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Ausgabe:

1939

Spalte:

305-306

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Haller, Johannes

Titel/Untertitel:

Das Papsttum ; 2,2.Die Vollendung 1939

Rezensent:

Koch, Hugo

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305

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 8/9

306

von Venedig vortäuscht, wo Kaiser Rotbart sich ihm zu

vjj>rupTrvQrmruTf. MITTFT 41 TFR Füßen warf! Aber auch in diesem Kampf „war der Be-

KIRLHENGhbtHlLHlb: Ml 11 bLAL 1tili ; siegte nkht der Kaiser) es war der Papst" (S. 228).

| Einen großen Teil des Bandes nimmt naturgemäß der
Hall er, Johannes: Das Papsttum. Idee und Wirklichkeit. In drei ' pontifikat Innocenz III. in Anspruch, und die Zeich-
Bänden. Zweiter Band. Zweite Hälfte: Die Vollendung Stuttgart: : n dJe er VQn der persönlichkeit dieses großen Pap-
j. Q. Cotta 1939. (X, 603 S.) gr. 8°. RM 14-; geb. RM 17.50. ^ polm ^ ihren unerhörten Erf0lgen,
Die 1937 erschienene erste Hälfte des zweiten Ban- | auc], njcnt geringen Mißerfolgen entwirft, ist ein Muster
des dieses Werkes schloß mit dem Wormser Konkordat j unparteiischer, Licht und Schatten gerecht verteilender
v. J. 1122 (siehe diese Ztg. 1937, Sp. 382ff.). Die i Linienführung, sowie ein Glanzstück von Einfühlungsvorliegende
zweite Hälfte führt die Geschichte des Papst- gabe und Darstellungskunst. Der Eindruck seiner Uber-
tums und des Papstgedankens bis zu seiner höchsten Ver- legenheit und Genialität war es, was die Stimmen der
wirklichung unter Innocenz III. Wähler auf den siebenunddreißigjährigen Kardinal, den
Der erste Abschnitt „Nach dem Siege" schildert und i jüngsten des Kollegiums, lenkte, obwohl er bisher an
würdigt die Pontifikate von Honorius II. bis Eugen III.: | den Geschäften der Kurie nur wenig teilgenommen hatte,
zunächst die allgemeine Haltung des Papsttums in „Le- ; Doch kommt H. S. 408 ff. rückschauend zum Ergebnis,
ben und Lehre" unter dem Geiste des Mönchstums, der , daß sein Hof zwar den Mittelpunkt der europäischen Po-
von der Kirche Besitz ergriffen hatte, sodann die „Häus- j litik bildete, aber von einer päpstlichen Weltregierung in
liehen Kämpfe" der Päpste um ihre Anerkennung und dem Sinne, als ob der Gang der Ereignisse von Rom aus
ihren weltlichen Besitzstand, „Wachstum und Welken" und nach römischen Wünschen beherrscht und gelenkt
des päpstlichen Ansehens, jenes beim Zustandekommen, j worden wäre, nicht die Rede sein könne. S. 429 sagt er
dieses beim Scheitern des zweiten Kreuzzugs und infolge j aber selbst, daß Innocenz über Könige und Fürsten ge-
der Wirksamkeit Arnolds von Brescia, „Kritik und Selbst- 1 herrscht habe. „Hier war der Gedanke Gregors VII.
kritik", wie sie in Stimmen dieser Zeit über den Gesamt- Wirklichkeit geworden: nehmend und gebend verfügte
zustand der Kirche und über die Papstherrschaft viel- der Statthalter Sankt Peters über Länder und Besitzun-

fach recht ungeschminkt sich ausspricht.

Der zweite, größere Abschnitt „Im Kampf mit dem
Kaisertum" behandelt die an dramatischen Ereignissen
so reichen Pontifikate von Hadrian IV. bis Innocenz III.:
„Vorspiel" unter Hadrian IV., und die „ersten Waffengänge
" unter Alexander III. und Paschalis III., dazwischen
die „Tragödie Thomas Beckets", dann „des Kaisertums
kurzen Siegestag" unter Friedrich I. und Heinrich
VI., endlich den Höhepunkt der päpstlichen Macht- mit Lob und Bewunderung, wo er es für angezeigt hält. Die Begrünentfaltung
Unter Innocenz III. Dabei wird, namentlich | dung seiner Stellungnahme für den Weifen Otto IV. vom J. 1201 ist
beim AugUSÜlS des Papsttums, das Zusammenspiel Und bf.! allcr. zucr Schfcu getragenen Unbefangenheit „nichts weiter als eine
Ineinandergreifen der kirchenpolitischen Schauplätze Eu- ; f'^'JE'^1!^- "N'emals s,ndll.?,egriffc des .Rfch1s T?'

/r^ i i , j rr i • i r= i i Ii ii. l- trorener mißbraucht worden, um zu verhüllen, was nichtern ka Her

ropas (Deutschland Frankreich England, Rom, Italien, Eigennutz war. (s. 325)< Ebenso verrät sjch die'Dckreta|e vSLbHeS
Sizilien, aber auch Konstantinopel) und seine Einwirkung j an die deutschen Fürsten „in jeder Zeile als die Parteischrift eines

gen der Fürsten nach seinem Gutdünken, er war der
Herr der Herren, der König der Könige, der Statthalter
Gottes auf Erden." Auch daß er der Bischof aller Christen
, und die andern nur seine Gehilfen seien, also den
Universalepiskopat, trägt dieser Papst in seinem Bewußtsein
.

