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Ausgabe:

1939 Nr. 2

Spalte:

51-53

Titel/Untertitel:

Inventaire des archives du Chapitre de St. Thomas de Strasbourg 1939

Rezensent:

Ficker, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

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1933 Nr. 19 Sp. 346 f.). Ramackers, der Bearbeiter
der Papsturkunden in der Normandie, hatte 1933 und

1934 die Ergebnisse seiner Forschungen in den Niederlanden
— Belgien, Luxemburg, Holland und Französisch-
Flandern — vorgelegt. Jetzt Kündigt er an, daß er seinen
sehr umfangreichen hier vorliegenden Reisebericht über
die Normandie alsbald weitere Berichte über Artois,
Picardie, Bretagne, Anjou usw. folgen lassen werde, so
daß die Vorarbeiten für die „Gallia Pontificia" durch
Ramackers ganz erheblich gefördert sein dürften.

R. hat nach diesem Bericht neben mehreren Hand-
schril'tengruppen der Nationalbibliothek in Paris und der
Fonds Savigny im Nationalarchiv zu Paris durchforscht
die Departementalarchive in Rouen, Evreux, Caen, Saint
L6 und Alencon, ebenso die Stadtbibliotheken in Rouen,
Caen, Bayeux, Avranches und Alencon, ferner das Hospitalarchiv
in Lisieux, die Kapitelbibliothek in Bayeux und
die bischöfliche Bibliothek in Sees. Mit dem Ergebnis
seiner Forschungen glaubt R. mit gutem Recht zufrieden
sein zu dürfen. In der Tat beweist der Abdruck von
344 bei Jaffe-Löwenfeld nicht als gedruckt nachgewiesenen
älteren Papsturkunden, daß hier unsere Kenntnis
der mittelalterlichen päpstlichen Diplomatik durch eine
Fülle neu gehobener Schätze bedeutsam erweitert worden
ist.

Allerdings haben wir es fast nur mit Urkunden des
12. Jahrhunderts zu tun. Die drei Stücke aus früherer
Zeit verteilen sich auf zwei in das 6. und 9. Jahrhundert
bineinverlegte offenbare Fälschungen und ein in Kopie
des 13. Jahrhunderts überliefertes Schreiben Urbans II.

341 Stücke der hier mitgeteilten Urkundenschätze
fallen also ins 12. Jahrhundert, und zwar ist Alexander
III. mit 105 Stücken, davon 31 Originalen, Lucius
III. mit 56 Stücken — davon 21 Originalen — und
Cölestin III. mit 45 Stücken — davon 17 Originalen —
vertreten. Dann folgen Eugen III. mit 44 Urkunden
(7 Originalen), Hadrian IV. mit 26 Urkunden (6 Originalen
), Urban III. mit 19 Urkunden (3 Originalen) usw.
Die nicht nach dem neu aufgefundenen Original abgedruckten
Urkunden liegen im üriginaltranssumt, in gleichzeitiger
oder späterer Kopie, im Kopialbuch oder im
Cartular, in Vidimus, chronikalischer Notiz und im Regest
, zuweilen auch im alten Druck vor. Außer den bereits
angegebenen Fundorten bringt R. noch Funde aus
London, Oxford und Canterbury.

Inhaltlich betreffen die Urkunden in erster Linie
päpstliche Bestätigungen von Gütern und Rechten, Regeln
und Gewohnheiten, geistlichen Vorrechten und Auszeichnungen
, Rechtsgeschäften, Maßnahmen der geistlichen
Verwaltung und der kirchlichen Zucht; eine große
Rolle spielt — wie im 12. Jahrhundert üblich — die
Aufnahme in den päpstlichen Schutz.

Sehr verdienstlich ist die weitgehende Unterdrückung
des sich immer wiederholenden Formulars von Arenga
bis Pönform. Weithin ist da der wörtliche Abdruck der
bekannten Formeln durch das etc. ersetzt, zumal dann
mit besonderem Recht, wenn die Vorlage in Kopie bereits
diese Kürzung angewendet hatte. Nur ein ganz kurzes
Regest muß genügen anstelle eines Abdrucks des ganzen
Cisterciense (Nr. 174).

Die Drucke sind nicht Vorabdrucke aus dem Konzept
, sondern endgültige und saubere Ausgaben, dde
allen berechtigten Ansprüchen vollauf geniigen.
Berlin. Otto Lerche.

Inventaire des archlves du Chapiire de St. Thomas de Strasbourg
. Strasbourg: Imprimerie Alsacienne [o. J.| (IV, 501, XLVI S.) 4°.

