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Ausgabe:

1939

Spalte:

433-439

Autor/Hrsg.:

Naumann, Hans

Titel/Untertitel:

Wilhelm Grönbechs Deutung der germanischen Welt 1939

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Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Unter Mitwirkung von Professor Dr. Gustav Mensching, Bonn
herausgegeben von Dozent Lic. Hans-Georg Opitz, Berlin

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, und Bibliotheksrat Lic. E. STEINBORN, Berlin

Jährlich 12 Nummern — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

J. C. HINRICHS VERLAG/LEIPZIG

NUMMER 12

Spalte

Wilhelm Grönbechs Deutung der germanischen
Welt. Von H. Naumann (Bonn) 433

Bense: Wesen deutscher Denker (Vorwahl) 470
Berkhof: Die Theologie des Eusebius von

Caesarea (Opitz)..............452

B o h a t e c : Calvins Lehre von Staat u. Kirche

(Wiesner)..................460

Bohatec: Die Religionsphilosophie Kants

(Karowski).................464

Böhm: Anti-Cartesianismus (Zeltner) . . . 469
Bohnenstädt: Kirche u. Reich im Schrifttum
des Nikolaus von Cues (Liermann) . 457

64. JAHRGANG

Spalte

Biilck: Die christliche Botschaft in der

heutigen Welt (Langner)..........474

Clemen: Die phönikische Religion nach

Philo von Byblos (Baumgartner).....442

Dacqu6: Das verlorene Paradies (v. d. Leeuw) 439
Dhalla: Hist.of Zoroastrianism (Christensen) 441

Dibelius: Jesus (Fridrichsen).......446

Fichtner: Weisheit Salomes (Baumgartner) 445
O e p p e r t: Das Wesen d. preußischen Union

(Wendland).................459

Oerstenmaier: Die Kirche und die

Schöpfung (Wiesner)............471

Grönbech: Kultur und Religion der Ger-

DEZEMBER 1939

Spalte

manen (Naumann).............433

Ouggisberg: Jeremias Qotthelf (Köhler) 460
Jaspers: Descartesu. d. Philosophie (Zeltner) 469
Jeremias: Hat die älteste Christenheit die

Kindertaufe geübt? (Hoffmann)......451

L o i s y: Autres Mythes ä propos de Ia Religion
(Lohmeyer).............450

Michelet og Mowinckel: Det Oamle

Testamente (Hölscher)...........444

Riepenhoff: Zur Frage des Ursprungs der
Verbindlichkeit d. Oblateninstituts (Biihler) 456

Zeitschriftenschau...............475

Mitteilungen..................478

Wilhelm Grönbechs Deutung der germanischen Welt

Anläßlich der deutschen Ausgabe seines Werkes 1
von Hans Naumann (Bonn a. Rh.)

Es ist ein Verdienst, die vier Bände von Grönbechs angehn. Wir bemühen uns, das System unter unserer
Vor Folkeaet i Oldtiden, Kopenhagen 1909 bis Zusammendrängung nicht allzusehr leiden zu lassen; die
1912, unter Benutzung der erweiterten englischen Aus- heilige Blässe und der fast mathematische Konstruktionsgabe
von 1931, in zwei stattlichen Bänden deutschen Charakter des Originals wird in unserer Wiedergabe
Lesern durch die Übersetzung zugänglich gemacht zu ; kaum ganz erreicht worden sein.

haben. Die starke Wirkung dieses Werkes ist wohl noch , „Um seinen Platz als Mann ausfüllen zu können, muß der Oer-
längst nicht ill ihrem Zenith angelangt, denn Dänisch mane zuerst Verwandter sein." Denn die urtümlichste, heiligste
könneil wenige. Schon lassen Sich mehrere deutsche ! menschliche Gemeinschaft ist die Sippe. Ein Mann, der allein denkt
Schülerkreise Grönbechs Unterscheiden, die Sicll Z. T. "nd handeU. W ein moderner Begriff; in frühern Zeiten hatte der

feindlich gegenüberstehn. Nunmehr kann sie jedermann .E,^amc ke,"c Möglichkeit, die alte Oesellschaft erlaubte der Persön-

nm Moisfpr nnifpn F« u/ii-H <trh rlihni ak Wirhtir/stes ' Sldl lrSendweIche Bedeutung zu besitzen. „Die

am Meister prüfen, ts wird s ich dabei als wichtigstes Moral> das Gefüh, fü Recht und Q t das den Mann in einer

leicht herausstellen, daß die Mißachtung der Eddamythen Staatsgemeinschaft, einem Kriegerbund, einer religiösen Gemeinschaft

