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Ausgabe:

1939

Spalte:

50-51

Autor/Hrsg.:

Ramackers, Johannes

Titel/Untertitel:

Papsturkunden in Frankreich ; N.F., 2.Normandie 1939

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

50

anzunehmen — gleich anfangs den flüchtigen Petrus
als lapsus und damit amtsenthoben betrachtet hat. Dali
er den alcxandrinischen Bischofstuhl (bis zu allgemeiner
Regelung?) vakant ließ, beweist noch nicht seinen
eigenen Anspruch darauf, gar neben seinem alten Bistum
! Die Ablehnung der Bußregelung des Gnadenerlasses
kann bedeuten, daß er — bei währender Verfolgung
! — auf das Martyrium als rechte Sühne hinwies
. Dann aber zeigt sich vielleicht ein innerer Zusammenhang
des ersten mit dem zweiten Streit und bekundet
sich ein Kirchenbegriff, der Melitius in die unmittelbare
Nähe Novatians rückt; das würde dem lokalen
Streit eine grundsätzliche Bedeutung verleihen.

Diese kurzen Andeutungen sollen nur zeigen, daß
noch Fragen offen sind. In jedem Falle aber wird
künftig niemand, der sich um ihre Beantwortung bemüht
, an der tüchtigen Arbeit K.s vorübergehen dürfen!
Göttingen.___H. Dörries. j

S. Gaudentii episcopi Brixiensis tractatus. Ad fidem codicum
rec. Ambrosius Glück. Wien: Hoeldcr-Pichler-Tempsky; Leipzig:
Akad. Verlagsgesellschaft 1036. (XLVI, 275 S.) gr. 8° = Corpus Script,
ecclesiasticorum Latinorum. Vol. 68. RM 20 . j

Die Sermones oder, wie wir jetzt sagen müssen, |
Tractatus des üaudentius von Brescia wurden erst im
16. Jhd. durch eine Ausgabe von Joh. Jak. ürynäus
allgemeiner bekannt. Ihr folgte 1738 eine neue Ausgabe
von Galeardus, einem Kanoniker von Brescia, die bei
Migne wieder abgedruckt ist. Grynäus hatte zahllose
Fehler; Galeardus konnte neben dessen Text nur minderwertige
Handschriften benutzen. Die kritische Ausgabe, I
die wir jetzt geschenkt bekommen, bedeutet dementsprechend
einen ganz wesentlichen Gewinn, wie ein Vergleich
mit Migne auf Schritt und Tritt deutlich macht. Allein
in der Praefatio ad Benivolum finden sich 23 Abweichungen
, darunter 5, die den Bibeltext betreffen, für den
Gaudentius selbst ein lebhaftes Interesse zeigt.

Die 19 ersten Predigten sind in allen Handschriften
gemeinsam überliefert, und ihre Veröffentlichung ist,
wie die Praefatio erkennen läßt, offenbar durch den j
Verehrer des Gaudentius, den reichen Magister memoriae
Benivolus selbst veranlaßt worden. Zwei weitere Stücke
haben jede für sich ihre eigene Überlieferungsgeschichte;
ihre Echtheit wird jedoch heute nicht mehr bezweifelt, j
Sie werden auf irgendwelche Nachschreiher zurückgehen, j
deren Tätigkeit Gaudentius selbst unwillig erwähnt. Er
selbst scheint ohne literarischen Ehrgeiz gewesen zu sein, i
und weitere Predigten, deren Vortrag er erwähnt, sind
anscheinend nie veröffentlicht worden. Auch die Überlieferung
des Erhaltenen ist nicht sehr reich und verhältnismäßig
leicht zu übersehen. Sie gliedert sich in
zwei Zweige, die auf einen einzigen Archetypus, wohl |
des 5. Jhd.s, zurückgehen müssen.

Der Hrsg. betont mit Recht das starke sprachliche
und homiletische Talent des sympathischen Predigers
und Exegeten, der dem Theologenkreis um den großen !
Ambrosius zugehörte. Er hat alles getan, um die vorliegenden
Schriften nicht bloß in einem sauberen Text j
vorzulegen, sondern auch sonst zu erschließen. Die
Prolegomena handeln vom Leben des Gaudentius, seinen |
Schriften, der Überlieferung, den Ausgaben, der Recht- i
Schreibung, dem Bibeltext und stellen die testimonia
zusammen. Ganz besonders sind jedoch die ausführlichen
Indices zu rühmen über Bibelstellen, sonstige Zitate,
Namen und Sachen, Worte und sprachliche Wendungen,
vor allem auch der Index grammaticus et rhetoricus.
In allem steckt ein großes Maß entsagungsvoller Arbeit,
für die jeder Benutzer des Buches dankbar sein wird.

Die Ausgabe hat den Hrsg. 10 Jahre lang beschäftigt
und erfüllt nun die Wünsche, die man hegen durfte.
Sie ist ein neues, würdiges Glied im Kirchenvätercoi pus
der Wiener Akademie.

