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Ausgabe:

1939

Spalte:

334

Kategorie:

Kirchenfragen der Gegenwart

Autor/Hrsg.:

Müller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Deutsche Gottesworte 1939

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

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Seite 1

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333

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 8/9

334

bei der Textwahl für die Kasualien Rücksicht auf das Kirchenjahr genommen
wird. Das Buch kann nicht nur jungen, sondern auch im
Amt erfahrenen Predigern wertvolle Dienste leisten.

Halle/S. Wilhelm Usener

GEGENWARTSFRAGEN

Hoff mann, Prof. Dr. med. H. F.: Das ärztliche Weltbild. (Eine
Geneseologie.) Zwei Vorträge. Stuttgart: Ferd. Enke 1937. (52 S.)
gr. 8°. RM 2.40; geb. 4—.

Ein naturgebundenes Weltbild und eine „gesunde"
Lebensanschauung, die ihre Richtlinien aus der Biologie
gewinnt. „Im Mittelpunkt oder, besser gesagt, im
Tiefpunkt dieser Universitas Literarum steht zunächst
einmal die gesamte Natur als Voraussetzung
des naturgebundenen Menschen, der in ihr
gewachsen ist, sich über sie erhebt und sie weitgehend
zu beherrschen gelernt hat. Und zum zweiten der naturgebundene
Mensch selbst, im besonderen der naturgebundene
deutsche Mensch mit all seinen, engeren
und weiteren, niederen und höheren Lebensbedürfnissen
, sowie mit seinem Verlangen
nach sinnvoller Lebens- und Wertgestal-
t u n g. Das Ganze für uns Deutsche getragen von der
uns verpflichtenden nationalsozialistischen Weltanschauung
. Das heißt: Der naturgebundene deutsche
Mensch als Repräsentant der naturgebun-
d enen Gesamtmenschheit" (S. 2 f.).

Was Hoffmann vorträgt, ist typisch für einen Standpunkt
, der sich bei uns immer stärker durchzusetzen beginnt
. Daß er auf Glauben1 beruht und daher subjektiv ist,
weiß Hoffmann wohl. „Mein Weltbild hat in mir selbst
seinen Ursprung, es ist die Welt, wie ich sie sehe;
ja, wie ich sie sehen m u ß, weil ich ein Mensch bin
von bestimmter Artung und Gestalt" (S. 4 f.); und
er sieht sie als Arzt (Nervenarzt) bzw. Naturforscher
und mit seinem gesunden, natürlichen deutschen Verstand
; Philosoph will er nicht sein. So können wir mit
ihm über seine Anschauungen nicht rechten; wir teilen
sie nur mit, und zwar, weil sie typisch sind, ausführlich.

Der Hauptgrundsatz seines Glaubens: „Natur ist
alles, es gibt nichts, was außerhalb der
Natur wäre oder gar ein Recht hätte, über
der Natur zu sein". (S. 7). Von dort aus gelangt
er zu vier entscheidenden Gesetzen der Welt des
Lebendigen:

1. Das Existentialgesetz: Leben kann nur gedeihen
und ist in seiner Existenz abhängig von der Welt
des Stofflichen. 2. Das Sinngesetz: Der Sinn des Lebens
ist das Prinzip einer schöpferischen Gestaltung aus eigener
Kraft (Selbst- und Arterhaltung, Entwicklung). 3.
Das Stufengesetz: Die höheren Lebensformen herrschen
und bestimmen über die niederen, aber die höheren bedürfen
der niederen als ihrer notwendigen Bedingung
(während das niedere Leben des höheren leichter ent-
raten kann). 4. Das Schichtungsgesetz: Die höheren
(psychischen) Schichten des Menschen sind in ihrer unversehrten
Funktion unrettbar auf die leiblichen Tiefenschichten
angewiesen, während sie umgekehrt nur bis
zu einem gewissen Grade in die leiblichen Tiefenschichten
einzugreifen vermögen. Das letztere belegt H. aus seiner
Erfahrung mit psychischen Erkrankungen, z. B. dadurch
daß psychische Defekte durch Beeinflussung des leiblichen
Geschehens behoben werden können. „Wesentliche
, ja wichtigste Voraussetzung für
unsere Persönlichkeit, für Charakter, Seele
, Gemüt, Geist und Wille, für all unser
Erleben, Denken und Tun ist die Artung
unseres Leibes" (S. 27).

1) Hoffmann trennt mit Recht Glauben und Weltanschauung nicht
(was ja viele heute noch wollen), aber er bringt Glaube in eine uns bedenklich
erscheinende Nähe zu: Ersatz für noch nicht vorhandenes
Wissen. Vgl. S. 7: „Ich muß glauben, wo ich nicht wissen
kann; doch darf mein Olaube nicht das Wissen,.d. h. die Erfahrung
, verachten."

