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Ausgabe:

1939 Nr. 12

Spalte:

444-445

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Det Gamle Testamente 1939

Rezensent:

Hölscher, Gustav

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44:5

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 12

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S. 35 5 konnte er dabei auch ein nachgelassenes Manuskript
von H. Greßmann benützen — und sucht damit die i
Natur und Herkunft jener Angaben zu klären. Den er- i
sten Abschnitt (I 10, 1—5) glaubt er auf eine semi- j
tische Quelle vielleicht von poetischer Form zurückführen
zu können (S. 39). Ähnlich nimmt er im weiteren i
neben viel griechischen und allerhand ägyptischen Ele- j
menten, um deren Anerkennung man ja nicht herum- j
kommt, altphönizisches Traditionsgut an, das bald in einheimischer
Namensform vorliegt (Mot), bald sich hinter
griechischer Umbildung (Kolpias, Genos, Genea) oder j
griechischer Übersetzung (Halieus, Agros, Agrotes) verbirgt
; auch da rechnet er mit Sanchunjathon als Vorlage S
und setzt ihn, ohne Eißfeldts Argumentation gutzuheis-
sen, doch ähnlich diesem in den Anfang des 1. Jahr- j
tausends (S. 76 f.).

Wie Cl. das mit jenen ägyptischen und griechischen
Elementen und den sonstigen Indizien ziemlich später
Entstehung (z. B. S. 56), auch mit der von ihm angenommenen
aramäischen Sprachform (S. 8, s. u.) vereinigt
, wird nicht deutlich, wie man überhaupt eine Her- |
ausarbeitung und Zusammenfassung der Ergebnisse ver- !
mißt. Die Antwort wäre auch nicht leicht zu geben.
Ist Sanchunjathon so spät anzusetzen, daß bei ihm sei- j
ber schon diese Mischung von Altem und Jungem und
dieser Synkretismus angenommen werden kann, oder hat
erst Philo in einer mehr als freien Bearbeitung diese
heterogenen Elemente hineingebracht? Beide Meinungen
haben ihre Vertreter gehabt und haben sie noch heute.
Nach seinem Ansatz für Sanchunjathon hängt Cl. offenbar
der zweiten an, die man dann freilich gern präzisiert I
und entwickelt sähe. Mit der Anerkennung altphönizi-
schen Materials hat Cl. also unbedingt recht — wer
wollte das heute bestreiten! — und auch in der Abgrenzung
verdient er weitgehend Zustimmung. Aber damit j
ist das Problem Sanchunjathon nicht erledigt. Wenn
z. B. Dussaud Notes 138f. im Agrotes von 10,12 den
Hadad findet, so würde ich das nicht so leicht wie Cl. i
S. 54 als unbewiesen beiseite schieben; denn D. stützt j
sich dabei auf drei sehr konkrete Angaben des Textes, |
die gerade darum, weil sie so ganz aus dem Stammbaumschema
der Kulturheroen herausfallen, ernsthafteste Be- j
achtung verdienen: von seinem |6avov. dem stiergetragenen
vaöc, und daß er in Byblos der oberste Gott war. |
Hier muß m. E. der Religionshistoriker einsetzen und j
von da aus weiterfragen, wie dieser Gott zum Arotes
wurde und zu dieser Stellung im Stammbaum kam. Die i
Antwort werden wir vorläufig schuldig bleiben. Aber
schon diese Frage dürfte ein Gewinn sein, indem sie ins
Problem dieses Stammbaums hineinleuchtet. Freilich I
kommt man damit noch über Sanchuniathon zurück; aber !
das zeigt nur, wie eng hier literar-, traditions- und religionsgeschichtliche
Fragen zusammenhängen. Auch Cl.
streift das Problem, wo er S. 57 eine dahingehende Bemerkung
Baudissins zitiert; aber er geht ihm nicht weiter I
nach, wie auch seine Übersetzung des ix t<Bv xottd aoXw imo-
(ivnixdxoov 9,21 „nach den Aufzeichnungen in den Städ- |
ten" (S. 4) das entscheidende xaxd twUv nicht genügend
erfaßt.

Die umständliche Auseinandersetzung mit der älteren Literatur und
die Widerlegung längst überholter Auffassungen hätte sich ohne Schaden
wesentlich kürzen lassen — wem ist auch mit einem Satz wie
S. 353 gedient? — womit wertvoller Raum für die aktuelle Diskus- !
sion zu gewinnen war; das ganze neuere Material und die Arbeiten
von Dussaud und Eißfeldt sind bei weitem nicht ausgeschöpft! — Im I
einzelnen: Cl. will für otoi/eiov überall die Bedeutung „Element" j
durchführen (S. 3); aber mindestens für 10,14. 36 verdient die
■ndeK mögliche Bedeutung „Buchstaben" m. E. entschieden den Vorzug
: unter „erste Buchstabenschrift", wie Cl. selber S. 24 die erstere
Stelle übersetzt, kann ich mir jedenfalls eher etwas denken als unter
„Schrift für die ersten Elemente", wie wir, im Einklang mit S. 3, |
auf S. 56 lesen. — S. 82 lies Galling statt Greßmann. — Juden, j
die allenfalls in Ugarit gewohnt hätten (S. 9), kann man sich nur
schwer vorstellen, wo die Stadt um 1200 unterging. — Saphans !
Rolle in II. Rg. 22, 8 ff. beweist niemals die Existenz von i$£taaral j
tfq ütaiÖEiac, (gegen S. 9). — Daß ein Abibaal als König von i
Bybloi: für das 10. Jahrh. inschriftlich belegt ist, kann der Leser dem

