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Ausgabe:

1939 Nr. 11

Spalte:

426-429

Autor/Hrsg.:

Frick, Heinrich

Titel/Untertitel:

Islam-Literatur 1939

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 11

42G

Wissenschaft her zu werden. Wird aber nicht etwa die
Philosophie in viel höherem Maße den Anspruch erheben
, gegenüber dem Religiösen die Wahrheitsfrage
beantworten zu können, ohne dabei die Lust zu verspüren
, zur philosophischen Theologie zu werden? Dem
gegenüber soll die Theologie ihre eigene Unentbehr-
lichkeit darin sehen, die Gottesfrage bis zur Begegnung
des lebendigen Gottes zu verfolgen und an der
Gestalt Jesu diese lebendige Gottesbezogenheit herauszuarbeiten
. Da stehen wir aber vor der Glaubensentscheidung
, ob bei dieser Lebendigmachung der Gottesfrage
an der Gestalt Jesu die übrigen Wissenschaften
noch mitgehen werden. —

Eine so als reine Forschung sich bewußtwerdende
Theologie wächst von selbst über den eigenen konfessionellen
Grund hinaus, wenn auch diese Konsequenz
in der Schrift vorerst als wissenschaftliche Haltung
hervortritt und noch nicht praktische Folgerungen gezogen
werden.

Diese kleine geistreiche Schrift sollte gerade in einer
Zeit beachtet werden, da man den wissenschaftlichen Charakter
der Theologie im Gesamtrahmen der Universitäten
nicht mehr wahrhaben möchte, — man sollte sie
reiferen Studenten geben, um ihnen das Selbstbewußtsein
in ihrem Theologiestudium zu stärken, man sollte
sie aber auch den übrigen bei ihrem Übergang ins praktische
Amt mitgeben, die leider gedankenlos die Phrase
nachsprechen, Theologie könne uns nicht retten, weil
ihnen an der eigenen mangelnden theologischen Bildung
noch nicht aufgegangen war, was im eigentlichen Theologie
ist.

Jena E. Langner

GEGENWART

Winter, Eduard: Tausend Jahre Geisteskampf im Sudetenraum
. Das religiöse Ringen zweier Völker. 2. Aufl. 3. u. 4. Tausend
. Salzburg: O.Müller 1938. (442 S.) 8°. RM 8.40.

Ganz zur rechten Zeit erschien diese knappe und
doch umfassende Studie über die Geschichte des religiösen
Ringens im Sudetenraum (worunter der böhmische
Kessel und dessen Vorraum Mähren verstanden
wird). Sie erwuchs aus Vorlesungen an der deutschen
Universität Prag und reicht von der Christianisierung
bis in die neueste Zeit. Der Verf. ist katholischer Theologie
; aber wenn auch die Terminologie („Abfallsbewegung
") und die Grundanschauung das in Manchem
erkennen lassen, so ist die Darstellung doch von außerordentlicher
Objektivität und tiefgehendem Gerechtigkeitsgefühl
beseelt; nirgends tritt Einseitigkeit oder gar
Gehässigkeit hervor. Protestantische Literatur ist so
gut benutzt wie andere. Daß es nicht Aufgabe einer
solchen Studie sein kann, etwa die Person Luthers bis
in die Tiefe zu würdigen, ist selbstverständlich; aber
Reformation und Gegenreformation finden verhältnismäßig
genaue Schilderung. Die im besonderen Sinn böhmischen
Menschen und Erscheinungen stehen natürlich
im Vordergrund: Hus, der Hussitismus, die Böhmischen
Brüder, usw. Da der Sudetenraum insbesondere durch
die Verzahnung zwischen Deutschen und Slawen gekennzeichnet
ist, so führt auch das religiöse Ringen
in diesem Raum hundertmal auf das Problem der Verbindung
von Religion und Volkstum. Winter hat diesen
Fragen, ohne sie systematisch anzufassen, ständig
große Aufmerksamkeit gewidmet. Wie sich die Dinge
unter diesem Gesichtspunkt bis in die jüngste Zeit auswirken
, das ist zwar nur in großen Linien, aber doch
sehr fesselnd geschildert. Hier begegnen sich W.s Ausführungen
vielfach mit denen von Bd. 20 der Sammlung
„Ekklesia" (1937), der die Kirchen der Tschechoslowakei
darstellt. Winter selbst sagt, es habe sich vorerst
nur darum gehandelt, einmal Ordnung in den gewaltigen
Stoff zu bringen; zahlreiche weitere Einzelforschungen
seien notwendig. Das ist gewiß richtig; aber