und des asischen Gotterhimmels, die Ableugnung des 1 als Mitglied auf seinem Platz hält, ist durch sein Oefühl als Vergermanischen
VielgottglaubeilS und des altnordischen Bil- wandter bedingt." So sind mit dem Begriff der Sippe eine Reihe
derdienstes, die Einschätzung der Sagazeit als einer De- ; weiterer Erfahrungen des germanischen Menschen wie Friede, Ehre,
kadenz2 und Odins als einer teuflischen Verfallserschei- Kraft- Macht, Rache, Seele, Name, Heil gerade/11 eines. Die Seele

nurig keineswegs notwendig im Sinne des Meisters ist eines Mensche., ist die Seele seiner Sippe.

„.„I HnH cpIKc? rlip ntoarrlsneklllation hier bei weitem Sippe ,st F r 1 e d e- ..Sobald ein Mann Verwandtschaft wittert,

und daß selbst die UtgaraspeKuiation mer uei weitem ^ Mme n „ Furcht

nicht das mythische Ausmaß erreicht, das sie in Deutsch- , der Sippe zu rütteln So ist Friede 1<eine Tugend) ;ondcrn sdhstver_

land gefunden hat. Man kann nicht immer den Baum an , ständlichste alltägliche Notwendigkeit, identisch mit dem Verwandt-

scineil Früchten erkennen! — Vergegenwärtigen wir Uns i schaftsgefühl, nicht etwa nur seine Quelle. Zeigen Dichtung und

zunächst in kurzen Grundzügen die Hauptlinien des Sy- ' Mythos Ausnahmen und Durchbrechung, so zeigen sie Irrsinn und

Stents, in das Grönbech vor nunmehr zwanzig Jahren das Grauen. Oermanien war nicht friedlich, aber der Friede war doch das

altgermanische Leben, Denken, Handeln, Glauben ge- innerste Merkmal seiner Kultur. Aktiv ist der Friede die gegensei-

bracht hat. Wir tun dies möglichst mit Grönbechs liS£ Hilfe der Sippengenossen; so bekommt der Friede unnachgiebi-

eigenen Worten, auch wenn wir sie nicht immer in An- (ten kriegerischen Charakter. Neutralität angesichts der Taten Ver-

fnlirunrrszeichen setzen Wir iihercrplipii rlahei für diese wandter ist unmöglich. So wird Friede mit Rache identisch und

tulirungszeicnen setzen. Wir Übergehen dabei TUT diese trejbt die Verwandten zum Äußersten an. Sie bilden zusammen eine

Zeitschrift nur einige Exkurse, z. B. den über das ger- SecIe. Da die SiPPe eine psychologische und leibliche Einheit

manische Drama usw., die mehr den Literarhistoriker j igt, eine „gegenseitige Identität", so ist der Friede ein Einsgefühl,

'- das Verwandtschaftsgefühl an sich, der gegenseitige Wille, die Treue.

1) Grönbech, W.: Kultur und Religion der Germanen. | Den allerinnersten Platz im Frieden hat die Frau. Auch das Oatten-
2 Bde. Übertragen von Ellen Hoffmeyer, hrsg. von Otto Höfler. Ham- i Verhältnis ist eine Art Friede.

bürg: Hanseatische Verlagsanstalt 1937, 1039. (Bd. 1: 343 S., Bd. 2: | Wo ein Gesippe ungerächt liegt, herrscht kein Friede, sondern

337 S.) gr. 8°. Je Bd. RM 11 -; geb. RM 12—. Interregnum, Darnieder! iegung des Lebens, Ehrlosigkeit. Die Ra-

2) Einen bezeichnenden Satz Grönbechs über Walhall erwähnen ! che wird von der Ehre umfaßt. Es gab für alles nur eine Rache, die
wir oben sogleich. Zur Kritik der Saga siehe einiges Band II, S. 174. in Blut. Ehre und Friede sind die Summe des Lebens; Friedlosigkeit
Die — gleichfalls alsbald oben zu erwähnende- .Umstellung der Welt' j ist Ehrlosigkeit. Unentbehrlichkeit der Ehre und Unumgänglichkeit
bei Wergeid und Kauf ins Merkantile nennt Grönbech selbst nicht j der Rache sind eins. Aber Rache entfaltet auch die großen mensch-
etwa Verfall. Grönbech ist zum Beispiel durchaus bereit, die Wikiii- j liehen Möglichkeiten, nicht nur den Blutdurst, schafft das Gefühl für
gerkultur als ,.späte Blüte" (II. 212) zu bezeichnen usw. usw. I Ordnung in der Welt.

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H R Tiin