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Ausgabe:

1939 Nr. 11

Spalte:

424-425

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Fendt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der wissenschaftlichen Theologie für das praktische Leben 1939

Rezensent:

Langner, E.

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 11

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senschaftlich nicht immer zu rechtfertigendes Übergehen Wichtig ist aber auch noch die ruhige abschließende

von Problemen der Forschung, die statt gefördert, eher | Betrachtung des Unterschiedes von Christusgemeinschaft

zugedeckt werden, z.B. im Urteil wie: „ihm (Calvin) j bei Calvin und dem, was in der Mystik erstrebt wird,

ist die Kirche als soziologisches Gebilde fremd" (S. I Nicht der Gedanke der Identität, sondern von actio und

100, cf. S. 92 unt.) — wo doch keiner die Schwäche ! reactio ist für Calvins Christusgemeinschaft konstitutiv

der luther. Kirchenbildung gerade an diesem Punkt : (S. 71/72). Hier wird Allgemeingültiges — in Aufnahme

deutlicher erkannt hat als Calvin und auf seine Weise ! gewisser Brunnerscher Forschungsmotive — für wahres

Abhilfe schuf! Das eine Wort Kirchenzucht (ct. S. 99) J Christenleben überhaupt erarbeitet. Nur zu eigenem

genügt hier. Oder der Eindruck, als sei die „Ethik" i Schaden kann die christliche Frömmigkeit und For-

Calvins mit dem Hinweis auf „die Ekklesiologie" hinrei- j schung Abbindungen an dieser Herzschlagader vorneh-

chend in ihren Motiven geklärt (S. 105 ob.) — statt men; es gilt nicht auf Parolen, sondern auf Sachverhalte

daß hier ehrlich die Hereinnähme der theölogia naturalis ( zu achten. Dies an einem kirchlich wesentlichen Beispiel

zugegeben würde, die ja nachgewiesenermaßen bei Cal- aufgezeigt zu haben, bleibt ein Verdienst dieser Studie,

vin nicht mit einer solchen des Rationalismus zu ver- ' steffenshagen O. oioede
wechseln ist (deren absichtsvolles Umgehen s. S. 52,
S. 29/30 dagegen S. 57 und 69). Die lutherische Abend-
mablsauffassung wird in einem einzigen Satz abgefertigt
(S. 122 ob.). An solchen Punkten gewinnt man
denselben Eindruck, den Verf. eingangs als bei Wernle

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Fendt, Leonhard: Die Bedeutung der wissenschaftlichen Theo'

empTangen^mitteilt:' ."anregend dwcn^dasTwas" er sagt", | für od0as Praktische Leben. Tübingen: j. c. B. Mohr 1939

wip rhirr-h Ha,e was pr nicht qaat vielleicht durch letz- (36 S.) gr. 8 = Samml. gemeinverst. Vorträge u. Schrift, a. d. Gebiet
wie üiircn aas, was er nicnt sagt, vieneicnx aurcn leiz | ri. Thf.ni n Rpiiainn^rh ifu bmkh

teres besonders belangreich" (S. 21). Immerhin ist ein

d. Theol. u. Religionsgesch. 184. RM 1.50.

Wissenschaftliche Theologie' soll den eigentlichen
Forschungscharakter der Theologie sicherstellen gegenüber
der allgemeinen religiösen Begriffsverwirrung, der
zufolge religiöses und christliches Denken als Rheologie
' gern abgelehnt wird, ohne sich darüber auch nur
teratur nachgewiesen wer und wieweit man bisher■ aut kl|r g|worden zu sein, was eigentlich Theologie sei.
den Lebensnerv alles Theologisierens bei Calvin achtge- , d * sich „lso Theolop-ie des eigenen Wissenschaft-

solcher Reichtum an aus Calvin erhobener christlicher
Erkenntnis geboten, daß der Dank gegen das Buch durch
diese Einseitigkeit nicht gemindert wird.

Einleitend wird aus einer Auswahl vorliegender Li

geben hat. Verf. formuliert das Erlebnis seiner Forschung
wie folgt: „Die lebendige Gemeinschaft mit
Christus ist die Ursache, daß auch nicht die geringste
Spur von formelhaftem Denken in dem Glaubensbegriff
des Reformators aufzufinden ist. Hier ist alles Aktualität
, Dynamik. Der große Systematiker lebt in der unio
cum Christo, darum ist sein Glauben und sein Glaubensbegriff
nicht dem Schicksal verfallen, in das Prokrustesbett
eines vorher fertigen Systems hineingezwängt zu
werden" (S. 52). Im Einzelnen schildert Verf. nun:
das Zustandekommen dieser Gemeinschaft — schon im
Ansatz unterschieden von den Wegen der Mystik —,
die Auswirkung in einem „besonderen" Glauben, den
Calvin von einer „allgemein(er)en" Form unterschieden
wissen will (S. 50), auch ein Wachstum „degre par
degre" (S. 81), ein sich Entfalten nach dem Grundsatz
„Du kannst Christus nicht besitzen, ohne seiner Heiligkeit
teilhaftig zu sein, denn er kann nicht in Stücke

