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Ausgabe:

1939 Nr. 11

Spalte:

407-409

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Virolleaud, Charles

Titel/Untertitel:

La Déesse Anat 1939

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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407

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. II

408

Unterscheidung von unmittelbarem „Religionsdokument"
und von „Religionspoesie" entwickelt), 18 (das griechische
Klagelied alXivov / aUiroc, nicht aber Linos
als griechische Göttergestalt auf den altphönizischen
Gott Alijan zurückzuführen). Die anderen Aufsätze haben
es sonst mit phönizischer Profan- und Religionsgeschichte
zu tun, wobei Ras Schamra aber auch öfter
hineinspielt: Nr. 2 (Nebukadnezars Belagerung von
Tyrus nicht 598—585, sondern 585—572), 4 (palästinisch
-syrische Götter schon im 2. Jährt, nach Ost
und West gewandert), 6 (Baal-Gad im AT. der alte
Name von Balbek, auch hinter dem biq'at-awen Arnos
1.5)- 7 ,(hmn in phönizischen Inschriften = [Baal]
Hammen der Gott des Amanus, s. o. Nr. 3), 8 (Zeus
Ammon nicht der ägyptische Amon, sondern der von
Libyen aus importierte [Baal] Hammon), 9 (in Weiterführung
von Torreys Bemerkungen zu Mt. 27,3—10,
Sach. 11,13 nach Ex 32,4 II Rg. 22,4 schon am vorexi-
lischen Tempel eine solche Einschmelzstelle anzunehmen
[ zu entsprechenden Funden aus Ras Schamra S. 46
kommt nun der neuerliche Fund von eingeschmolzenen
griechischen Münzen des 6. Jhs. hinzu, vgl. Syr. 18,
152f. und Melanges Syriens für R. Dussaud I 461 ff.]),
12 (zur Vorgeschichte unseres Alphabets), 14 („Hoher
Himmel" in spätphönizischer Inschrift Name eines Stadtteils
in Sidon), 15 (das Alter des Sanchunjaton), 16
(neue Belege für 'dt „Herrin"). Nr. 10 endlich ist ein
Nachruf auf H. Bauer. — Der zweite Teil (S. 109—151)
bringt zwei längere neue Aufsätze, die beide phöni-
zische Tradition in den Dionysiaca des spätgriechischen
Epikers Nonnos nachweisen.

Die Bedeutung dieser Aufsätze dürfte auch aus solch
knappster Inhaltsangabe zur Genüge hervorgehen. Seit
dem Tode v. Baudissins ist Ei. im Deutschland ohne
Frage der beste Kenner der phönizischen Religion, und
er weiß auch hier wieder ihre Kenntnis in manchem
Punkt zu erweitern. Nicht zum mindesten durch sachkundige
und zumeist auch überzeugende Kombination von
längst bekannten literarischen Quellen mit den unschätzbaren
Texten von Ras Schamra. Im Bemühen um deren
religionsgeschichtliche Auswertung berührt er sich mit
R. Dussaud, läßt dabei aber mehr als dieser die Vorsicht
walten, die dem noch im Wortverständnis vielfach
so schwierigen Material gegenüber geboten ist. Was
dabei für Philo von Byblos und seinen vielumstrittenen
Gewährsmann Sanchunjaton herauskommt (S. 9 f. 27 ff.
60 f. 67 ff. 82 ff., vor allem neue Einblicke in Philos
Arbeitsweise und Geisteshaltung S. 29 f. 122 ff. 141 f.),
ist auch grundsätzlich für religionsgeschichtlkhe Quellenforschung
bedeutsam.

Wie sehr das alles auch die alttestamentliche Wissenschaft
angeht, braucht wohl nicht besonders ausgeführt
zu werden. Unmittelbar berühren sie außer Nr. 2. 6
und 9 (s. o.) S. 12 (die hammäntm des A. T. ursprünglich
dem Baal Hammän, d. h. dem Baal des Amanus
heilig), S. 17 f. {Iw als Gott in Ras Schamra) und
S. 25 ff. (die besondere Entwicklung der israelitischen
Religion im Lichte des neuen Materials).
Basel W. Baumgartner

V i r o 11 e a u d , Charles: La Dresse 'Anat. Poeme de Ras Shamra
publie, traduit et commente. Paris: P. Geuthner 1938. (VI, 113 S.)
gr. 8° = Haute-Commiss. de la Republ. Frang. en Syrie et au Liban.
Service des Antiquites. Bibliotheque Archeologique et Historique XXVIII
= Mission de Ras Shamra IV. * Fr. 200 —.