j die mit diesem Satz gegebene Bewertung der eigenen
Arbeit ist reichlich bescheiden; überall begegnet der
Leser nicht bloß der ordnenden Hand, sondern auch der
1 sachkundigen Sichtung und dem vorsichtig wägenden
i Urteil. Die Zurückhaltung im Urteil führt freilich zu
I einer Behandlung, die die letzten Gründe vielfach nur
andeutet, nicht ausspricht, die vorhandenen wirksamen
Gegensätze nicht in ihrer ganzen Wucht herausstellt.
Was die Schilderung an sorgfältigem Abwägen gewinnt,
das büßt sie notgedrungen an der Kraft dramatischer
I Spannung ein. Und gerade das geistige Ringen im d i e-
I setn Raum bietet Stoff für dramatische Gestaltung wie
kaum ein anderer Gegenstand. Aber es wird vielen Lesern
lieb sein, daß das Buch so ruhig und sachlich gehalten
ist. Merkwürdig ist, daß zur Gliederung der
I Hauptabschnitte auch Begriffe aus anderen Gebieten, wie
I Barock und Biedermeier, verwendet worden sind; aber
auch dem, der das in diesem Zusammenhang nicht ganz
glücklich findet, entsteht daraus nicht der Anlaß zur ernsten
Entgegnung; jene Begriffe beeinflussen den Inhalt
nicht. — Ein vorzügliches Personen-, Orts- und Sachregister
ist beigegeben, ebenso gute Quellen- und Literaturverweise
.

Breslau-Sibyllenort M. Schi an

SAMMELBERICHT

Islam-Literatur1

Von Heinrich: F r i ck (Marburg)

Ich nehme diejenigen zwei Bücher vorweg, die keineii
fachwissenschaftlichen Charakter haben. Das französische
Werk gehört genau genommen überhaupt nicht unter
die wissenschaftliche Literatur, so interessant es sein
würde, das Buch selbst zum Objekt einer wissenschaftlichen
Analyse zu machen. „Eine Reihe von Bildern,
und nicht eine vollständige Geschichte, das ist es, was
wir dem Leser bieten". So drücken die Verfasser selbst
ihre Absicht aus (S. 3). Der Koran als „das einzige unbestrittene
Buch" (S. 4) und die orthodoxen Traditionen
sollen zu Wort kommen, sonst nichts. Es hätte nicht
der Attacke gegen „die modernen Orientalisten" (S. 3)
bedurft, um zu erkennen, daß wir uns hier abseits des
Feldes der Wissenschaft befinden. Wir haben eine Bekenntnisschrift
vor uns. Ihr Ton ist warm und echt.
Glücklich war auch der Gedanke, die Atmosphäre des
Islam durch Abbildungen aus dem religiösen Leben der
Muslim lebendig zu machen. Die zu diesem Zweck beigefügten
ansprechenden Bilder stammen von E. Dinet,
dem französischen Moslem, der zusammen mit Ben
Ibrahim verantwortlich zeichnet.

Das Buch von P. Schmitz bietet einen ausgezeichneten
Querschnitt durch die gegenwärtige Lage der islamischen
Welt. Dem wertvollen Inhalt entspricht die
reiche Beigabe an guten Photos und zahlreichen instruktiven
Karten. Ferner sind ein Literaturverzeichnis und
ein ausführlicher Index beigegeben. Der Verfasser behandelt
seinen Stoff in folgenden Kapiteln. 1) „Erschlossener
Raum". Hier zeigt er, wie durch Eisenbahn,
Automobil und Flugzeug der gesamte Islam in immer
rascherem Tempo aus der Beharrung aufgerüttelt und
in den Zusammenhang mit dem allgemeinen Weltgeschehen
gebracht wird. 2) „Gewandelter Geist." Unter dem
Ansturm des Westens entstehen nationale Bewegungen,
die sich in jedem Land des Islam früher oder später be-

1) Birge, John Kir.gsley, Ph. D.: The Bektashi Order of
Dervishes. London: Luzac b Co.; Hartford (Conn./USA): Hartford
Scminary Press 1937. (291 S., 32 Abb.) gr. 8° = Luzac's Oriental Re-
ligions Series, Vol. VII. 17s. 6 d. — Dinet, E. u. El Hadj Sliman
Ben Ibrahim: La Vie de Mohammed Prophete d'Allah. Paris:
O.-P. Maisonneuve 1937. (305 S., 16Taf., 1 Kte.) gr. 8°. Fr. 45— -
Schmitz, Paul: All-Islam! Weltmacht von morgen? Leipzig: W.
Goldmann Verlag [1937]. (260 S., zahlreiche Abb. u. Ktn.) gr. 8°. RM 7.50.