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Ausgabe:

1939

Spalte:

419-420

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Buckler, F. W.

Titel/Untertitel:

The epiphany of the cross or the kingdom of God on earth and the faith of the church 1939

Rezensent:

Dibelius, Martin

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41 ü

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 11

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der in den Veränderungen des Wortlautes das feine I
Sprachgefühl John Wesleys aufgewiesen hat, die Verwandtschaft
und Veränderung der Texte vom Inhaltlichen
her nicht gründlicher untersucht hat. Hier erst
kann ja das nach seinem Inhalt ausgeführt werden, ,
was der Titel der Schrift sagt. Die Aussagen S. 97 f. i
sind dazu nur ein verheißungsvoller Anfang. Eine ge- !
wisse Scheu vor theologischen Abgrenzungen macht sich
auch darin bemerkbar, daß die fehlende Beziehung zum
refonnatorischen Lied damit erklärt wird, Wesley habe j
ja die „objektive Lehre" der Kirche immer anerkannt,
sein besonderes Anliegen sei allein dessen Verwirklichung
gewesen (p. 66). Eine solche Unterscheidung
dürfte aber das Wort Lehre jedenfalls nicht evangelisch
verstanden haben.

Um eine wirkliche Begegnung zwischen deutschem
Kirchenlied und dem Methodismus handelt es sich also
insofern, als der Gesang in der Art des Deutschen
Kirchenliedes durch John Wesley im gottesdienstlichen
Leben der englischen Kirchen seinen Platz erhalten hat.
Eingeschränkt werden müßte aber der Titel nach seinem
Inhalt. Wesley und das Deutsche Kirchenlied will nicht
mehr sagen als Wesley und das pietistische Erbauungslied
. Aber dies in seinem weitesten Sinne. Hier liegt
eine Begegnung, die gerade im Lied nicht aufgehört
hat, das gesamte englische Frömmigkeitsleben zu beeinflussen
.

Vehlen ' Wilhelm Vauth

GESCHICHTE DER THEOLOGIE

Buekler, Prof. F. W.: The Epiphany of the Cross or the Kingdom
of Ood on earth and the Faith of the Church. Four Lectures
delivered in Trinity Cathedral, Cleveland, Ohio, during Epiphany, 1935.
Cambridge: W. Heffer & Sons 1938. (XII, 111 S.) 8". 3 s. 6 d.

Der Verfasser, der Kirchenhistoriker des Oberlin
College in Oberlin, Ohio, macht den Versuch, dem Begriff
„Reich Gottes" seine Fülle wieder zu geben, indem
er ihn in Verbindung bringt mit der orientalischen Konzeption
vom Gottkönigtum. Das Ergebnis wird dann
in höchst origineller (aber sachlich kaum zu rechtfertigender
) Weise auf die Kirchen- und Dogmengeschichte
angewandt, indem das Gegeneinander und Miteinander
geschichtlicher Kräfte aus der verschiedenen Haltung
zu jener Konzeption erklärt wird. Das Blickfeld des
Betrachters beginnt bei Jakobus dem Herrnbruder und
reicht bis Friedrich Nietzsche: es ist ein großer Kampf
zwischen dem Reich Gottes auf Erden und der Perversion
desselben durch den „Fürsten dieser Welt".
Diese Schau gibt dann den Maßstab für eine theologische
Betrachtung; da des Christen Ehrenkleid das
Kreuz seines Herrn ist, so wird das — freilich nicht
passive, sondern höchst aktive — Nachtragen des Kreuzes
zur eigentlichen Funktion des „Königsfreundes" (so
kann man den Christen im Sinn des Verf. heißen).

Wenn eben vom Ehrenkleid die Rede war, so ist das
keine Metapher, sondern recht eigentlich zu nehmen.
Denn die Annahme des Ehrenkleides aus der Hand1 des
Königs bedeutet die Anerkennung seiner Herrschaft,
aber auch die Aufnahme in die Zahl seiner Freunde,
die seine Stellvertreter sind, wenn er abwesend ist,
in seiner Gegenwart aber seine ihm ergebenen Diener.
Zu den Kennzeichen des orientalischen Herrschaftssystems
, wie sie in einem besonderen Anhang des Buches
aufgeführt werden, gehören außer dem Ehrenkleid noch
das Treugelübde, die Teilnahme am Mahl und die Aufnahme
in die Zahl der Königsfreunde, die die Glieder
am königlichen Leib darstellen. Der Ursprungsort der
ganzen Vorstellung soll Persien sein. Von dort hat
sie sich nach allen vier Himmelsrichtungen verbreitet.
Nachgewiesen wird das am Mantel des Elias, an den me-
dischen Gewändern, die der jüngere Cyrus verleiht, an
Karl dem Großen und seinen Beziehungen zum Orient,
an dem ständigen Verkanntwerden der indischen Für- |

