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Ausgabe:

1939 Nr. 10

Spalte:

385-387

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kinder, Ernst

Titel/Untertitel:

Natürlicher Glaube und Offenbarungsglaube 1939

Rezensent:

Wiesner, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 10

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Essay ends abruptly, with a mere repudiation of the
traditional doctrine that the O. T. is prophecy of what
is given in the Christian religion. This is not the only
place where to an English reader the argument is dis-
concerting. Titus German mysticism and the religious
teaching of the German poets are indeed subjects of
profound importance to all European peoples, but on
what grounds can they be regarded as tbeologically satis-
factory alternatives to the study of the Old Testament?
(p. 268).

Among the other and varied contents of the volume
special mention may be made of an address on the
Orthodox Churches of the Balkans. This expounds
with sympathy the piety and the religious attitude
of the Orthodox East and the all important part which
the Orthodox Churches have played in the national life
of the Southern Slav peoples.

Seeberg's Essays are so closely related to the contem-
porary problems of German Theology and the field
which they cover is so wide that it is extremely difficult
for a foreigner to do them justice. Here I must be content
to say that to me the most illuminating Essay in the
book remains the first on the Theology of History: The
distinetion between ,happening' and ,history' (Geschehen
und Geschichte), the defence of the idea ot Incarna-
tion as a clue to the interpretation of History, the
criticism of the exclusive Barthian emphasis upon Divine
Transcendence, the discussion of the idea of develope-
ment in relation to Revelation — all these topics are
as directly relevant to the theological Situation here as
they are in the author's Fatherland, and Seeberg's treat-
ment of them will be found in both countries a timely
„Aid to Reflection".
Cambridge J. M. Creed

Kinder, Lic. Emst: Natürlicher Glaube und Offenbarungsglaube
. Eine Untersuchung im Anschluß an die Olaubensphilosophie
Fr. H. Jacobis. München : Chr. Kaiser 1035. (136 S.) 8° = Forschungen
zur Gesch. u. Lehre des Protestantismus. VIII. Reihe, Bd. 1. RM 3.50.

Das Buch sucht an Hand der Glaubensphilosophie
Fr. H. Jacobis, das Verhältnis von natürlichem, philosophisch
expliziertem und christlichem Glauben zu klären.
Der Ansatz bei einer bestimmten historischen Gestalt
des „natürlichen" Glaubens macht die Behandlung des
grundsätzlichen Problems von Religion und Offen-
bartingsglauben zu einer realen Auseinandersetzung, belastet
sie aber andererseits mit Schwierigkeiten der klaren
Fragestellung. Kann das, was für das Verhältnis
zwischen einer Glaubensphilosopfoie, die noch dazu im
Rahmen einer christlichen Geschichte steht, und dem
christlichen Offeenbarungsglauben gilt, ohne weiteres
auf die Beziehung zwischen „natürlichem" und christlichem
Glauben übertragen werden? Sind philosophische
Deutung des Glaubens und natürlicher Glaube einfach
identisch? Es wird bei K. nicht ganz deutlich, in welchem
Sinne „natürlicher" Glaube von ihm verstanden
wird. Von diesen Bedenken abgesehen ist aber das
Buch eine historisch sehr saubere und theologisch korrekte
Gegenüberstellung der Olaubensphilosophie Jacobis
und des christlichen Glaubens.

K. zeigt, wie Jacobi seine Olaubensphilosophie im Gegensatz zum Rationalismus
und zum transzendentalen Idealismus entwickelt hat, indem er dem
ersteren gegenüber die inhaltliche Begründung alles Denkens in einer ursprünglichen
uiibegründbaren Gewißheit nachwies und dem zweiten gegenüber
den Glauben als Wirklichkeitsgewißheit ins Licht rückte. Allerdings
unterscheidet K. bei Jacobi einen „ontischen" Glauben als Gewißheit
um transsubjektive Wirklichkeit von dem „höheren", „exi-
s-tenziellen" Glauben, der sich im Unterschied zur Empirie auf die
geistige Existenz des Menschen bezieht und nur durch einen salto
mortale ein Wagnis gewonnen wird, während der ontischc Glaube
dem Denken schon immer zu Orunde liegt und durch kritische Analyse
erhoben wird. K. konfrontiert nun die Bestimmungen des Glaubensbegriffs
die Jacobi bei seiner philosophischen Untersuchung findet
, mit dem Selbstverständnis des christlichen Glaubens, um nachzuprüfen
, ob ein solcher allgemein-philosophischer Glauhensbegriff geeignet
ist, den Offcnbarungsglaubcn als konkrete Verwirklichung unter
sich zu fassen und ob dieser „natürliche" Glaube als Anknüpfungs-

j punkt für die christliche Glaubenspredigt gelten kann. Indem er
unter diesem Gesichtspunkt die Bestimmungen der Irrationalität, der

: unmittelbaren Evidenz, des Wirklichkeitsgefühls und -gehorsams, der

j Existenzbezogenheit, des Wagnisses, der Personalität und Relation, des
Vertrauens zu dem fordernden Du durchgeht, zeigt er, daß es sich
hier immer um formale Analogien zwischen natürlichem Glauben und
Offenbarungsglauben handelt, da beide inhaltlich entgegengesetzt bezogen
sind, wodurch dann auch der scheinbar gemeinsame formale
Charakter gegensätzlich bestimmt wird. Der Glaube im Sinne Jacobis

