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Ausgabe:

1939

Spalte:

409-411

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hoskyns, Edwyn Clement

Titel/Untertitel:

Das Raetsel des Neuen Testaments 1939

Rezensent:

Lohmeyer, Ernst

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40:»

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. II

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„Blut" als Bild für „rot" auf, ohne sich weiter darüber
zu äußern, wie sich die rote Farbe des Bartes erkläre.
'Dussaud aber, der ja auch sonst gern zu Erklärungen
aus kultischen Handlungen seine Zuflucht nimmt, läßt
vielmehr 'Anat, die sich vorher selbst im Blute ihrer
Gegner gebadet und sich so neue Lebenskraft zugeführt
hat, nun auch Eis Bart zu demselben Zweck mit diesem
Blut bestreichen. Wiederum scheint mir hier Virol-
leauds Auffassung, daß nämlich „Blut" bildlich gemeint
sei, den Vorzug zu verdienen. Aber es bleibt dann noch
zu erklären, warum rot und nicht etwa, woran man doch
zunächst denken möchte, schwarz als Farbe eines jugendlichen
Bartes genannt ist. Ich dachte, als ich die
Stelle zuerst las, hier sei rötlich-blonde Bartfarbe als
das gewöhnliche vorausgesetzt, und fragte mich, ob man
etwa daraus für die Heimat solch einer Gottesvorstellung
etwas folgern könnte. In einem gelegentlichen Gespräch
über den Gegenstand erinnerte aber Geheimrat B r o k-
kelinann an die Sitte der Orientalen, den Bart mit
Henna rot zu färben, und als ich dann im März und
April 1939 Irak und Iran bereiste und überall dort Männer
mit gut gepflegtem, hennagefärbtem Bart sah, wurde
mir Brockelmanns Auffassung ganz verständlich und
beachtlich.

Der Fälle, wo verschiedene Erklärungen von Wendungen
und Sätzen möglich sind, gibt es noch mehr,
und noch viel mehr solcher, wo einzelne Worte ganz
dunkel oder doch unklar sind. Aber das Gesagte genügt
zu zeigen, welche Bereicherung an Material u n d an
Arbeit Virolleauds neuer Text der Wissenschaft von Ras
Schamra gebracht hat.

Halle/S. Otto Eißfeldt

NEUES TESTAMENT

H o s k y n s, Sir Edwyn C. u. Noel D a v e y: Das Rätsel des Neuen
Testaments. Mit einem Vorwort von Gerhard Kittel und Julius
Schniewind. Stuttgart: Kohlhammer 1938. (VII, 188 S.) gr. 8°. RM 6—.

„Das Rätsel des Neuen Testamentes" ist das theologische
und historische Problem: „Welche Beziehung
bestand zwischen Jesus und Nazareth und der Urchri-
stenheit" (S. 4). Von den mannigfaltigen Bemühungen
und Ergebnissen Rechenschaft zu geben, welche die
historisch-kritische Forschung der geschichtlichen Seite
dieses Problems ebenso sehr zugewandt wie ihr abgewonnen
hat, ist die Absicht dieses kleinen, für einen
weiteren Leserkreis bestimmten Buches. Sie tut es nicht,
indem sie sogenannte sichere Ergebnisse zusammenstellt,
sondern indem sie in Methode und Geist der neutesta-
mentlichen Forschung einführt und an sorgsam ausgewählten
Beispielen erläutert. Dem begrenzten Thema
gemäß, beschränkt sie sich auf wenige Schriften des
NT.s; die Apostelgeschichte ist kaum herangezogen,
die späteren Schriften fehlen fast völlig, „die Theologen:
Paulus, der Verfasser der johanneisenen Schriften und
der Verfasser des Hebräerbriefes" werden am Ende
des Buches in einem kurzen Kapitel behandelt. Das
Augenmerk richtet sich im Wesentlichen auf die synoptischen
Evangelien, und hier steht das Problem ihrer
Doppelart m Vordergrund, Zeugnis der Gemeinde und
Zeugnis ihrer Geschichte zu sein.

Das Buch ist seit seinem ersten Erscheinen im Jahre
1931 so bekannt geworden, daß ein kurzer überblick
über seinen Inhalt hier genügen wird. In zehn längeren
oder kürzeren Kapiteln wird „das Rätsel des
NT.s" dargelegt; sie handeln zunächst von den Problemen
der Sprache, des Textes, der literarischen Tradition
, wenden sich dann in fünf weiteren rein den drei
ersten Evangelien zu, den Absichten der Evangelisten,
dem inneren und äußeren Verhältnis ihrer Darstellungen
, der Überlieferung der Sprüche (Q) wie der Werke
Jesu (Mk), dem Inhalt ihrer „Wundergeschichten, Gleichnisse
, Aussprüche", sprechen dann von der Beziehung
jener drei Theologen zu der evangelischen Geschichte

