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Ausgabe:

1939 Nr. 10

Spalte:

370-373

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Arbeiten und Mitteilungen aus dem Neutestamentlichen Seminar zu Uppsala 1939

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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869

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 10

370

formale Wortbedeutung betrachtet, und daß man auf
Grund der sprachgeschichtlichen Tatsachen mehr zu
der ersten Annahme neigen muß. Die religionsgeschichtliche
Untersuchung hat n.-Begriffe in Mysterienreligionen
ergeben, die sich in die Titus-Stelle ihrem Inhalt
nach in keiner Weise einfügen ließen. Der Gedanke der
Wiedergeburt muß, wie der ganz selbstverständliche Gebrauch
in neutestamentlichen Schriften zeigt, dem Urchristentum
geläufig und vertraut gewesen sein" (S. 175).

Den meisten Raum nimmt Teil II ein, die Darlegung
der Vorstellung von der Wiedergeburt in der religiösen
Umwelt des Urchristentums, die fast 100 Seiten umfaßt
. In der Nachfolge von Büch sei (Th.Wtb. I 686,
24 ff.) zeigt Dey, daß das Wort k. in den Mysterien
des 1. Jahrh. fremd ist, und der Gedanke der Wiedergeburt
in ihnen nur mit großen Einschränkungen wahrzunehmen
sei. So bespricht er u. a. die berühmte Isisweihe
des Apuleius, meint aber, es wäre unberechtigt,
hier von einer Wiedergeburt des Mysten zu reden, da
doch nirgends im Text gesagt sei, daß er ein höheres,
göttliches Leben empfange. Er deutet daher auch den
Satz: festissimum celebravi natalem sacrorum nur als
blasse Feststellung des Dienstantritts des Mysten im
Dienste der Göttin, und stellt einen übertragenen Gebrauch
des Wiedergeburtsgedankens fest (s. bes. S. 99).
Aber geht das aar Die Frage entsteht: wann ist denn
dann überhaupt von einem übertragenen und einem
nicht-übertragenen Sprachgebrauch beim Begriff der Wiedergeburt
zu reden? Vf. meint auf S. 125 f.: „Wiedergeburt
als religiöses Geschehnis ist im strengen Sinn
der Vorgang, durch den der Mensch zu einem höheren,
ihm seiner Natur nach nicht zukommenden Leben erhoben
wird". Bei dieser Bestimmung treten neue Fragen
auf: etwa, warum ist dieser Gedanke denn nicht
auch bei Apuleius zu finden? Oder die ganz andere und
methodisch wichtigere Frage: woher hat der Vf. diese
Definition gewonnen?

M. E. nimmt Dey hier für den abstrakten Begriff
Wiedergeburt so feine Differenzierungen vor, wie sie
ein so weit als möglich zu fassender Begriff garnicht
zuläßt. Derartige Abstrakta, die sich über den engen
Bezirk, dem sie ihre Entstehung verdanken, hinaus verbreitet
haben (das zeigt Teil I der vorliegenden Arbeit
für den Begriff ti.), haben aber nicht mehr ihren eigentlichen
und übertragenen Sinn (vgl. dazu den Aufsatz
von W. P o r z i g, Die Leistung der Abstrakta in der
Sprache, in den Blättern f. Deutsche Philosophie 1930,
66—77). Sie haben vielmehr zunächst ihren allgemeinen
Sinn, hier also etwa Wiedergeburt, ganz allgemein genommen
, oder Erneuerung usw.; ihren konkreten Sinn
erhalten diese Begriffe erst jeweils aus dem Zusammenhang
heraus, in den sie hineinverpflanzt werden;
dann passen sie sich dem Gedankensystem dessen an,
der die Vokabel aufgreift.