sten durch die East India Company im 19. Jahrhundert
— und am Evangelium Jesu! Aber an den zahlreichen
Beispielen aus den Worten Jesu, die eine Beziehung
zum orientalischen Königtum erweisen sollen,
wird deutlich, daß richtige und falsche Assoziationen
hier oft durcheinander gehen. Das Kleid, das der Verlorene
Sohn erhält, ist kein Ehrenkleid in dem schon
genannten Sinn, denn der Vater im Gleichnis, der Mann
der e i n gemästetes Kalb in seinem Stall stehen hat,
ist kein orientalischer Gottkönig. Und an diesen wie an
zahlreichen anderen Behauptungen ist auch ein großer
Mangel dieser Betrachtung zu ersehen: es handelt sich
nur um eine Skizze, von den Texten erhält man nur
einen andeutenden Begriff, geistvolle Behauptung steht
an der Stelle sicheren Beweises. Es sei aber erwähnt,
daß der Verf. ein größeres Werk über das gleiche Thema
vollendet hat und demnächst veröffentlichen wird.

Langweilig ist die Lektüre gewiß nicht. Wenn Ne-
storius (den Cyrill nur falsch verstanden hat) als der
geschildert wird, der der griechischen Kirche die eigentlich
orientalische Konzeption des Gottesreichs wieder-
geschenkt hat, wenn mit seiner Verurteilung dieser Versuch
von innen her mißglückt sein soll, so daß ein paralleler
Versuch von außen her notwendig wurde, wenn
endlich als der Vollender dieses Werkes von außen her
Muhammed erscheint, so sind das nicht gerade gewohnte
Gedanken. Auch Muhammed als Vorläufer Martin
Luthers (beide lassen den Menschen Gottes Stellvertreter
auf Erden sein) erweckt das erstaunte Interesse
des Lesers, die auf den Satz „cuius regio eius religio"
eingeengte Deutung Luthers freilich mehr sein Mißfallen.
Ich wollte und konnte in diesen Zeilen nichts anderes
tun als die bunte Fülle der Beziehungen aufzeigen, die
wirklich anregenden wie die im kritischen Sinn aufregenden
.

Heidelberg Martin D i b e 1 i u s

Schneider, Rudolf: Das wandelbare Sein. Die Hauptthemen
der Ontologie Augustins. Frankfurt a. M.: Klostennann [1938]. (144 S.)
gr. 8° = Philos. Abhlgn. Band VIII. RM 7.50.

Das Buch unternimmt eine systematische Entwicklung
der ontologischen Grundbegriffe Augustins im
Felde seiner Anthropologie, in der ja, da das menschliche
Sein alle Seinsstufen (Körperlichkeit, VegetativL-
tät, Animalität, Geistigkeit) in sich enthält, alle wesentlichen
ontologischen Strukturen paradigmatisch begegnen
müssen. Leitfaden ist der Begriff des Uebels (malum).
Dieses ist keine „rfebelhafte kosmische Macht" im Sinn
der Manichäer, sondern ein Akzidens an einer Substanz
— und zwar Privation ihrer möglichen Vollkommenheit
(13). In der Substanz Mensch spiegelt sich der trini-
tarische Gott im Ternar esse, nosse, amare, d. h. Seinslage
, Sicht und Handeln; dahinter steht der fundamentale
Ternar unum, verum, bonum (14). Alles Seiende
geht auf Wahrung, Rettung seines Seins (suum esse
conservare) aus (16), auf Vollkommenheit, d. h. Verwirklichung
der idealen Möglichkeiten und Verbleiben
in der ewigen Wirklichkeit des Seins durch Grundnehmen
an dem einzig zureichenden Grund: an Gott, dem
summum bonum (24 f.). Dem Menschen ist als einzigem
Geschöpf die Seinslage (Einheit) im Affekt, die Wahrheit
im Erkennen, die Gutheit in der Liebe erschlossen
(26). Diese subjektive Seite der Transzendentien
faßt sich zusammen in der Freiheit, zu der im geistigen
Wesen die Spontaneität des Lebewesens überhöht ist (27).
Der Affekt erschließt die jeweilige Lage als für das
Sein bedrohlich oder heilsam (Schmerz z. B. = Innewerden
gefährdeter Leibesganzheit); die Sicht erfaßt den
Abstand zwischen Faktum und Ideal; das Streben will
diesen beseitigen, wobei die Sicht es über die geeigneten
Mittel zur Seinsrettung berät (consilium) und die
Wahl (electio) und den Gebrauch (usus) der Mittel
ermöglicht (28). In der Seligkeit (beatitudo) ist dem
Menschen die Rettung seines Seins in seiner Fülle und
Vollkommenheit auch subjektiv erschlossen (20). Auf