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Ausgabe:

1939 Nr. 12

Spalte:

446-450

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Dibelius, Martin

Titel/Untertitel:

Jesus 1939

Rezensent:

Friedrichsen, Anton

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 12

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vertretene Anschauung basiert auf der Quellenkritik der
älteren Schule, ist aber im Zusammenhang mit den verschiedenen
Untersuchungen der letzten Jahrzehnte weiter
ausgestaltet und in vielen Stücken modifiziert. Das
Geschicntswerk des Alten Testamentes von Genesis bis
Könige stellt sich darnach, auf seine Quellen gesehen,
als ein großes Ganzes dar. Was dem Werke von Anfang
bis zum Ende als Quelle zu Grunde liegt, ist J E. Demnach
werden die alten Quellen J und E über den Pen-
tateuch, bezw. den Hexateuch hinaus bis in das Königsbuch
verfolgt. Beide, J sowohl als E, sind ihrem Wesen
nach nicht bloße Sagenerzähler, sondern Historiker im
eigentlichen Sinne des Wortes und der Schwerpunkt
ihrer Werke liegt durchaus auf der Darstellung der historischen
Zeit. Die norwegischen Forscher gehen hier
also in den Wegen, die vor allem von Budde, und in
anderer Weise von Smend und Eißfeldt, weiterhin in
verschiedener Weise von Benzinger und mir gewiesen
worden sind. Michelet, der sich anfangs gegen diese
Einheitsauffassung gesträubt hat, korrigiert seine anfängliche
Auffassung in den Anmerkungen zum Richterbuche
und fügt sich so in glücklichster Weise ins
Ganze ein. Im einzelnen verfolgt Mowinckel in Anschluß
an meine Untersuchungen J bis 1 Kön. 12, E bis
II Kön. 25. Was E anlangt, so versucht er hinter dem
vorliegenden Elohisten Reste eines älteren elohistischen
Werkes zu finden, speziell in der Geschichte Sauls
und Davids, was mich vorläufig noch nicht überzeugt.
Dali man überhaupt in bezug auf die Verteilung der
Quellen im einzelnen oft anderer Meinung sein kann,
versteht sich von selbst; man muß sich im Gegenteil
wundern, wie groß das Maß der Uebereinstimmung sein
kann, und das gibt ein begründetes Zutrauen zur Richtigkeit
der Methode. Auf das Einzelne hoffe ich an anderer
Stelle des näheren eingehen zu können. Im ganzen ist
diese Quellenanalyse ein wirklich großer Wurf, der weitgehende
Beachtung verdient.

Von besonderem Interesse sind die zusammenfassenden
literarkritischen und historischen Ausführungen Mo-
winckels in den Einleitungen zum Josuabuche und zum
Königsbuche. Ich verweise vor allem auf die Einleitung
zum Josuabuche, wo Mowinckel die historischen Konsequenzen
seiner Quellenuntersuchungen zieht. Er rekonstruiert
hier auf Grund der ältesten, bei J vorliegenden
Sagenüberlieferung, soweit das unser Quellenmaterial
erlaubt, ein Bild von der Einwanderung der hebräischen
Stämme. Was E dieser ältesten Überlieferung gegenüber
bietet, ist nirgends neuer historischer Stoff, sondern
teils legendenhafte, teils bewußte Umdichtung der
Übeilieferung. Wird so E für die alte Zeit als historische
Quelle so gut wie ausgeschaltet, so gilt dies natürlich
erst recht von den jüngeren Redaktionen Rje und Rd
oder der rein legendarischen Darstellung bei Pg.
Heidelberg Gustav Hölscher

Ficht ner, Prof. Johannes: Weisheit Salomos. Tübingen: J.C.B.
Mohr (P. Siebeclc) 1938. (71 S.) gr. 8° = Handb. z. Alten Testament,
Zweite Reihe, 6. RM 2.90; geb. RM 4.70.

Dieser Kommentar eröffnet in Eißfeldts „Handbuch"
die Reihe der „Apokryphen und Pseudepigraphen". In
der Einleitung, die in gedrängtester Form auf alle wichtigen
Fragen Auskunft gibt und auch die Literatur bis
1938 in großer Vollständigkeit verzeichnet, vertritt der
Verf., der sich ausführlicher dazu in einem Aufsatz
in ZNW 36 (1937) geäußert hat, mit guten Gründen
die Einheitlichkeit und durchgängig griechische Abfassung
der Schrift, die allerdings die verschiedenartigsten
Stoffe, palästinisch-hebräische, hellenistisch-jüdische und
griechisch-philosophische, verarbeitet hat und darum in
ihren verschiedenen Teilen etwas heterogen wirkt, während
tatsächlich ihre Einheit in der schriftstellerischen
Absicht des Verfassers liegt und sich in den vielen
Verklammerungen verrät. Als Ganzes stellt sie ein „apo-
kalyptisierendes Weisheitsbuch" dar, das zwischen 100

