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Ausgabe:

1939 Nr. 2

Spalte:

39-40

Autor/Hrsg.:

Allgeier, Arthur

Titel/Untertitel:

Biblische Zeitgeschichte 1939

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 2.

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der römischen Selbstverwaltung. Hier ist der erste grö- I
ßere Abschnitt, in dem auch neutestamentliche Stoffe
wie der Prozeß Jesu und der des Paulus sowie des
Petrus und a. m. eine ausführliche geschichtliche Be- j
leuchtung erfahren. Das Schwergewicht der Darstellung
und der Hauptteil des Werkchens liegen in den vier letz- i
ten Kapiteln, welche den großen Gerichtshof in der
Quaderkammer im Tempel zu Jerusalem, die Akademie,
das Patriarchat und die Aeltesten behandeln. Ein Exkurs
beschäftigt sich auf drei Seiten zum Schluß noch
mit dem Recht der Zukunft. Die Ausführungen des Verfassers
verlaufen in Berührung und in Auseinandersetzung
mit der bisherigen Forschung bis in die neueste
Zeit hinein und bringen auch Einzelheiten, die der Beachtung
und Überlegung wert sind, z. B. Seite 20 Anmerkung
1 wird die Amtsbezeichnung des Serubabel als
„Statthalter Judäas" bei Haggai als späterer Einschub
erklärt. Seite 26, Anmerkung 2 sind die Korrekturen,
welche in Judith vorgenommen werden, beachtenswert.
Ob, wie Seite 41 Anmerkung 2 ausgeführt wird, die
Presbyteroi Mc. 7 einfach den Schriftgelehrten gleichzusetzen
sind, bedarf der Nachprüfung. Hierzu sind
die Ausführungen auf Seite 49 und 77 heranzuziehen.
Nicht übersehen werden darf der Nachweis auf Seite 60
Anmerkung 2, daß man nicht ohne weiteres die Terminologie
der Kaiserzeit, in der epitropos = prokurator gesetzt
wird, in die frühere Zeit übertragen darf. Auf
Seite 88 wird im Gegensatz zu der üblichen Forschung
im Synhedrion des N.T. nicht die Fortführung der
in den Makkabäerbüchern erwähnten Gerüste gesehen.
Ausgezeichnet ist die Ausführung über die Bedeutung
der Einfügung der Ketzerberacba in das Achtzehngebet
auf Seite 150. Die Darlegungen über die Selbstverwal-
tungseinrichtungen in derZeit von Mischna und Talmud
werden zwar nicht ohne * Kritik dieser und verwandter
Quellen gegeben, wie sie durch deren sich vielfach
widersprechende Aussagen gefordert wird, verlaufen aber
oft in zu engem Anschluß und zu großem Vertrauen
in den geschichtlichen Wert, dieser so vielfach unkontrollierbaren
und in sich unwahrscheinlichen Darstellungen
und Erzählungen. Aber auch wenn man den Quellen
etwas kritischer gegenübersteht, als der Verfasser
es tut, wird man mit Befriedigung die fleißige und einsichtige
Arbeit eines mit dem Stoffe durchaus Vertrauten
lesen, der sicherlich kein anderes Interesse gehabt hat,
als das geschichtlich Tatsächliche herauszustellen. Es ist
dankenswert, daß auch Quellen der Kirchengeschichte in
die Betrachtung miteinbezogen werden. Daß hin und wieder
auch auf Ausdrücke dieser ein Licht fallen kann, ersieht
man aus Seite 135. Hier kommt der Ausdruck
„Erstgeborener des Satans" in hebräischer Quelle vor,
wie er von einem Erzhäretiker bei Polykarp 7,1 und im
Martyrium des Polykarp und zwar hier von Marcion
griechisch zu lesen ist. Alles in allem eine anerkennenswerte
Leistung.

Goslar am Harz. _ Hugo Duensing.

Allgeier, Arthur: Biblische Zeitgeschichte in den Grundlinien
dargestellt. Freiburg i. Br.: Herder&Co 1937. (XX, 328 S., U Abb
auf 8 Taf., 2 Ktn.) 8°. RM 8.20 ; geb. 9.60

Der Titel des Buches soll analog dem Titel „Neu-
testamentliche Zeitgeschichte" verstanden werden; er
deckt die Geschichte des Volkes Israel und der Jüdischen
Gemeinde von den Anfängen an bis zum Jahre 73 n. Chr.
Ausführlich behandelt wird auch die Vorgeschichte Palästinas
von der Prähistorie an, z. T. auch, jedoch in sehr
ungleichem Maße, die Geistesgeschichte. Der Standpunkt
des Verfassers ist im ganzen der bei einem katholischen
Verfasser selbstverständliche, doch mit einem bemerkenswerten
Einschlag kritischer Freiheit innerhalb
der möglichen Grenzen (z. B. Jes. 21 und 40ff.: exilisch
, Koheleth: 3. Jhdt). Die starken Unterschiede der
Quellenberichte erklären sich dem Verf. im allgemeinen
daraus, daß die Berichterstatter die Dinge, denen sie
zeitlich nieist schon ziemlich fern standen, von verschiedenen
Standpunkten aus darstellten, daher auch die .
Stoffe z. T. verschieden auswählten; er glaubt daher j