bloßen Verweis auf Langdon (S. 9 f.) nicht entnehmen. — Unnötige
Mühe verursacht das nicht ganz seltene Fehlen von Literaturbelegen,
z. B. bei Gunkel (S. 58) und mehrfach bei Dussaud (S. 53. 63. 64),
wo Suchen besonders zeitraubend ist. Für Dtissauds frühere Stellungnahme
wäre das Kapitel über das phönizische Pantheon in seinen
„Notes de Mythologie Syrienne" (1903) S. 131 — 155 zu benutzen gewesen
, aus dem der von Cl. benutzte Aufsatz (s. S. 154) nur einen
Auszug darstellt. — Auf S. 8 verheißt Cl. den Nachweis von wenigstens
einer aramäischen Gottesbezeichnung (abgesehen von ZoMpT)CHX|UV
und BecActaurrv) und wiederholt das auf S. 37; aber man sucht vergeblich
darnach, denn Patent Alternativdeutung der Göttin Beruth 10,
14 als rVoa „Zypresse" (S. 61, neben der sehr viel näherliegenden
Beziehung auf die Stadt Beirut) ist doch hoffentlich nicht gemeint. —
S. 55 lies Joh. Jeremias; Fehlen des Vornamens läßt an seinen bekannteren
Bruder Alfred denken. — Manchem Leser dürfte der Hinweis
erwünscht sein, daß die auf S. 75 erwähnte Münze aus Byblos
abgebildet zu finden ist bei Lagrange Etudes 2 72, Contenau, La civi-
lisation Phenicienne (1926) S. 280, vgl. S. 215, und bei St. A.
Cook, The Religion of Ancient Palestine in the Light of Archaeology
(1930) pl. XXXIII, vgl. S. 167; die beiden Erstgenannten bringen
die Darstellung auch schon mit der Philostclle in Zusammenhang.

So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß
die Arbeit etwas allzu rasch entstanden ist und daß überhaupt
der Verf., dessen Veröffentlichungen sich ja auf
den verschiedensten Gebieten der Religionsgeschichte bewegen
, jedenfalls hier, unbeschadet aller Belesenheit, die
ihm nicht bestritten werden soll, doch nicht ganz zuhause
ist. Wenn sich das hier viel stärker bemerkbar macht als
in seiner Schrift über die „Syrische Göttin'' (AO 37,
3/4, 1938), dann gewiß einfach deswegen, weil hier die
Dinge eben sehr viel komplizierter liegen: die religionsgeschichtliche
Arbeit muß hier auf sehr schwankendem
Boden geschehen und ist sehr viel mehr mit philologischen
Schwierigkeiten belastet. Cl.s Schrift mag als Zusammenfassung
der älteren Arbeit von gewissem Nutzen
sein, der moderne religionsgeschichtliche Kommentar zu
Philos phönizischen Kapiteln muß erst noch geschrieben
werden.

Basel W. Baumgartner

ALTES TESTAMENT

Michelet, S. og S. Mowinckel: Det Gamle Testamente,

II: tidligere Profeter (d. e. de historiske böker) oversatt. Oslo: Asche-

houg og Co. (W. Nygaard) 1935. (459 S.) gr. 8°.
Der erste Teil dieses großen norwegischen Werkes
ist bereits früher hier von mir kurz angezeigt worden.
Der zweite Teil des Werkes, der mir nunmehr vorliegt
und der die Bücher Josua, Richter, Samuelis und Könige
umfaßt, ist schon vor vier Jahren herausgekommen.
Das Werk ist angelegt wie das Kautzsch'sche Bibelwerk
in seiner 3. und 4. Auflage als Übersetzung eines
kritischen Textes mit textkritischen und sachlichen Anmerkungen
und mit Einleitungen zu den einzelnen Büchern
und einzelnen Abschnitten. Wenn es einmal ganz
fertig sein wird, wird es wie das parallele deutsche Werk
einen vollständigen wissenschaftlichen Kommentar zum
Alten Testamente darstellen. Das Werk darf wohl als
eine der bedeutendsten Leistungen der letzten Jahre
auf alttestainentlichem Gebiete bezeichnet werden. Für
die Selbständigkeit und Eigenart der Bearbeitung bürgen
schon die Namen der Verfasser. Auf die Fülle bemerkenswerter
Gedanken, die in den Einleitungen und Anmerkungen
geboten wird, kann an dieser Stelle nur im
allgemeinen aufmerksam gemacht werden. Ich möchte
mich hier darauf beschränken, die gewaltige literarkri-
tische Arbeit, die in dem Werke niedergelegt ist, etwas
näher zu charakterisieren, um so mehr, als gerade bei
uns zu Lande diese Seite der Untersuchungen gegenwärtig
etwas in Mißkredit zu kommen scheint.

Die Bücher Josua, Samuelis und Könige sind von
Mowinckel bearbeitet, das Richterbuch von Michelet.
Ein besonderer Vorzug des norwegischen Werkes ist
es, daß die Auffassung der beiden Forscher über die
Schichtung der Quellen sich soweit deckt, daß das ganze
Werk wirklich aus einem Gusse ist. Die von beiden