Straßburg hat für das kirchliche und geistige Leben
seiner größten Zeit nächst dem Stadtarchive die ergiebigste
Brunnenstube in den verschiedene Sammlungen vereinigenden
historischen Beständen des St. Thomaskapitels
, entsprechend der Ungewöhnlichen Wichtigkeit, die
diese nächst dem Domkaphal bedeutendste, auch wirtschaftlich
starke kirchliche Institution der Stadt gewonnen
und zum Teil bis in die Gegenwart behauptet hat.
Während aber der Reichtum des städtischen Archivs

1 in den gedruckten Repertorien Bruckers leicht einzusehen
I war, fehlte für das Thomasarchiv eine gedruckte Über-
j sieht, und auch handschriftlich lag nur für einige Teile
! eine genauere Verzeichnung vor. Ch. Schmidt, der Vf.
j der Hlstoire du Chapitre de St. Thomas pendant le
! moyen äge, 1860, hatte 1852 den Hauptteil der mittelalterlichen
Urkunden, besonders der Bettelorden, registriert
und summarisch größere Bestände der Akten
i bezeichnet; nach der Überführung des Thomasarchivs
1 in das Stadtarchiv hat Dr. J. Bernays und der jetzt
noch an letzterem tätige H. E. Räuber 1901 eine Fort-
j setzung begonnen, doch weniger mit Aufnahme der
eigentlich historischen, als der wirtschaftsgeschichtlichen
und literarischen Bestände. Den weitaus größten Teil
der Arbeit hat dann der mit der Hut des Thomasarchivs
betraute treue Hüter der elsässischen Kirchengeschichte,
i der Vf. der Ev. Kirchengeschichte Straßburgs (1922)
und der elsässischen Territorien (1928), Pfarrer und
; Geistlicher Inspektor Johann Adam getan, und er hat
gerade noch die Vollendung des Druckes des gesamten
Inventars erleben können. Er hat die Arbeit seiner Vorgänger
übernommen, insbesondere wörtlich die Ausarbei-
| tung von Ch- Schmidt; in allem übrigen hat er selbst
i jedes einzelne Schriftstück verzeichnet; eine große und
' teilweise schwierige Arbeit. Schon im äußern Umfange
des gedruckten Textes tritt das St. Thomaskapitel mit
seinen eigenen Angelegenheiten (die wirtschaftsgeschicht-
i liehen sind besonders verzeichnet, ihnen sind neuerdings
! auch Kirchenrechnungen von Pfarreien der Grafschaft
Hanau-Lichtenberg angeschlossen) weit zurück hinter
dem, was in der großen Bewegung zu einem großen Teile
aus ihm herausgewachsen und von ihm geleitet worden
ist. Zuvörderst in ganz großem Umfange das Kirchliche.
In einer im ganzen übersichtlichen Ordnung ist das für
I die verschiedenen Gebiete des kirchlichen Lebens und
für den ganzen weiten Umkreis herausgestellt, in dem
die Straßburger Reformation mit den deutschen und den
I romanischen Gebieten in Verbindung stand. Dabei tritt
auch ihr eigentümlicher Charakter klar entgegen: die
Erinnerung an die mittelalterliche Reform; der Einfluß
des Humanismus; der starke, reiche und dauernde Wiederhall
Luthers; später läßt sich auch die Einwirkung
Calvins als bleibend erkennen; in allem die erstaunliche
Tätigkeit der Straßburger Reformatoren seihst. Der unschätzbare
Reichtum, der sich hier kundtut, spricht am
: gesammeltsten in den geschlossenen Sammlungen von
Originalen: Schriftstücken von Bucer und Capito, dazu
[ drei besondere Bände mit Briefen Bucers (besonders
an die Blaurers und an K. Hubert); in 9 Bänden sind
Briefe von Theologen des 16. Jhs. zusammengebunden
; dazu kommen noch zwei lose Briefsammlungen
von Theologen des 16- und 17. Jhs. und von den
beiden Huberts und Dryander. An Reichhaltigkeit kann
diesen Sammlungen die Reihe von Straßburger Varia
; ecclesiastica, 19 Bände (teils in Fol., teils in 4°) an die
Seite gestellt werden, die mit dem Namen von Jak.
Wencker verbunden ist: weit über 1000 verschiedenartigste
Dokumente und Nachrichten, auch Originale,
ans verschiedenen Zeiten, Abschriften von Vorlagen, von
denen manche nicht mehr erhalten sind, auch aus den
Anfängen der Reformation. Man sieht jetzt bei den bequem
gemachten Überblicken manche Einzelheit, der
nachzugehen sich lohnt, selbst unter den Urkunden; in
der Korrespondenz; im liturgischen und disziplinarischen,
auch im sektierischen Bereiche; insbesondere auch in
dem reichhaltig vertretenen der Lehrstreitigkeiten der
I 2. Hälfte des 16. Jahrh. Hier sei nur darauf hingewie-
i sen, daß wichtige zusammenhängende Quellenschriften
| noch nicht veröffentlicht sind: das Protocollum des Ue-
| kans des Thomaskapitels Nie. Wurmser 1513—24, das
Diarium Qerbels 1523—29 und das Diarium Marbachs
I 1552—56. Mit dem Ende des 16. Jhs. lassen die Bestände
erheblich nach; doch ziehen sich einzelne allgemeineren
Charakters bis in das 19. Jh. und es fehlt
riieht an besonders Bemerkenswertem, so für das 17. Jh.
I die Korrespondenz von S. Gloner (hier auch Briefe von