In seiner bekannten und bewährten Art legt Virol-
leaud hier eine 1931 von Schaeffer und Chenet
in Ras Schamra gefundene, leider nur etwa zu zwei Dritteln
erhaltene sechskolumnige Tafel vor, die deutlich
ein weiteres Stück des Alijan-Baal (AB)-Zyklus darstellt
und daher, der Folge der Veröffentlichungen entsprechend
, als V AB bezeichnet ist, nachdem er Teile
von ihr schon in Syria 17, 1936 und 18, 1937 veröffentlicht
hatte. Da der Text dieser neuen Tafel es vor
allem mit der Forderung eines Tempels für Gott Baal

zu tun hat, wird er vor Tafel II AB, die von der Er-
i richtung des Tempels für Baal handelt, einzureihen sein,
j Die Benennung „Die Göttin 'Anat" aber, die Virol-
I leaud der neuen Tafel gibt, erklärt sich daraus, daß hier
I 'Anat die Hauptrolle spielt: sie ist es, die bei dem
I Hauptgott El mit der Forderung eines Tempels für
i Baal vorstellig wird, und weiter weiß die Tafel von ihr
Züge auszusagen, die bisher in den Ras-Schamra-Texten
fehlten, wohl aber aus ägyptischen Angaben über die
Göttin bekannt waren, daß sie nämlich eine in höchstem
Maße kriegerische Gestalt ist. Mit V AB verbindet
Virolleaud die Veröffentlichung einer weiteren zum Alijan
-Baal-Zyklus gehörenden, leider noch viel stärker
als jene beschädigten Tafel, VI AB, deren 2. und 3.
Kolumne mit V AB mannigfache Berührungen aufweisen
, sodaß hier gegenseitige Ergänzungen möglich sind.
Im übrigen steht im Mittelpunkt von VI AB Koser, also
j der Gott, der in II AB als Erbauer des Baal-Tempels
erscheint.

Wie R. Dussaud den früheren Text-Veröffentlichungen
Virolleauds schnell Aufsätze hat folgen lassen,
die — in dankbarer Anerkennung der von seinem Vor-
j gänger geleisteten Pionierarbeit — diese weithin bestätigen
, stellenweise aber auch ergänzen und verbessern,
so hat er es auch hier getan mit seinen Aufsätzen aus
der Revue de l'Histoire des Religions 116, 1937, S. 121
bis 35; 118, 1938, S. 133—69. Wenn man sich ein
Urteil darüber bilden will, wieweit das Verständnis
der beiden Tafeln als gesichert gelten kann und wieviel
hier noch zu arbeiten ist, so kann man kaum Besseres
tun, als Virolleauds und Dussauds Erklärungen
nebeneinander zu stellen und miteinander zu vergleichen,
wobei zweckmäßig die Erklärung eines Ausschnitts aus

V AB, die W. F.' A 1 b r i g h t im Bulletin of the American
Schools of Oriental Research Nr. 70, 1938, S. 19 f.
gegeben hat, auch noch mit berücksichtigt wird.

Im ersten Stück von V AB — Virolleaud nennt die
sechs zusammenhängenden Stücke dieser Tafel, die sich
nicht mit ihren Kolumnen decken, A, B, C, D, E, F —,
also in A, werden am Anfang Dienstleistungen für Alijan
Baal erwähnt. Nach Virolleaud wäre es Alijans Gegner
Mot, der hier als sein Diener auftritt. Aber Dussaud
weist überzeugend nach, daß dem Mot solch eine
dienende Rolle kaum zuzutrauen sei und vielmehr an
Gezer, der nachher, in Z. 15, auch ausdrücklich genannt
wird, zu denken ist. — An zwei Stellen von V AB,
nämlich C 19—25 und D 58—61, und an einer von

VI AB, nämlich Kol. III 13—15, ist vom „Reden des
Baums, Flüstern des Steins, Seufzen des Himmels mit
der Erde, des Meeres mit den Sternen" die Rede. Im
Hinblick darauf, daß V AB ganz von dem Gedanken
an die Notwendigkeit des Baus eines Tempels für Baal
beherrscht ist, möchte Virolleaud die angeführten Worte
dahin verstehen, daß der Dichter hier die Natur an der
Empfindung dieser Notwendigkeit teilnehmen und sie
dementsprechende Klagen und Forderungen äußern läßt.
Nach Dussaud dagegen ist unter dem „Reden des Baums,
Flüstern des Steins" eine aus dem hölzernen und stei-

j nernen Kultbild des Alijan Baal vernehmbare Stimme
zu verstehen, die — so wird das übrige gedeutet — auf
I die Sehnsucht des Himmels nach Vereinigung mit der
I Erde, des Meeres mit den Sternen hinweist und damit
I die Menschen zur Verehrung des Himmels auffordert.
I Hier verdient Virolleauds Auffassung entschieden den
Vorzug vor der Dussauds. Aber auch Albright gegenüber
, der C 5—27 dahin verstehen will, daß es vielmehr
die Erschaffung des Blitzes durch Baal — von
der hier auch nach Virolleaud die Rede ist — wäre,
deren Ankündigung Baum, Stein und Himmel aufs tiefste
bewegt und erregt, dürfte sich Virolleauds Auffassung
bei Annahme einiger durch Albright vorgeschlagenen
I Einzelheiten als ganze doch behaupten können. — E
S 10—11. 32—33 wird erzählt, daß 'Anat Eis weißen
| Bart zu Blut macht, um ihn so zur Bewilligung eines
| Tempels für Baal zu bewegen. Virolleaud faßt hier