Daher ist auch der Aufbau der Arbeit von Dey nicht glücklich.
Auf Teil I, die Ausführungen zur Sprachgeschichte, die mit dem Ergebnis
schlössen: „Das Wort stand als Allgemeingut zur Verfügung"
(S. 33) hätte als T. II gleich die Untersuchung zu Tit. 3,5 folgen
müssen. In diesem Teil ist der Oang der Untersuchung selbstverständlich
davon abhängig, ob man den Brief an Titus als paulinisch oder
nichtpaulinisch ansieht. Vf. setzt sich mit dieser Frage garnicht auseinander
, zieht auch den übrigen Sprachgebrauch des Titus, bezw. der
Pastoralbriefe, garnicht heran. Daß er als Katholik so steht, ist begreiflich
; trotzdem muß es als bedauerlich angesehen werden, daß die
Untersuchung sich nicht noch etwas auf den übrigen singulären Sprachschatz
der Past. erstreckt. Dey verfährt anders, und sucht bei Paulus,
wie auch im ganzen N.T. nach ähnlichen Oedanken, wie /.outpov

na?.iYYEVEOlttS' unci s'elU von ^a *ler den ^'nn dieser Bestimmung
fest. Hier aber nun hätte erst Teil II seinen Platz haben dürfen,
d. h. die religionsgeschichtliche Untersuchung anschließen dürfen;
von hier aus erst hätte die Untersuchung eingeleitet werden dürfen,
wieweit der Oedanke aus Tit. 3,5 der Umwelt bekannt war, oder
nicht. Der Vf. jedoch ordnet Teil III und II anders, setzt in II eine
feste und detaillierte Bestimmung für den Begriff Wiedergeburt voraus,
die er natürlich nirgends genau in der Religionsgeschichte wieder finden
kann, und stellt dann in Teil III das Ergebnis fest: bei Paulus
liegt es ganz besonders, was den Leser nun nicht mehr überraschen

kann. Teil III, der eigentlich das Schwergewicht ausmachen müßte,
verliert so an Gewicht, und Teil II, der viel Material zusammenbringt,
kommt so auch nicht zu seiner rechten Bedeutung, und führt gezwungene
Deutungen mit sich, wie oben dargelegt wurde.

Teil I, der sprachgeschichtlich sehr sauber gearbeitete Abschnitt,
führt auf S. 25 f. völlig überraschend die Bedeutung „Vergleich" für
rc. ein, die aus 3 Stellen gefolgert wird. Diese Bedeutung hat das

I Wort nicht, alle 3 Stellen sind anders zu verstehen, wie sich leicht
ergibt; die Bedeutung Vergleich ist ja auch philologisch in keiner

i Weise zu begründen. Seite 81 zieht der Vf. mit der auffallenden
Wendung „aber wir wissen ja, daß rr. nicht nur Wiedergeburt heißt"
eine bedenkliche Konsequenz aus dieser Obersetzung bei Philo, leg
ad Caium 325.

Riga H. Seesein an n

Arbeiten und Mitteilungen aus dem Neutestamentlichen Seminar
zu Uppsala, hrsg. v. Anton Fridrichsen. VII. Thomas Arvedson ,
Das Mysterium Christi. Eine Studie zu Mt. 11,25-30. 1937. (XVI,
254 S.) — VIII. Oösta Lindeskog, Die Jesusfrage im neuzeitlichen
Judentum. Ein Beitrag zu Geschichte der Leben-Jesu-Forschung. (XI,
369 S.) 1938. Leipzig: Zu beziehen durch A. Lorentz.
Die verdienstliche Reihe der neutestamentlichen Arbeiten
aus Uppsala (vgl. ThLZ. 1937, 198; 1938, 309 ff.)
ist durch zwei weitere umfangreiche Hefte fortgeführt
worden. T. Arvedson hat sich der sicher nicht überflüssigen
Aufgabe unterzogen, die „johanneische" Pe-
rikope der Synoptiker, Matth. 11,25—30, gründlich zu
untersuchen. Denn angesichts dieses Textes sind noch
immer die Ansichten der Forscher diametral getrennt,
indem die einen hier die eigentliche Wurzel für das
Verständnis des persönlichen Anspruchs Jesu finden wollen
, die andern in der Perikope einen religionsgeschichtlich
nicht zur übrigen Jesusüberlieferung passenden Text
sehen. Die wichtigste Aufgabe angesichts dieses Textes
wäre darum die genaue Untersuchung der in ihm begegnenden
religiösen Vorstellungen und die Scheidung
der verschiedenen Bedeutungen dieser Vorstellungen im
Judentum, Hellenismus, Urchristentum usw. Gerade diese
Aufgabe hat aber der Verf. vorliegender sehr fleißiger
und kenntnisreicher Untersuchung nicht wirklich in Angriff
genommen. Er geht vielmehr von den stilkritischen
Untersuchungen E. Nordens und den religionsgeschicht-
lichen Forschungen Reitzenste ins und VCAetters aus und
will in Fortführung dieser Arbeiten den religionsgeschichtlichen
Ort dieser Perikope bestimmen.