: und 50 v. Chr. und wahrscheinlich in Alexandrien abgefaßt
wurde, den Frommen in der Gemeinde zum Trost,
den lauen und abgefallenen Juden zur Warnung. Die
| öfter versuchten zeitgeschichtlichen Beziehungen auf Epi-
j kuräer, Pharisäer, Therapeuten usw. werden abgelehnt,
I die Stellung des Autors scharf und treffend bestimmt:
er steht mitten in der Welt des Hellenismus drin und
hat, davon angeregt, einzelne biblische Vorstellungen
I weiter entwickelt, aufs Ganze gesehen aber vom Glau-
I ben der Väter nichts abgebrochen. Die Beziehungen
zum NT. erklären sich weniger aus Benützung der Sap
i als aus gemeinsamer Abhängigkeit von apologetischer
Tradition. — Der textkritische Apparat ist knapp, aber
1 gut fundiert, in Textänderungeu zurückhaltend. Seine
| Benützung würde noch erleichtert, wenn der betref-
I fende griechische Ausdruck durchgängig mitgeteilt
würde, was jetzt nicht der Fall ist. Die Erklärung hält
sich mehr an die Abschnitte als an die einzelnen Verse
und wahrt stets den Blick auf das Ganze.

So weiß der Kommentar die Eigenart und die letzten
| Absichten des Buches gut herauszuarbeiten, stellt sich
aber auch sonst nach allen Seiten als erfreuliche und
treffliche Leistung dar. Der Rezensent hat unter diesen
Umständen nicht viel beizufügen. Auf die Frage des
salomonischen Pseudepigraphs, die nur in den einleitenden
Bemerkungen zu c. 6—9 (S. 25) und darum etwas
unvermittelt berührt ist, hätte auch die Einleitung etwa
in Zusammenhang mit § 6 eingehen dürfen; denn es
bleibt auffallend, daß diese Fiktion nur im II. Teil
und auch da nicht ständig durchgeführt ist. — Die Ver-
! bindung mit eschatologisch-apokalyptischen Gedanken,
die sich in gewissen Berührungen mit Daniel und Henoch
auswirkt (ZNW 36, 124 ff.), ist richtig gesehen. Dieses
an sich fremde Element tritt bei Sirach zuerst im Bereich
der Wcisheitsliteratur auf (s. ZAW 34, 186 ff.), ist
aber dort noch viel weniger eingebaut als es nun in
1 Sap der Fall ist. Bei Daniel selber wäre freilich m. E.
] schärfer zu unterscheiden: in c. 12 sind in der Tat
| „Weise" und „Gottlose" ganz in der Art der Weisheit
unterschieden; dagegen in den Legenden c. 1 ff.
hat der „Weise" doch ein wesentlich anderes Gesicht,
und in c. 7 handelt es sich um rein apokalyptisches
Gut, das nun auch in Sap anklingt. Die literarge-

schichtliche Untersuchung, der grundsätzlich durchaus
Rechnung getragen ist, könnte man sich im einzelnen
i weitergeführt denken. Es gibt in Sap nicht wenige
[ Verse, die förmlich zur Umsetzung in einen richtigen
I hebräischen Maschal locken und somit einfach der Weis-
j heitstradition entnommen sein werden; das dürfte z. B.

für 1,16, 6,24 abgesehen von den verbindenden Kon-
i junktionen gelten. In anderen Fällen dagegen, wie 4,1 a,
finden wir in traditioneller Form einen Gedanken, der
I in Gegensatz zur alten Weisheit steht und eine Korrek-
! tur derselben darstellt, wie es bei Qoh sich oft beobachten
läßt. Auch die alten kleinen Einheiten blicken
j hinter den jetzigen größeren Zusammenhängen noch
öfter durch. Auf solche Weise ließe sich die Arbeitsweise
des Autors und seine Stellung im Ganzen der
Weisheitsliteratur wohl noch etwas schärfer erfassen;
i das Gesamtbild allerdings würde damit kaum verändert.
Basel W. Baumgartner

NEUES TESTAMENT

D i b e I i II S , Prof. D. Dr. Martin : Jesus. Berlin : W. de Gruyter &
Co. 1939. (134 S.) kl. 8° = Samml. Göschen Bd. 1130. RM 1.62.
Es ist sehr zu begrüßen, daß einer der führenden
Evangelienforscher unserer Zeit ein populäres Jcsus-
büchlein der großen Öffentlichkeit schenkt. Von einer
I solchen Darstellung, aus berufenster Feder geflossen,
| darf man wohl eine heilsame Wirkung auf die lebhafte
i und oft von schlechtem Dilettantismus geprägte Jesus-
! debatte erwarten. Aber auch denjenigen, welche die
I wissenschaftlichen Probleme und Fragestellungen schon