über sie hinwegkommen zu können, indem er „einen
Standpunkt über beiden sucht" (S. 125/6). Man wird der
Leistung des Verfassers natürlich nicht gerecht, wenn
man sie von einem andern Standpunkt aus kritisiert.
Aber auch wenn man seinen Standpunkt voll gelten läßt,
wird man über manche Bedenken gegen seine Auffassung
und Darstellung nicht hinwegkommen. Das gilt vor allen
Dingen gegen die Überschätzung des levitischen oder
priesterlichen Geistes und Einflusses, indem „religiös
und „priesterlich" so gut wie völlig identifiziert werden.
Ich zitiere z. B. S. 98: „Stehen sie [die Leviten] nicht
auch im Hintergrund der gesamten Erzählung des Richterbuches
? . . . Die ganze historische Literatur ist we-
i sentlich levitischer Natur . . . Nur vom Standpunkt der
j Religion und des Gottesdienstes, nicht vom Standpunkt
! des Politikers . . . sind die Erzählungen gesehen, ausgewählt
und geformt." Und das gilt nicht nur von der
Berichterstattung, sondern auch von den Vorgängen
selbst. Es heißt S. 98 weiter: „Hinter den kriegerischen
i Bewegungen und der Ansiedlung im Lande Kanaan
l stehen überall die Leviten. Damit wird die treibende ...
Kraft aller der elementaren äußeren und inneren Ge-
] walten, welche im Völkerleben wirksam zu sein pfle-
I gen, keineswegs ausgeschaltet. Aber ein inneres, ord-
| nendes Prinzip wird allerdings historisch greifbar . . .
i gewisse Richtlinien des religiösen Bewußtseins im Volke",
und S. 291: „Der Pharisäismus ist die Abwehr der rein
politisch verstandenen Reaktion gegen den Hellenismus
und die Besinnung auf den religiösen Beruf, also die
Wiederholung des Vorganges, der immer wieder in die
j Erscheinung tritt, sobald in Israel ein staatliches Gefüge
mit wesentlich politischer . . . Struktur in Bildung begriffen
war. Der Herd der Bewegung war die Priesterschaft
." Sonst sei zur allgemeinen Charakteristik des
I Buches nur noch kurz erwähnt, daß trotz der gelegentlichen
Bemühung, die Einzelvorgänge in allgemeinere
I Entwicklungslinien einzugliedern, die Darstellung doch
I gar zu oft eine bloß äußere Nebeneinanderordnung
bleibt; beachte z. B. die völlige Trennung der politischen
Geschichte der Königszeit von der Darstellung
j der prophetischen Bewegung S. 159—186 und S. 197
| bis 215, die durch ganz vereinzelte verknüpfende Be-
i merkungen nicht überwunden wird und beide Teile stark
j verkümmern läßt:

Sehr störend sind eine Menge von Ungenauigkeiten
in den Einzelangaben, z. B. S. 10 f.: „In der Ebene
i Jesreel hat Labaja ... die Gebiete von . . . Sichein
| besetzt, Megiddo belagert und Gezer genommen und
sein eigenes Land den Chabiri überlassen . . . Chaja
schickt ägyptische Truppen nach Jerusalem. Als die
Chabiri jedoch Geser . . . plünderten, zog Labaja diese
Truppen nach Gaza zurück"; kann man Angaben der
j Amarnabrieie noch konfuser wiedergeben? S. 85: „Dem
Stamm Dan ist es nicht gelungen, im Westen Boden zu
fassen, und der Grund wird ausdrücklich angegeben:
Die Hand Josephs lastete auf ihm"; vgl. Jud. 1,34 f.,
die S. 103/4 richtig wiedergeben werden! S. 111: „Die
Ammouiter unter Nohas lagern hart an der Grenze, und
Jabes fordert sie auf, sich ihnen zu unterwerfen, was
Nahas ablehnt und mit der umgekehrten drohenden
Forderung beantwortet, sich mit ihm zu verbünden,
sonst . . ."; vgl. 1. Sam. 11! S. 119: Sauls Vorgehen
gegen Gibeon eine Tat der Selbstwehr gegen die Priesterschaft
(Gibeon Levitenstadt!), dagegen S. 140 richtige
Darstellung. S. 206 unten wird der minderjährige
Jojada von Priestern erzogen; vgl. II. Reg. 11 (Vertauschung
von Jojada und Joas). S. 290: Die Asidäer,
„welche anfangs auf die Seite des griechenfreundlichen
Hohenpriesters Alkimos traten, aber später enttäuscht
die Partei von Judas dem Makkabäer ergriffen": vgl.
I. Makk. 2,42 mit 7,13! Das sind nur wenige Beispiele
aus einer sehr großen Zahl. Sic lehren, daß das Buch
einer ganz gründlichen Durchsicht bedürfte, die sich
auch auf die Zahlangaben erstrecken müßte.

Breslau. C. Steuernagel.