Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1939

Spalte:

320-323

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Niesel, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Theologie Calvins 1939

Rezensent:

Mülhaupt, Erwin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

319

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 8/9

320

In Bezug auf die Zusammenarbeit der NSV. mit den I
evangelischen Wohlfahrtseinrichtungen hält sich Birnbaum
an die Richtlinien der NSV., wonach die kirchlichen i
Organisationen mit einbezogen werden, und an die Anerkennung
der Arbeit der Inneren Mission durch die NSV.
Er hofft, daß die im einzelnen vorhandenen Schwierigkeiten
überwunden werden. Aber, und das ist sein Wort zur
Sache, nur als organisches Ganze und durch
Gliedschaft am Ganzen haben die freien Werke |
Existenzberechtigung und Zukunftsmöglichkeit in unserm
Volk. Das Tiefste, um das es geht, ist: „Christus
muß von neuem Wirklichkeit werden, wie er es den Vätern
war, und unsern inneren Menschen in seiner Mitte
bewegen."

Am Schluß des Buches, das in all seinen Teilen eben- i
so den Geschichtskenner wie den durch praktische Ar- i
beit und geistige Schau Urteilsfähigen verrät, finden sich
Zeittafeln und tabellarische Übersichten, die den Studenten
besonders willkommen sein werden, Anmerkungen und
Literaturangaben (z. T. mit treffender Kennzeichnung in
einem Satz). Eine Arbeit, die die einzelnen Bewegungen
noch mehr in ihrer Beziehung zur geistigen Gesamtlage
schildert, will Birnbaum schreiben. Wir sind darauf gespannt
.

Seestadt Rostock Wilhelm K n e v e 1 s

Siebertz, Paul: Freimaurer im Kampf um die Macht. Hamburg:
Hanseatische Verlagsanstalt [1938]. (488 S.) gr. 8°.RM 11 - ; geb. 12-.

Im Jahre 1826 gab Dom Pedro von Portugal eine
liberale Konstitution, verzichtete dann aber auf die Krone
und übertrug sie auf seine siebenjährige Tochter Maria.
Diese wurde miit ihrem Oheim Dom Miguel verlobt,
der die Regentschaft führte, aber 1828 die Verfassung
aufhob und sich zum absoluten König machte. Dom
Pedro legte nun auch die brasilianische Krone nieder und i
rüstete sich, seiner Tochter die Krone wieder zu gewinnen
. Im Auftrag der Quadrupelallianz erschien auch ein
spanisches Heer, durch das Dom Miguel eine entscheidende
Niederlage erlitt. Dom Pedro führte nun die Verfassung
von 1826 wieder ein. Diese Ereignisse bilden
den Rahmen, um die Rolle der Freimaurer darzustellen,
sollen aber auch ein Gleichnis für das Geschehen der
Gegenwart sein.. Denn nach Siebertz sind es die gleichen
Mächte gewesen, die 1914—18 die ganze Welt

f;egen Deutschland ins Feld riefen, und keine Darstel-
ung der Neuesten Zeit ist nach ihm erschöpfend, die
nicht die Frage nach dem Einfluß der Geheimgesellschaften
aufwirft und beantwortet. So hat nach dem
Verf. schon Pombai von den Pariser Logen die Anregung
zu seinem Feldzug gegen die Jesuiten bekommen
, und wenn Palmerston 1833 schreibt: „Der Triumpf
Marias wird .... dem Liberalismus große Stärke verleihen
", so wird daraus deutlich, daß hier nicht nur ein
dynastischer Streitfall der Lösung harrte, sondern der
Kampf zweier Weltanschauungen, der auf portugiesischem
Boden ausgetragen wurde.

Die Aufdeckung solcher Hintergründe des politischen
Geschehens ist neuerdings stark in Fluß gekommen, wie
z. B. Everweins Veröffentlichung „Die Unterirdischen"
(Berlin 1938) zeigt. Suchenwirth erklärt das eigenartige
Zurückweichen der Verbündeten 1792 für eine Freimaurersache
. Gieren spricht vom „freimaurerischen
Kriegsverrat von 1806". Der Anteil der Freimaurer am
Mord von Serajewo ist von Alnor hervorgehoben; auch
Bethmann-Hollweg und Hentsch wurden als Logenbrüder
und jüdisch versippt bezeichnet. Wilson war Freimaurer,
und Hasselbacher spricht vom „Ende des Freimaurer- j
wunders Tschechoslowakei". Andrerseits steht fest, daß I
auch Friedrich der Große sich 1738 in Braunschweig
in die Loge aufnehmen und in Rheinsberg eine solche !
gründen ließ (N. S. Monatshefte 1938, Nr. 103) wie,
daß auch Tirpitz Mitglied der Freimaurerloge „Zum auf- '
richtigen Herzen" war. Wie Siebertz seine Behauptung,
daß Metternich „seinen Plan von den Logen übernommen
" habe, selbst dahin korrigiert: es sei eine geschichtliche
Ironie, wenn Metternich der freimaurerischen Arbeit
Vorschub leistete, ist unlängst die Behauptung über
Bethmann-Hollweg als sachlich unzutreffend zurückgewiesen
(Der Schulungsbrief 1939, 3. Folge). Weil
seine Politik jüdisch-freimaurerischem Geiste entsprach,
lag die Annahme nahe, daß ihr Träger nicht nur geistig,
sondern tatsächlich der Richtung angehören müsse.
Solche Schlüsse begegnen nun auch bei Siebertz häufig,
aber die Begründungen reichen vielfach nicht aus und
müßten quellenmäßig nüchterner unterbaut werden, um
den Ergebnissen größeres Gewicht zu verleihen. Aus
diesem Grunde ist die vorliegende Darstellung nicht
so sehr eine wissenschaftliche wie eine historische Reportage
.