Der Dialog de vita Joh. Chrysostomi hätte nicht mehr nach Migne,
sondern nach Coleman-Norton (1928) zitiert werden sollen. S. XLII
Z. 14 lies öeiv statt ibiv. Für den Mailänder Kirchenstreit von 385/86
wäre nicht mehr auf die überholten Untersuchungen Ihms (1890) zu

verweisen (S. XI), sondern auf J-R. Palanque, Saint Ainbroisc et l'empire
Romain (1933) sowie den Aufsatz van Haeringens, Mnemosyne Ser. III,
Vol. V. (1937). Der Praef. 33 erwähnte ignis dürfte nach dem Zusammenhang
kaum der ignis der „gehenna" sein, sondern eher ein „Fegfeuer".
Index II dürfte die Stelle also nicht unter „gehenna" bringen.

Qreifswald. H. v. Campenhausen.

Renke witz, Lic. Heinz: Hochmann von Hochenau (1670—1721).
Quellenstudien zur Gesch. des Pietismus. Breslau: Maruschke & Be-
rendt 1935. (XI, 457 S.) gr. 8° = Breslauer Studien zur Theologie
u. Religionsgeschichte. Bd. 2. rm 15 — .

Diese ausführlichen „Quellenstudien zur Geschichte
des Pietismus" umfassen fünfzehn Kapitel. Wertvolles
neues Material ist herbeigeschafft worden. In gründlicher
Weise wird Hochmanns Werden, das bisher als
„verschleiert" galt (man vergleiche etwa Bosses Artikel
in RE < VIII, S. 162ff. mit diesen Quellenstudien),
und Wirken dargestellt. Manch neues Licht fällt auf
den separatistischen Pietismus jener Zeit.

Anfang März 1693 erlebte Hochmann in Halle die
radikale Wende seines Lebens (S. 20). Renkewitz läßt
die Frage offen, ob Breithaupt, dessen Collegium privatum
und tägliche Betstunden Hochmann besuchte, oder
Francke, dessen Führung er bald entglitt, dabei Handlanger
waren. Genug, Hochmann wußte sich fortan
aus seinem bisherigen Leben herausgehoben und in einen
neuen Lebenszusammenhang versetzt. Den „geistlichen
Priester" erfüllte seitdem ein starkes Erwähl ungs-
bewußtsein; so ist es nicht verwunderlich, daß es
schon bald zu den ersten Zusammenstößen mit den
geistlichen und politischen Behörden kam.

Sein Leben, das er ganz und gar im den Dienst der
Laienpredigt und -seelsorge stellte, verlief nach seiner
Erweckung zwischen zwei Polen: dem Kampf des Revolutionärs
und der stillen Zurückgezogenheit des Einsiedlers
. Über seinem Wirken lag eine eigentümliche
Spannung; er erhoffte eine vollständige Neuordnung des
persönlichen und öffentlichen Lebens durch Christus,
nicht erst in ferner Zukunft, sondern unmittelbar bevorstehend
. Seine juristische Bildung benutzte er als Waffe
in den Kämpfen, die er zu bestehen hatte. Eins unterschied
ihn von manchen Gesinnungsgenossen: „Er zog
sich nicht auf das Bewußtsein zurück, daß er um Christi
willen Verfolgung leide, während die anderen allesamt
Verworfene seien, sondern die Verkündigung von Gottes
Liebe wurde gegen Ende seines Lebens immer klarer
" (S. 2). Das kommt in gewissen Urteilen, die über
ihn nach seinem Tode abgegeben wurden, klar zum
Ausdruck (S. 398). So sind von Hochmann bedeutsame
Wirkungen ausgegangen, durch die er die „Schwärmer"
seiner Zeit um vieles überragt.

In seiner „Friedensburg" bei Schwarzenau ist er
Anfang Januar 1721 gestorben. Zu einer Besucherin
sagte er kurz vor seinem Abscheiden: „Alles verschwindet
, und nichts als Jesus bleibt auch in der Finsternis
das Licht" (S. 397). — Die Hochmann'sche Linie des
Pietismus weist in manchem auf Zinzendorf und Schleiermacher
hin. Die Neu-Täufer, die von 1719 an nach
Amerika, „dem Land wirklicher Religionsfreiheit", auswanderten
, nahmen Hochmanns Glaubensbekenntnis mit,
das später Bekenntnis einer amerikanischen Kirchen-
gemeinschaft wurde (S. 286ff.).

Renkewitz hat mit seinem Buch in der Tat zur Geschichte
des außerkirchlichen Pietismus einen Beitrag
geliefert, der Beachtung verdient-

Minden (Westf.). Wilhelm Rahe.

Ramackers, Dr. Johannes: Papsturkunden in Frankreich.

Neue Folge. 2. Band : Normandie. Göttingen: Vandenhoeck 8c Ruprecht
1937. (424 S.) gr. 8° = Abh. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen,
Philol.-hist. Klasse. 3. Folge Nr. 21. RM 26.50.

Über die von Paul Kehr geleitete Ausgabe der älteren
Papsturkunden bis 1198 haben wir hin und wieder,
wenn auch nicht vollständig berichtet. Wir weisen hin
auf unser Referat über den ersten Band dieser „Neuen
Folge" (H. Me inert, Papsturkunden in Frankreich:
Champagne und Lothringen 1932/33, Theol. Lit.-Ztg.