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Ausgabe:

1939 Nr. 10

Spalte:

391-392

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Dibelius, Otto

Titel/Untertitel:

Die werdende Kirche 1939

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 10

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als Ganzes ist eine Mission in dem heutigen Ringen um
das richtige Verstehen und Gestalten der ,Kirche' nicht
abzusprechen.

Seestadt Rostock Wilhelm Knevels

Schm idt, Gerhard: Das Alte Testament im kirchlichen Unterricht
. München: Chr. Kaiser 1937. (144 S.) gr. 8° = Pfarrbücherei
für Amt und Unterweisung. Bd. 5. RM 2.80 ; geb. 3.80.

Teil I gibt in 7 Abschnitten eine Art Grundlegung:
Christus und das AT, das AT und die Frömmigkeit, die
Angriffe auf das AT usw. werden kurz besprochen.
Teil II bringt eine Behandlung der wichtigsten Einzelstücke
des AT in 38 Abschnitten. Teil III enthält 5 zusammenfassende
Stücke: das Kirchenjahr und das AT,
das Gesangbuch und das AT usw. So wird auf nur etwa
135 S. alles Wesentliche besprochen. Alles Wesentliche
: darauf kommt es dem Verf. an. Für die unterrichtliche
Arbeit haben Text- und Literarkritik wenig
.Wert (10). Er ignoriert sie nicht. Er erkennt manche
ihrer Ergebnisse ausdrücklich an: 3 Hauptquellen der
Genesis (10); im Schöpfungsbericht verschiedene Erzählungen
, die nicht in allen Einzelheiten ausgleichbar
sind (24), mehrere Verfasser des Jesajabuchs usw. Er
empfiehlt sogar, reiferen Schülern z. B. von den Quellen
in der Gen. zu sagen (10). Aber die historischen Fragen
treten ihm ganz zurück. Gottes Wort ist eingegangen
In unser armes Menschenwort (11)- Dieses Gotteswort
will er überall herausheben. Darin geht er ähnliche Wege
wie H. Frey, dessen Werk dringend empfohlen wird
(21). Er will nicht „alles in den alttestamentlichen
Schriften mit Haut und Haaren schlucken" (9); aber der
Maßstab für die Beurteilung der Geschichten und Gestalten
muß das wirklich Christliche sein (9). Man kann
diesen Grundsätzen durchaus beipflichten und dennoch
fragen, ob dabei dem geschichtlichen Verständnis des
AT voll Rechnung getragen wird, z. B. bei Jesaja 53
(1321). Und es bleibt eine ernste Frage, ob nicht für
reifere Schüler (und dann auch für die Gemeinden) eine
nachdrückliche Einführung auch in die äußere Art der
alttest. Schriften dringend ist. Ganz gewiß: das Wesentliche
ist diese menschliche Art nicht. Aber würde nicht
mancher Angriff auf das AT viel weniger Eindruck
machen, wenn unsere Gemeinden vom Unterricht her in
rechter Weise mit diesen Formen vertraut gemacht würden
? Zu begrüßen ist, daß Schm. zwar W. Vischers
Buch nennt, aber doch eigene Wege geht; die typologi-
sche Auslegung rät er nur „vielleicht einmal in einem gelegentlichen
Hinweis" zu besprechen. Auf alle Fälle gibt
Schm. in gedrängter Fassung sehr inhaltreiche Winke für
einen Unterricht im AT, dem es allein darauf ankommt,
auch das AT, ohne Vergewaltigung, als Gottes Wort an
die Herzen heranzubringen, so wie es „von der Erfüllung
im NT her" zu verstehen ist. Bei Besprechung des Gesangbuchs
im Verhältnis zum AT „versäume man nicht
die ,Verchristlichung', Vertiefung, Reinigung, Entschrän-
kung", die einer ATs-Stelle in der christlichen Gemeinde
widerfährt, zur Sprache zu bringen. Diese treffliche Forderung
kann aber natürlich nur erfüllt werden, wenn
die Notwendigkeit dieser Reinigung zugleich deutlich gemacht
wird.

Breslau-Sibyllenort M. Schi an

Di beli us, D. Dr. Otto: Die werdende Kirche. Eine Einführung
in die Apostelgeschichte. Furche-Verlag 1938. (336 S.) 8°.

