner
aus dem Quietismus-Streit so voneinander unter-

I schieden: Bossuet est le theoricien de La monarchie
teile que la congoit Louis XIV, appuyee sur la discipline
bourgeoise, Fenelon etant au contraire celui d'une mo-
narchie d'esprit feodal fondee sur le consentement indi-
viduel (374). Dieser Unterschied ist so grundlegend
I daß er sich außer auf dem Gebiete der Politik selbst
| auch in den übrigen Bezirken des Daseins, also auch
! in bezug auf kirchliche und religiöse Dinge auswirken
i wird. Deshalb verdient er, in diesem Referat angedeu-
I tet zu werden.

j Marburg._ W. Kalthoff.

Schmidt, D.Martin: John Wesleys Bekehrung. Bremen: Verlagshaus
der Methodistenkirche 1938. (107 S.) 8° = Beiträge zur Qe-
! schichte des Methodismus. Heft 3. RM 2.50; geb. 3.40.

Schmidt will John Wesleys „Bekehrung" am 24.
Mai 1738 nach ihren „inneren Bedingungen" und nach
| dem „theologischen Gehalt" seiner in der Bekehrung
j erfolgten Begegnung mit Luther zum Verständnis bringen
. Demgemäß stellt er im ersten Hauptteil,
auf dem der Schwerpunkt seiner vorwiegend biographischen
Arbeit liegt, Wesleys „innere Entwicklung" bis
zu seiner Bekehrung dar. Gestützt auf seine Briefe
und sein Tagebuch (die dauernd überarbeiteten Predigten
I scheidet S. für seinen Zweck aus) zeigt S. in sorgfältiger
Einzeltintersuchung, wie bei W., der „kein Büchermensch
war, sondern die stärksten Eindrücke — außer
der Bibel — von Personen und Lebensschicksalen
empfing" (39), theologische Entwicklung und persönliches
Geschick in engster Abhängigkeit voneinander
standen. Kindheit und Jugend, Einflüsse von Eiterhaus,
Universität und theologischer Lektüre werden ausführlich
behandelt. Übernimmt W. zunächst das „abstrakte
j Heiligkeitsideal" von Taylor und Law, so vertieft sich
| sein Heiligungsstreben bald zur „bewußt gewollten Wiederaufnahme
der urchristlichen Haltung" (72), die sich
| an der zunächst vorwiegend gesetzlich verstandenen Bibel
orientiert. Unter dem Eindruck der Herrnhuter,
besonders Spangenbergs und Böhlers, und der Enttäuschungen
in Amerika vollzieht sich dann der Fortschritt
zur Erfassung . des eigentlichen Zentrums der
urchristlichen Haltung, des Rechtfertigungsglaubens und
des Hl. Geistes als der Kraft des neuen Lebens. „Prädisponiert
" für das Rechtfertigungserlebnis war W. durch
sein radikales Ernstnehmen der Forderung Gottes. Die
grundsätzlich schon errungene Erkenntnis wird dann in
der „Bekehrung" persönlich angeeigneter Glaubensbesitz
und durch den folgenden Besuch in Herrnhut (das „Eintauchen
in die urchristliche Welt selbst" 64), insbesondere
auch durch die Predigten Christian Davids, die
j für W. „eine zweite entscheidende Berührung mit dem
j zentralen Gedankengut Luthers" (68) brachten, weiter
I befestigt und vertieft. Entscheidend tritt in Wesleys Ent-
! wicklung immer wieder seine praktische Richtung auf
Predigt und Seelsorge hervor, „ohne die er nicht zu sich
selbst gekommen wäre" (40).

Der Vorzug der Darstellung Schmidts, die genaue
j Berücksichtigung aller Einzelmomente von frühester Ju-
I gend an bishin zu den intimsten Erlebnissen, die sein
Werden mitbestimmt haben, bedingt zugleich die von S.
selbst empfundene Gefahr (7), in der Auswertung der
Lebensschicksale zur Erklärung der theologischen Ent-
! wicklung zu weit zu gehen. Nicht immer ist diese Gefahr
ganz vermieden, wie z. B. im Falle von Miss Sophy,
wo jedenfalls das dargebotene Material nicht ausreicht,
j um so weit gehende Ausdeutungen vornehmen zu kön-
j nen (51f.).

Im 2. Hauptteil: Der Gehalt der „Bekehrung"
versucht S. einen kurzen Vergleich Wesleys mit Luther,
wobei, da W. nicht auf „feste theologische Formulierungen
" gerichtet ist, nur „ähnliche theologische Antriebe
" verglichen werden können. Am Bilde Luthers
zeigt S., worin W. sich mit ihm berührte, worin er von
ihm abwich, und worin er hinter ihm zurückblieb. Deut-
j lieh wird am Ringen der zwei Glaubensbegriffe in seiner
Bekehrung, wie stark W. der Reformation verpflichtet