Zum Schluß gibt Hoffmann Ausführungen über die
„persönliche Unsterblichkeit", die natürlich nicht anders
lauten können, als daß das Einzelleben verlöscht,
daß wir aber „ewig" und für immer lebendig bleiben
als unbekannte, durch unser Wirken für alle Zukunft
bestimmende Repräsentanten unserer Lebensgemeinschaft
und damit der gesamten Wirklichkeit. „Im Diesseits
leben wir, im Diesseits sterben wir, im
Diesseits allein erfüllt sich unsere Ewigkeit
" (S. 29). Wir sind der Ansicht, daß man dies
nicht eine „aus der Wirklichkeit geborene Unsterblichkeitsidee
" nennen, sondern den Ausdruck „Unsterblichkeit
" hier wirklich fallen lassen sollte.

Der Standpunkt Hoffmanns ist in vielem eine Wiederaufnahme
des für überwunden gehaltenen Ernst Haeckel,
zu dessen Satz von der Einheit von Gott und Welt
sich Hoffmann ausdrücklich bekennt (S. 8). Ähnlichkeit
besteht auch mit dem System Ernst Bergmanns (siehe die
Besprechung seiner „Natürlichen Geistlehre" in Th. L. Z.
1938, Nr. 13, Sp. 237).

Hiermit ist der erste Vortrag, der auch den Titel für die ganze
Schrift abgab und für uns der weitaus wichtigere ist, gekennzeichnet.
Der zweite (einer der vier Festvorträge beim 1. Tübinger Universitätsfest
) heißt: Das ärztliche Handeln. Er gründet sich auf die Unterscheidung
zweier Grundfunktionen des Denkens und Eikennens (integriert
und desintegriert) nach Jaensch, zeigt als grundlegende Eigentümlichkeiten
der Organismengeschichte von Urbeginn bis heute Differenzierung
und Zentralisation (auch dies nach Haeckel, der darin Goethe folgen
wollte) und wertet die Menschen nach dem Sinngesetz, das eben Differenziertheit
(oder feinste Gliederung des Gefüges) und Zentralisation
(oder strenge Geschlossenheit der Form) verwirklicht. Praktisch bedeutsam
ist die daraus gezogene Folgerung, daß man nicht etwa „in völliger
Verkennung der nationalsozialistischen Ethik" alles Kranke als Minderwert
verdammen (und am liebsten vernichten!) dürfte, daß aber nicht
nur das Wohl des einzelnen Kranken, sondern das Wohl der übergeordneten
Volksgemeinschaft (die in das Lebensrecht des einzelnen eingreifen
darf) bedacht werden muß.

Seestadt Rostock Wilhelm Knevels

Müller, Reichsbischof Ludwig: Deutsche Gottesworte, verdeutscht.
Weimar: Verlag Deutsche Christen 1936. (42 S.) 8°. RM 1.85.

Ludwig Müller sagt selber: „Der vorliegende Versuch
einer neuen zeitgemäßen Verdeutschung ist nur aus
dem einen Wunsch entstanden, meinen nationalsozialistischen
Kameraden und meinen Volksgenossen die Worte
der „Bergpredigt" so in unsere heutige Art des Denkens
und Sprechens zu übertragen, daß sie neu „verstanden"
d.h. mit deutschen Herzen begriffen werden kann" (S,
39 f.). Verf. will nicht eine Übersetzung, sondern eine
Übertragung geben, die dem ewigen Gehalt der
Bergpredigt entspricht. Bei einem solchen schwierigen
Versuch wird mancher andere Worte an der einen oder
anderen Stelle wünschen. Auch läßt sich fragen, ob der
zugrundeliegende Sinn an allen Stellen wirklich wiedergegeben
worden ist (S.14, 16). Das Entscheidende ist
aber gelungen, die Worte der Bergpredigt so in unsere
Zeit hineinzustellen, daß sie zum Hinhören und zur Lebensumkehr
Veranlassung werden können. Das Buch
kann vielen den stillen Dienst leisten, daß sie wieder zum
Neuen Testament greifen. In einer Zusammenstellung
„Für und Wider die Deutschen Gottesworte, Dokumente
und Tatsachen aus dem Kampf um ein deutsches Christentum
", Weimar 1936, geht Verf. auf die verschiedensten
Mißverständnisse ein, die entstanden sind. Aus allem
wird deutlich, auch aus den ernsten Einwendungen, daß
ein solcher Versuch dringend notwendig ist und auch
weiterhin für andere Teile des Neuen Testaments gewagt
werden muß.

Jena H. E. Eisenhuth

Totaler Staat und christliche Freiheit. Mit Beiträgen von N.
Alexejev, P. Barth, E. Brunner, P. Conord, V. A. Demant, E. Geismar, G.
May, W. Paton, B. Vyscheslavzev, H.-D. Wendland. Genf: Forschungsabteilung
des Oekumenischen Rates für Praktisches Christentum 1937.
(178 S.) gr. 8" = Kirche und Welt. Studien und Dokumente. 7. Band.
Das Buch ist durchaus eine Sammlung von Studien; d. h.

es trägt keinerlei einheitlichen Charakter, nicht in der Problemstel-