Quakenbrück H. Vorwahl

GESCHICHTE DER THEOLOGIE:

Niesei, Wilhelm: Die Theologie Calvins. München: Chr. Kaiser
1938. (241 S.) gr. 8° = Einführung in die Evangelische Theologie,
Band VI. RM 4.80 ; geb. RM 6—.

Der Berliner Pfarrer und Mitherausgeber der Mün-
chener Auswahlausgabe der Werke Calvins (Opera se-
lecta) legt uns hier einen Gesamtdurchblick durch die
Theologie Calvins vor. Es geht ihm darum, „anhand
wesentlicher Stücke der Theologie Calvins das Ganze
seiner Lehre aufzuzeigen" (S. 3). Gleichzeitig eröffnet
Niesei mit diesem Buch eine größere Schriftenreihe theologischer
Studienbücher, die, wie es am Schluß des Bandes
in einer vom Verlag beigedruckten Empfehlung heißt,
„die theologische Methode zu Ehren bringen sollen,
die allein bestimmt ist von dem Wort Gottes und dem
dies Wort bezeugenden Bekenntnis der Gemeinde". Sofern
damit der theologischen Arbeit die Aufgabe gestellt
ist, sich in erster Linie am Gotteswort und der dasselbe
liebenden christlichen Gemeinde auszurichten und
Weg und Ziel sich nicht von der „Welt" geben zu lassen,
muß man sich an der Zielsetzung solcher theologischen
Bücher herzlich freuen. Ob daraus eine besondere
Methode folgt, die wie es heißt, sich von der geistesgeschichtlichen
, weithin auch in der Theologie zur Geltung
gekommenem Methode unterscheiden soll, ist mir allerdings
zweifelhaft, um so mehr, als man die bisherige
Methode der Theologie keineswegs hinreichend als eine
bewußt kulturmorphologische kennzeichnen kann.

Der Verf. gibt nun zunächst einen recht summarischen Bericht über
die Calvins Theologie betreffende Literatur seit 1922. Durch die Einseitigkeit
, mit der dabei Freunde und Schüler K. Barths positiv, andre
Leute jedoch negativ bewertet werden, wirkt der Bericht etwas unangenehm
. Ich will dabei von der mir persönlich zuteil gewordenen oberflächlichen
Aburteilung absehen. Aber mit ein paar Worten des Dankes
auch an Leute wie Wernle, Doumergue („Das Wesen Calvins",
übersetzt von Boudriot, 1933), Holl, Hermann Weber hätte N.
seinen Calvinauffassungen durchaus nichts vergeben. Umsomehr, da
das, was er dann S. 15—17 beifällig erwähnt, keinen tiefen Eindruck
machen kann. Was will es denn schließlich angesichts des bestimmten
Problems, die Eigenart calvinischer Theologie zu begreifen, besagen,
wenn jemand schreibt: „die biblische Voraussetzung, daß der Mensch
es mit dem lebendigen Gott zu tun hat, ist durchgehend der eigentliche
Lebensnerv des calvinischen Unterrichts in der christlichen Religion"
(S. 16)? Diese Ueberzeugung ist auch der Lebensnerv eines rechten
christlichen Bauern in meinen Odenwalddörfern; ich meine auch, daß
dies ein großes Positivum ist. Aber für die Theologie Calvins im bc-
sondern bedeutet das noch fast gar nichts; denn es steht ja nicht zur
Debatte, ob Calvin Christ gewesen ist oder nicht.

In 13 Kapiteln, die in Reihenfolge und Überschriften
sich lose an die Institutio 1559 anschließen, nimmt
nun N. die wichtigsten Loci von Calvins Theologie
durch, immer mit der Frage nach dem eigentlich Bewegenden
bei Calvins Ausführungen. Was ist nun der
Kern calvinischer Theologie? N.'s Antwort ist im Grunde
ganz einfach: „Jesus Christus beherrscht nicht nur den
Inhalt, sondern auch die Form calvinischen Denkens"