Ein erster Teil behandelt „das formkritische Problem" und sucht
durch Vergleich mit Sir. 51, babylonischen, ägyptischen, hellenistischen
, gnostischen, christlichen Texten aufzuzeigen, daß die ganze
Perikope eine Mystericnliturgie sei, bei der der Mystagoge zugleich als
König auftritt; es handle sich um ein Inthronisationsmysterium. V. 25
bis 27 bilden den Hymnus, den Jesus beim Treten vor den Vater anstimmt
, und dieser Hymnus ist zugleich die Selbstvorstellung, die die
Einladung zum Mysterium einleitet. Seltsamerweise wird dann aber
doch behauptet, das Wort 11,27 vom Erkennen des Vaters durch den
Sohn usw. sei ursprünglich selbständig umgelaufen, während die Frage,
ob echte Jesussprüche verwertet seien, als unwesentlich beiseite geschoben
wird. Die Jüngeraussendung Mt. 10, lff. soll ursprünglich
mit dem Mysterientext eine Einheit gebildet haben. Nachdem so als
erwiesen gilt, daß 11,25—27 formal eine Mysterienfeier der Inthronisation
Christi wiedergeben, wird diese These inhaltlich zu erhärten gesucht
. Ein 2. Abschnitt („Das Christusmysterium") sucht an einer
Reihe von Texten (Taufbericht, Joh. 12,20 ff., Leidensgeschichte,
Act. Joh. 94 ff. usw.) aufzuweisen, daß die Inthronisation Christi den
Höhepunkt des urchristlichen Gottesdienstes gebildet habe. Das wird
dann aus Liturgien abgeleitet; sie „sind ja alle verhältnismäßig spät,
aber sicherlich enthalten sie uraltes Gut, und wir können darum getrost
annehmen, daß wir hier genuin Urchristliches gefunden haben"!
(S. 149). Mit dem allen soll bewiesen sein, daß dashinterMatth.il,
25 ff. stehende Kultmysterium im Urchristentum tatsächlich ausgeübt
worden ist. Ein weiteres Kapitel („Das Joch Christi") behandelt den
religionsgeschichtlichen Hintergrund des „Hcilandrufs" (Matth. 11,
28—30), besonders die Begriffe Joch und Ruhe, in der gesamten Antike
. Beide Begriffe sollen in Einladungen zum Kultus zu Hause sein,
Jesus tritt hier als die einladende Weisheit auf, wie er auch im
Gleichnis vom großen Mahl als Königssohn den Platz der Weisheit
eingenommen habe. Als milde und demütig werde Jesus als Erlöserkönig
und Weisheit bezeichnet, das Joch ist ein Zeichen der Jüngerschaft
und bezeichnet zugleich die Aufnahme in das Mysterium des
Gottesreiches.

Diese kurze Inhaltsangabe dürfte gezeigt haben, daß
I hier die „religionsgeschichtliche" Betrachtungsweise in