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Ausgabe:

1939 Nr. 11

Spalte:

406-407

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Eissfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Ras Schamra und Sanchunjaton 1939

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. II

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— sowie Kultobjekte — Tempel, von denen bisher drei |
aufgedeckt worden sind, Kannen, Äxte, Messer, Weihe- ;
gaben und anderes — eine lebendige Vorstellung von den
in Ugarit geübten Kulten. In fast allen Veröffentlichungen
über Ras Schamra ist von diesen Dingen die Rede,
aber eine allseitige zusammenfassende Darstellung der
altphönizischen Religion, wie sie durch Ras Schamra
erkennbar wird, fehlt noch; am nächsten kommen Dussauds
Arbeiten diesem Ziel.

Auch für die Ausstrahlungen der kanaanäisch-phöni-
zischen Religion in die Umwelt hinein, insbesondere nach j
Ägypten und nach dem Westen steht eine zusammenfas- ]
sende Würdigung noch aus. Immerhin darf, was das
letztere angeht, hier doch mein — auch im Rückblick
auf ein Jahrzehnt der Arbeit an Ras Schamra veröffentlichtes
— Buch von 1939 „Ras Schamra und Sanchun- |
jaton" genannt werden (s. Sp. 406). Es geht in der Hauptsache
der Frage nach, ob und wieweit die von Eusebius
in seiner Praeparatio evangelica erhaltenen Fragmente der j
um 100 n. Chr. verfaßten Phönizischen Geschichte des j
Philo von Byblos, nach dessen Angabe Übersetzung J
eines um 1200 v. Chr. von Sanchunjaton aus Berytos j
phönizisch geschriebenen Werkes, wirklich so alte Nachrichten
enthält, und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß j
nach Ausweis der Übereinstimmung mancher Angaben
des Philo mit den erst durch Ras Schamra bekannt gewordenen
Tatsachen hier wirklich altes Out zugrunde i
liegt, Sanchunjaton also eine Gestalt des 2. Jahrtausends
v. Chr. sein muß. Freilich hat Philo dessen i
Werk nicht übersetzt, sondern bearbeitet, nämlich das !
phönizische Gut mit griechischem Geist erfüllt. Beide
Elemente lassen sich auch ziemlich reinlich voneinander I
sondern, und dabei ergibt sich, daß in Phönizien bodenständige
Mythen, wie sie Sanchunjaton gebracht hatte, !
von Philo guten Glaubens als Ausgangspunkt griechi- |
scher Mythen aufgefaßt worden sind. So hat er den an
der Gegend von Berytos haftenden Mythus von „Hirn- i
mel" und „Erde", die hier Personifikationen von Landschaften
waren, als Quelle des griechischen Mythus
von Uranos und Ge verstanden.

Recht zahlreich sind begreiflicherweise die Darstellungen
der Beziehungen zwischen Ugarit und dem Alten i
Testament. Die beiden vorhin genannten Bücher von
Jack und Dussaud drücken die besondere Berücksichtigung
des Alten Testaments schon in ihrem Titel
aus. Sonst liegen außer meinem Buch von 1932 „Baal j
Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten i
durchs Meer" noch diese hierher gehörigen Arbeiten
vor: A. Jirku, Die Keilschrifttexte von Ras samra
und das Alte Testament (Ztschr. Deutsche Morgenländ.
Ges. 89, 1935, S. 372—86); Ad. Lods, Quelques Remarques
sur les Poemes Mythologiques de Ras Chamra '
et leurs Rapports avec l'Ancien Testament (Rev. Hist.
Philos. Rel. 16, 1936, S. 101—30); D. Nielsen, Ras
Samra-Mythologie und Biblische Theologie, 1936; R. P.
R. de Vaux, Les Textes de Ras Shamra et l'Ancien

Testament (Rev. Bibl. 46,1937, S. 526—55); A. Bea, Ras Samra
und das Alte Testament (Biblica, 19,1938, S. 435—53); Fl. Fr.
H v i d b e r g, Graad og Latter i det Gamle Testamente. En Stu-
die i kanaanaeisk-israelitisk religion, Kopenhagen 1938; A. Bea,
Archäologisches und Religionsgeschichtliches aus Ugarit-Ras
Schamra (Biblica 20, 1939, S. 436—53); R. de Langhe, Les tex-
tes de Ras Shamra-Ugarit et leurs apports ä l'histoire des origines
israelites (Ephemerides theologicae Lovanienses 16,1939, S.245
bis 327; er erschien auch als „Bulletin d'Histoire et d'Exegese
de l'Ancien Testament, Fase. 7", Löwen 1939). Was in
diesen Arbeiten dargestellt wircl, ist etwa dies: Die im
Alten Testament polemisch genannten und daher abge- j
blaßt oder verzerrt erscheinenden Gottheiten der Kanaa- '
näer treten uns nun in lebendiger Farbigkeit entgegen, |
und so wird der Kampf zwischen ihnen und Jahwe erst
recht verständlich. Weiter wird darauf hingewiesen, daß
Opfertermini wie feiern „Mahlopfer" und 'UeH „Feuer- j
opfer" dem Alten Testament mit Ras Schamra gemeinsam
, also von jenem wahrscheinlich der kanaanäischen j