[ ist letztlich am Selbst des Menschen orientiert. Mag er es mit der
Uroffenbarung zu tun haben, so sind doch alle ihre Inhalte auf das
menschliche Selbst „umfinalisiert" (S. 107), in einen vom Selbst her
entfalteten Sinnzusammenhang hineingestellt und umgedeutet. Der
„natürliche" Glaube ist indifferenter Realismus, in sich ruhende Evidenz
, potenzierte Selbstbejahung, höhere Rationalität, mystische Un-

j mittelbarkeit. Demgegenüber ist der Offenbarungsglaube auf das gerichtet
, was der Mensch nicht als natürliches Selbst, sondern in
Christus ist, er ist wortgebunden gegenüber der Unmittelbarkeit, sein
Gegenstand transzendent, nicht bloß transsubjektiv, widervernünftig
nicht bloß übervernünftig, seine Existenzbezogenheit die „Kopulation
ungleicher Größen" (S. 82). Er ist ein „Sprung vom Ich weg"
(S. 92) anstelle der Selbstbejahung. Der philosophische Glauhensbegriff
bietet also keine Gemeinsamkeit zwischen „natürlichem" und
christlichem Glauben, keinen Anknüpfungspunkt für die christliche
Glaubenspredigt. Von da aus kritisiert der Verf. W. Herrmanns Ansatz
beim sittlichen Selbstgefühl und Vertrauen, E. Brunners imago-
Lehre, die Anknüpfung an den Uroffenbarungsglauben bei Althaus,
den religionspsychologischen Zirkel bei Wobbermin, Heims Ausgang
von den Vertrauensurteilen, Bultmanns Auffassung vom „Vorverständnis
", Brunstäds Religionsphilosophie. Hier hat er den Finger auf
den entscheidenden Fehler dieser Konzeptionen gelegt. Der natürlichphilosophische
Glaube ist theologisch gesehen nicht eine korrigierbare
Vorstufe des Offenbarungsglaubens, sondern Unglaube (S. 112). Zwischen
beiden besteht nur ein Entweder-Oder, zumal auch der natürliche
Glaube die Tendenz zum Absolutheitsansprucb hat. Die einzige
positive Beziehung zwischen beiden ist die des Gleichnisses. Der natürliche
Glaube kann wie alles Irdische Gleichnis für den Offenbarungsglauben
werden, unbeschadet der letztlich geltenden Unver-
gleichbarkeit der Offenbarungsinhalte mit dem Irdischen. Im letzten
Abschnitt zeigt K. die religiöse Absicht der Olaubensphilosophie Jacobis
: Er will die Inhalte christlichen Glaubens von ihrer Wurzel
loslösen und zu Inhalten natürlichen Glaubens machen.

In Jacobis Philosophie spricht also garnkht der
natürliche Glaube, sondern wie in der rationalistischen
Metaphysik und im spekulativen Idealismus ein säkularisiertes
Christentum. Der natürliche Glaube hat sich
hier erschlichen, was nicht sein Eigentum, sondern das
des christlichen Glaubens ist; damit hat er es aber auch
völlig umgedeutet. Was nur von Christus aus gilt,
wird nun vom Menschen als solchem ausgesagt und
in ihm selbst begründet. Jene scheinbaren Anknüpfungs-
möglichkeiten sind tatsächlich „abgerissene christliche
Ideen", die nunmehr gegen den christlichen Glauben
stehen und darum nicht wieder nachträglich
mit ihm verbunden werden können. Dies ist nur der entscheidende
Gesichtspunkt für die im vorigen Jahrzehnt
viel verhandelte Frage nach dem Verhältnis von Christentum
und deutschem Idealismus. Kann also eine
Glaubensphilosophie nach der Art Jacobis weder als
Propädeutik des christlichen Glaubens noch als philosophische
Grundlegung der Theologie in Anspruch genommen
werden, so ist damit die Möglichkeit einer
Philosophie aus Glauben a posteriori, als „Ausstrahlung
" (S. 128) des Offenbarungsglaubens nicht geleugnet
. Sie würde die ursprüngliche Gottbezogenlieit der
Welt und des menschlichen Wesens, die der natürliche
Glaube „umfinalisiert" und damit verdeckt hatte, eben
als Schöpfung Gottes und als Gleichnis des Gottes-
reiches wieder sehen. Dies wäre dann ein „Weg von
oben nach unten", nicht umgekehrt, er würde in seiner
Gültigkeit streng an den Offenbarungsglauben gebunden
bleiben. Diese Philosophie aus Glauben würde aber keinesfalls
einen nachträglichen allgemeinen Glaubensbegriff
liefern. Sie würde die Wirklichkeit außerhalb des
Wortes und die Vernunft gerade nicht zur Offenbarung
Gottes erheben, sondern als Gleichnis für das Offenbarungswort
, als irdische Ordnung Gottes stehen lassen.
Diese „Ausstrahlungen" lassen sich daher auch nicht
zu einem philosophischen System abrunden, da ihr Sub-