Indem sich also Theologie des eigenen wissenschaftlichen
Forschungsauftrages bewußt wird, wird erreicht,
daß unabhängig von der persönlichen Glaubenshaltung
und über religiöse Gegensätze hinweg ein religiöses
Gespräch auf dem Boden der Wissenschaft wieder möglich
wird: ,von der Vernunft her, von den wissenschaftlichen
Methoden her, von den Voraussetzungen der
Wissenschaft her zu erforschen, wie die Dinge der Religiosität
sich ausnehmen, wenn sie ins Licht der Vernunft
, der wissenschaftlichen Methoden, der Wissenschaftsvoraussetzungen
gestellt werden.' Es fragt sich
nur, ob sich in Zeiten größter religiöser Spannungen
diese vornehme wissenschaftliche Haltung, sich vorurteilsfrei
vor der Vernunft religiös auszuweisen, wird erreichen
lassen, ganz abgesehen von der inneren Unmöglichkeit
, das religiöse Objekt vor der Vernunft konform
in den eigenen Dimensionen des Glaubens darstellen
zu können. Die Religion dürfe sich aber dem ebensowenig
entziehen, als sie darauf verzichten könne, sich

gerissen werden" (S. 65). Hier wird - wie bei Göh- sdbst in den Kreis der anderen< unter j d einem
Ter - das Ineinander von Rechtfertigung und Heiligung ; Gesichtspunkt (der den anderen zugänglich sei!) aus-
bei Calvin eindrücklich aufgezeigt. Mit eine Frucht
der heutigen kirchlichen Lage dürfte die Fragestellung
der beiden anschließenden Kapitel sein: „Die Kirche im
Licht der Christusgemeinschaft" und die Christusgemeinschaft
und die beiden Sakramente.

Wer mit Christus verbunden ist, ist damit eo ipso
mit seinem „Leib" der Kirche in unlösbaren Konnex gekommen
. „Der Insertio in Christum eignet gemeinschaftsbildende
Kraft in eminentem Maß. Von dem

zuweisen: ,Es hat nun einmal Gott dem Menschen,
auch dem Christen, auch dem evangelischen Christen,
die Vernunft mitgegeben als Licht und Waffe auf dem
Lebenswege — und wer sie nicht gebraucht, der unterläßt
etwas Gottgewolltes!' Wenigstens wird so vorerst
erreicht, daß jeder anderen Wissenschaft, und das gilt
sowohl der naturwissenschaftlichen, der biologischen,
als auch der medizinischen, und selbstverständlich auch
der philosophischen — bei ihrer Beteiligung an der

Haupt aus baut sich der Leib" (S. 91) dürfte den j Erforschung der Gottesfrage die Grenze zum BeHauptpunkt
des einen Kapitels bezeichnen. Nur von wußtsein gebracht werde, wo ihnen ihre eigene Weise
dem gleichen Gedanken her wird auch Calvins eigen- j für die Gottessache nicht mehr ausreichte und sie alle
tümliche Stellung zur Frage der Kindertaufe erklärlich, j auf das Vorhandensein einer eigenen Wissenschaft (näm-
daß nämlich „die Kinder der Frommen als Kinder der j lieh der Theologie!) gewiesen würden, welche gerade der
Kirche geboren werden und von Mutterleib an als Gottesfrage gewidmet sei und die Resultate der übri-
Glieder des Christus angesehen werden" (Calvin-Zitat, | gen Wissenschaften im Hinblick auf die Gottestrage
S. 112). Calvins Abendmahlslehre lebt ja förmlich von j aufnehme und neu durchforsche. In diesem gesamtwis-
der vorgegebenen Christusgemeinschaft. „Das Abend- ! senschaftlichen Rahmen erhalten die einzelnen Diszi-
mahl verschafft uns nicht erst die Gemeinschaft mit i plinen eine sehr aussichtsreiche Charakterisierung, wie
Christus, diese ist uns gegeben mit der Insertio in Chri- i überhaupt diese Schrift zur Begriftsklärung künftig viel
stum, abei es ist ein Unterpfand dieser Gemeinschaft, es , beitragen wird. Die positiven Leistungen einer solchen
bestärkt uns im Glauben an die uns durch den Glauben kritischen Mitarbeit der Theologie an der allgemeinen
gewährte Vereinigung mit ihm, es ist ein Zeugnis für ! Glaubenserforschung treten klar hervor, sowohl hin-
jene heilige Gemeinschaft, die wir mit dem Sohne Gottes ; sichtlich der Darstellung einer echten und gesunden Re-
haben" (S. 117). Der Nachweis der Wichtigkeit des j ligiosität (gegenüber der Gefahr des Absinkens ins Pa-
Unio cum Christo-Gedankens ist also bei der Theologie > thologische), aber auch inmitten des besonderen kirch-
Calvins in extenso erbracht. j liehen Auftrages: das Gewissen der Kirchen von der