Religion entlehnt worden sind, daß die Poesie von Ras
Schamra und die des Alten Testaments nach Form —
parallelismus membrorum — und nach Inhalt — Anspielungen
auf Mythen vom Drachen, vom Götterberg im
Norden und andere — mancherlei Übereinstimmungen
aufweisen, bei denen ebenfalls das Alte Testament der
abhängige Teil sein wird, und dergleichen mehr. Während
bis hierher der Tatbestand ziemlich gleichmäßig beurteilt
wird, gehen die Meinungen darüber, ob bestimmte
, in einigen Texten, namentlich dem von der „Geburt
der lieblichen und schönen Götter" und dem von „Ke-
ret", vorkommende Wörter, etwa 'seid oder tndbr qdJ,
Namen von Orten und Landschaften aus dem Palästina
südlich vorgelagerten Negeb und andere wie trh solche
von Gestalten der biblischen Patriarchengeschichte darstellen
, jene also als Asdod und die Wüste von Kades,
dieser als Terach, Abrahams Vater, zu deuten sind, ob
dann daraus eine Beziehung der alten Phönizier zu Israels
Vorfahren und damit die Geschichtlichkeit der Patriarchen
-Erzählung gefolgert, nämlich angenommen werden
darf, daß um 2000 v. Chr. die hebräisch-israelitii-
schen Terachiten in das damals den Phöniziern gehörende
Südland eingefallen, mit Keret, „dem König der Sido-
nier", zusammengestoßen sind, aber sich schließlich hier
behaupten konnten, weit auseinander. Während Virolle
au d und Du s saud sich entschieden für diese Deutung
eingesetzt haben, ist von Albright und Ginsberg
geltend gemacht worden, daß die hier in Betracht
kommenden Wörter in Wahrheit gar keine Namen, sondern
gewöhnliche Appellativa und Verba wären, und
daß damit die von Virolleaud und Dussaud auf
sie aufgebauten Kombinationen zusammenbrächen. In
einigen Fällen haben Albright und Ginsberg ohne
Zweifel recht, wie denn die Benennung Kerets als König
der Sidonier ganz offenbar auf falscher Ergänzung
einer Textlücke beruht. Das letzte Wort ist hier aber
noch nicht gesprochen. Infolge ihres fragmentarischen
Erhaltungszustandes und des Vorkommens vieler unbekannter
Vokabeln in ihnen bereiten nämlich die Texte dem
Verständnis noch sehr erhebliche Schwierigkeiten. Wenn
nach Aussage Schaeffers von dem Gebiet des alten
Ugarit erst etwa 1/8 ausgegraben worden ist, so gilt
von den Texten Ähnliches: sie sind ebenfalls erst zu
einem so geringen Bruchteil wirklich schon erklärt. Ras
Schamra stellt also der Forschung noch eine Fülle von
Aufgaben, und saubere philologische Durcharbeitung
der Texte ist neben der Fortsetzung der Ausgrabung
die wichtigste von ihnen.

RELIGIONSGESCHICHTE

Eißfeldt, Prof. Otto: Ras Schamra und Sanchunjaton. Halle
(Saale): Niemeyer 1939. (XI, 157 S.) 8° = Beitr. z. Religionsgeschichte
d. Altertums, Heft 4. RM 10—.
Ein erster Teil dieser Schrift (S. 1—108) vereinigt
18 kurze Aufsätze, die Eißfeldt während der letzten 8
Jahre an verschiedenen Orten veröffentlicht hat. Manche
befassen sich unmittelbar mit Ras Schamra: Nr. 1 (H.
Bauers und Virolleauds Anteil an der Entzifferung der
Schrift), 3 (durch andere syntaktische Fassung gewinnt
Ei. aus Euseb Praep. ev. I 9,26 eine Erwähnung der
Ras-Schamra-Schrift; die dort erwähnten Ammuneer die
Bewohner der Amanusgegend [Bedenken dagegen bei
R. Dussaud Syria 15, 297 f.]), 5 (zur religionsgeschichtlichen
Bedeutung der Funde von Ras Schamra), 11
Zurücknahme seines früheren Vorschlags [s. Nr. 7,
.38f.], auf einem churritischen Textfragment [Nr. 50,2
in H. Bauers Ausgabe], statt 'nt [Anat] vielmehr tat,
die karthagische Tanit, zu lesen), 13 (das dreifache
Aleph aus der syllabischen Schrift Ägyptens; aus dem
von Philo Byblius als Erfinder dreier Buchstaben erwähnten
Eisirios durch eine in jener Schrift naheliegende
Änderung Ugar als heros eponymos gewonnen),
17 (an Hand jener Texte die auch sonst wichtige