Scharf sind mitunter H.s Urteile über Entscheidungen, Kundgebungen
und Regiertingshandlungen des Papstes, aber er spart auch nicht

auf Haltung und Politik der Kurie meisterhaft heraus
gearbeitet.

Wie in den vorausgegangenen Bänden, so gewinnt
H. auch hier aus den Quellen vielfach ein anderes Bild
von den Persönlichkeiten und Regierungshandlungen einzelner
Päpste, als man es gewöhnlich antrifft. So hält

rabulistischen Advokaten, ein fadenscheiniges Gewebe aus Willkür und
Verdrehung" (S. 331). Mit den Tatsachen ist Innocenz, „wo es ihm
paßte, bisweilen recht frei umgegangen" (S. 380). „Unbedenklich hat
Innocenz . . . weltliche Vorteile als Lockspeise angeboten, Notlagen ausgenutzt
bis zur Erpressung, Täuschung und List nicht verschmäht"
(S. 444). „Das Geld hat er zu schätzen und zu finden gewußt, wie
seit Gregor VII. keiner seiner Vorgänger" (S. 445). Dagegen ist sein

er Cöliestin III. (1191—98) durchaus nicht für den erster Aufruf zu Gunsten des hl. Landes v. J. 1198 „eines der beredte

matten, willenlosen Greis, als der er sonst geschildert
wird (S. 279, vgl. S. 584). Dagegen wurden in der ersten
Hälfte des 12. Jahrhunderts die Päpste in ihren
Entschlüssen mehr durch Einwirkungen ihrer Umgebung
als durch eigenes Wollen geleitet, und erst Hadrian IV.

sten und schönsten unter den zahllosen Schriftstücken, die aus seiner
Feder geflossen sind" (S. 360). Und von einer Entscheidung in der
Rechtssache eines kleinen flandrischen Klosters „kann man nur sagen,
daß sie ein Muster von Billigkeit und Weisheit ist" (S. 409). Besonders
dunkle Punkte sind sein Stellungswechsel in Sachen des 4. Kreuzzugs
und lateinischen Kaisertums in Konstantinopel und die erfinderische

gelang es, die Richtung seiner Politik nach eigenem Er- Dia,eku^= ^'M^Z^JT^ETZS

messen zu bestimmen (S. 112). Alexander III. aber ge- ; serkrieg und die Art seiner Führung (s. 411 ff.).

rät bei seiner Schwäche wieder in Abhängigkeit von den Beim Lesen dieses Bandes kommt einem wieder zum Bewußtsein

Kardinälen, und aus ihrer Uneinigkeit erklaren Sich das j wie oft doch in der Geschichte dieselben oder ähnliche politische Er-

Unsicherc Verschleppen von Entscheidungen, die halben j scheinungen, Zusammenhänge, Erfindungen und Verleumdungen auftreten,

und trägen Entschlüsse, die man seitdem der Kurie zum So hat Alexander III. im Kampf gegen Kaiser Friedrich „tingescheut

Vorwurf machen konnte, bis Innocenz III. das Heft wie- das Schreckbild kaiserlicher Weltherrschaftspläne an die Wand gemalt"

der selbst in die Hand nahm und die Politik einheitlich | }» 146>' und desgleichen Innocenz III. gegen Otto IV., nachdem er

lenkte (S. 300 f.). Besonders verhängnisvoll wirkte sich i ™ ve™°r , i lu i, i n t £ ?l P?s,tl,m nie nach Welt"

, V, "«■•/• " , 6 .. __ i herrschaft gestrebt hatte! Derse be Papst beruft sich auf Hie n

das zaghafte schwankende und schwächliche Verhalten keit des Eides und der Verträge (s. 337), der vc,Ed ento det wo
Alexanderstili, beim Trauerspiel, aiu. dessen, Opfer Tho- er sich davon Nutzen verspricht. Das „europäische GleichgewicM"
mas Becket wurde. „Den Krieg für die Freiheit der Kir- ; spielte schon damals, wenn auch nicht dem Worte nach eine Rolle
che in England, in dem der Vorkämpfer gefallen war, (S. 149). Die Vorliebe des Papsttums für Frankreich trotz'aller Widerhat
er verloren. . . Für sich selbst haben Papst lind spenstigkeit und Falschheit seines Königs, Philipp IL, tritt auch bei
Kurie zu sorgen gewußt, an die Freiheit der Kirche in Innocenz III. zu Tage. „Er hatte offenbar für den König von Frank-
England haben sie weniger gedacht" (S. 208f.). „Nie- j reich ein besonderes Maß" (s. 303, vgl. s. 369).
mals hat Alexander III. die Lage beherrscht, immer I» diesem zweiten Teil kommen nun die „Nachweise
den Kräften nachgegeben, die von nah und fern auf ihn I "nd Erläuterungen" auch für den ersten Teil des Bandes,
wirkten. . . Oberall ist er der Zögernde, Geschobene, auf H. führt in ihnen wieder eine schneidige Klinge. Beson-
den alles einredet, dem man unerbetene Ratschläge er- ders beachtenswert sind seine Ausführungen über Heinteilt
, den man mit Vorwürfen bis an die Grenze der Miß- ricns VI. Angebote an die Kurie und ihre Bedeutung
achtung überhäuft" (S. 229). Gewiß ein anderes Bild I (s- 576ff- zu S. 268 ff.).

von der Persönlichkeit dieses Papstes, als es der Vorgang ] München Hug0 Koch