RM 5.60; geb. RM 6.80.
Dieser Kommentar bietet keinerlei originelle wissenschaftliche
Leistung, was auch nicht sein Zweck ist. Er
will dem Leser von heute vielmehr nur eine Anleitung
zur Verlebendigung der Ag. geben. Dazu bedient sich
der Vf. vielfach einer Ausmalung des Textes, die auf
eine starke Modernisierung der ersten christlichen Gemeinden
hinausläuft; vgl. etwa, was S. 40ff. über das
Festhalten an der Lehre der Apostel gesagt ist; dabei
spielen u. a. die Alten der Gemeinde eine Rolle, denen
das Lernen oft sauer genug geworden sein wird; „der

1 Memorierstoff . . . steht am Anfang der Gemeinde".
Auf die besonderen Bedingungen des Werdens dieser er-

[ sten Gemeinde wird dabei leider nicht Rücksicht ge-

j nommen. — Denselben Eindruck der nicht richtigen
Modernisierung hat man weiter bei der Lektüre der

! Schilderung des Werdens und der Bekehrung des Paulus
(S. 112ff.), dessen erstes Auftreten in Damaskus (9,20)
mit einem Bekennen gleichgesetzt wird, „denn Bekehrung
und Bekenntnis vor den Brüdern gehören zusammen"
(S. 121). Darauf läßt D. den Paulus mit Schriftrollen

[ in seinem Ranzen als jungen Theologen nach Arabien
ziehen, um erst nach gewonnener Klarheit von dort zu-
rückzukehren, und nun mit gelehrtem Rüstzeug in der
Synagoge von Damaskus aufzutreten. Auch diese Deutung
geht zu weit, und läßt nicht mehr den Text allein
sprechen, sondern holt aus ihm phantasievoll mehr heraus
, als möglich. — Ich kann hier nicht alle Stellen anführen
, die nicht zutreffend gedeutet sind, nur noch auf
eine muß ich hinweisen: das ist die Schilderung des Verhaltens
der Jerusalemer Gemeinde bei der Rückkehr des
Paulus, 21,15 ff., das von D. auf das härteste verurteilt
wird: „Die Feigheit der Gemeindeleitung von Jerusalem
" — d. h. der Herrnbruder Jakobus — „. . . hat den
Paulus in den Tod geschickt" (S. 290). Auf S. 300 ff.
werden diese unglaublichen Vorwürfe fortgesetzt. Dazu
möchte ich meinen: Lukas ist auch hier in seiner Schilderung
überaus kurz; warum, wissen wir nicht; sein Interesse
ist hier in erster Linie Paulus, seine Mission und
sein Schicksal. Ist es da erlaubt derartige Anschuldigungen
zu erheben, wo wir sie nicht unbedingt zuverlässig
begründen können? Dürfen wir da in dieser Weise als
Richter auftreten? Warum wird übrigens dann nicht
auch des Paulus Berufung auf sein Pharisäertum vor
dem Synedrium von D. angegriffen, 23, 6? Nein — das
wird verteidigt! Hier handelt Paulus so, wie es der Lage
entspricht (S. 304). Dürfen wir so subjektiv wertend
die Ag. auslegen? Bringen wir so nicht zu viel Anliegen
und Gedanken unserer Zeit und unserer konkreten Lage
in den Text hinein, anstatt schlicht zu hören?

Riga H. Seesemann

Dehn, Prof. D. Günther: Meine Zeit steht in Deinen Händen.

Biblische Meditationen für alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres.
Berlin: Furche-Verlag 1937. (387 S.) 8°. RM 5.60; geb. 6.80.

Ein Andachtsbuch? Ja. Es zwingt zur Andacht und
treibt in die Stille. Und doch mehr. Denn es gibt
eine erschöpfende Auslegung und biblische Ausarbeitung
der sonntäglichen Pericope. Eine Predigthilfe für Pfarrer
? Ja. Denn es stellt exegetisch den Ursinn des Textes
heraus und sucht ihn für die gegenwärtige Lage unseres
Volkes und unserer Kirche dienstbar zu machen.
Und doch mehr. Denn man kann an der Hand dieses
Buches nicht einfach eine Predigt gestalten. Dazu sind
der Gedanken für einen Text zu viel und die Darbietung
des Ganzen zu persönlich. Am besten sagt man wohl:
ein Buch, das Menschen in die Bibel führt und sie aufhorchen
läßt auf die Herrlichkeit der Botschaft. Und damit
ist Großes gesagt. Jede Meditation ist unter bestimmte
oft ganz eigenartige Kennworte gestellt z. B.
gleich die Frage des 2. Advents, wann kommt das
Reich Gottes (Luk. 17,20—30) unter'die Ausführung:
Das Pharisäergespräch, das Jüngergespräch, Eschato-
logische Predigt, die Frage nach dem Kommen des Reiches
, oder zum Sonntag Jubilate, das Jubilate des Volkes
Gottes (Jes 40,26—31) Jubilate der Tränen, die

I Not Israels und unsere Not, die Predigt der Sterne, vom
Harren auf den Herrn. Solche Einteilungen prägen sich

I ein und machen oft den ganzen Text von vornherein

| deutlich. Ich könnte mir denken, daß vorab in Bibelstunden
oder bei gemeinschaftlichem Lesen der Bibel

I in kleinem Kreis Dehns Buch gute Dienste leisten wird.
Denn es führt wirklich in die Gedanken der Schrift ein.
Nüchtern und voll starkem Christenglauben. Die Wirklichkeit
ganz klar sehend und alles auf den Herrn stellend
. Ohne Polemik und doch stets im Angriff. Aus