und enden endlich in einer knappen und schönen Betrachtung
des geschichtlichen Problems, das die Gestalt
Jesu stellt. In alle Kapitel sind eigene Untersuchungen
verflochten, so z. B. über die Wörter Ekklesia
und Wahrheit, über die Beziehung zum AT, über den
Begriff Euangelion, über Jesu Lehren, die Theologie
der Evangelisten, über den Charakter der Gleichnisse u.
a. m. Das Ziel aller dieser Darlegungen ist ein doppeltes
: Auf der einen Seite wollen sie zeigen, daß die
geschichtlichen Fragen der Evangelien und ihrer Geschichte
lösbar sind, ja um mit dem kühnen Wort Hos
| kyns zu sprechen, daß „das geschichtliche Problem ge-
j löst ist" (S. 185). Auf der anderen Seite deuten sie
i immer wieder an, daß an der Grenze dieser Fragen die
I andere und dem Historiker nicht zugängliche Frage
entsteht, die in dem bestimmten und ausschließlichen
Anspruch des NT.s liegt, die Offenbarung zu sein, „die
| die tiefsten Probleme des menschlichen Lebens löst",
ebenso wie in der bestimmten und ausschließlichen Forderung
einer Stellungnahme zu diesem Anspruch. Die
besonnene und tiefe Unterscheidung, die hier zwischen
der geschichtlichen Frage und der gläubigen (der Ver-
I fasser sagt bisweilen auch: der theologischen) Forderung
besteht, wird leider durch das Vorwort zu dem
unklaren Satz verwischt, daß „alle geschichtlichen Ur-
I teile (über Jesus) in eine Entscheidung des Glaubens
I oder Nicht-Glaubens führen und erst in dieser Entschei-
I dung Ziel und Sinn gewinnen."

Die deutsche Übersetzung, der die neu durchgesehene
Ausgabe des englischen Buches vom Jahre 1936 zu
Grunde liegt, ist im Allgemeinen richtig und zuverlässig,
aber es ist auch in ihr der schlichte und doch anziehende,
klare und ehrfürchtige Stil Hoskyns (oder seines jüngeren
Mitarbeiters Davey) zu einem nüchternen und
uncharakteristischen Deutsch verwandelt. Zu Eph. 3,
11 macht Hoskyns die Bemerkung: „It is straining the
Greek to translate, as do the English versions, „through
our faith in him". St. Paul's „by faith" therefore
meant the faith of Christians in Christ und through him
in God, a faith at once typified and created by Jesus'
own faith, who was faithful unto death." In der Übersetzung
lauten diese beiden Sätze: „Luthers Übersetzung
,durch den Glauben an ihn' ist nicht ganz zutreffend,
denn Paulus meint zwar den Glauben der Christen an
Christus und durch Ihn an Gott, aber dieser Glaube
ist vorgebildet und geschaffen in Jesu eigenem Glauben,
den er bewahrte bis in den Tod." Wie schon diese
Probe zeigt, ist mit vielen Mitteln versucht worden,
I das englische Werk nicht nur zu übersetzen, sondern zu
einem deutschen Buch zu machen. Es heißt nicht mehr
! „St. Paul", sondern einfach Paulus, es wird von der
Lutherbibel gesprochen statt von den authorisierten und
revidierten Versionen der englischen Bibel, der Nest-
lesche Text tritt an die Stelle der Ausgabe von West-
cott-Hort, die Lake- und Ferrargruppe der Minuskeln,
die man in der englischen und amerikanischen Theo-
j logie bekanntlich fam. 1 und fam. 13 abkürzt, werden
I durch und <p wiedergegeben, und anderes mehr. Man
! kann das vielleicht noch zu den Erfordernissen einer
j deutschen Übersetzung rechnen, obwohl es den Charakter
des englischen Buches verändert. Bedauerlicher
ist es, daß zahlreiche Noten und Anmerkungen entweder
umgeformt oder ganz ausgelassen sind, nicht nur dort
| wo es sich um Hinweise auf englische oder gar auf
| deutsche theologische Literatur, sondern auch wo es
sich um sachliche Ergänzungen handelt. Stattdessen
sind öfter neue Verweise auf deutsche Werke gegeben,
I die willkürlich ausgewählt werden mußten, oder es sind
auch neue sachliche Anmerkungen hinzugefügt worden,
i die nicht im englischen Original stehen. Völlig fortgelassen
ist der englische Anhang A, der kurz Einlei-
; tungsfragen der neutestamentlichen Schriften behandelt,
der Annan; B, der eine gerade für deutsche Leser
höchst willkommene englische Bibliographie enthält, und
leider auch das sorgfältige Verzeichnis nicht nur des