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Ausgabe:

1939

Spalte:

285-287

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rad, Gerhard von

Titel/Untertitel:

Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs 1939

Rezensent:

Rudolph, W.

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285

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 8/9

286

Karutz, Prof. Dr. Richard: Die Afrikanische Seele. Erster Versuch
einer Afrikanischen Geistesgeschichte. Basel: R. Geering 1938.
(356 S.) gr. 8°. RM 7.20.

Karutz, der Direktor des Musems für Völkerkunde in Lübeck, dem
er »zum Tag seines 45 jährigen Bestehens" auch dieses sein neuestes
Buch widmet, will in ihm, um einem Kampf Afrikas mit Europa vorzubeugen
, die „Wesensquellen" des Afrikaners aufzeigen, die er selbst
bald nicht mehr verstehen wird und der Europäer schon allgemein nicht
mehr versteht. Und zwar findet er jene vor allem in der Anthroposophie
Rud. Steiners, zu der er sich schon in früheren Veröffentlichungen bekannt
hat und die auch hinter Glauben und Aberglauben des Afrikaners
stehen soll.

Diese Deutung der afrikanischen Seele gilt freilich eben nur für
denjenigen, der K.s Voraussetzung teilt; andern erscheint sie vielfach
mindestens als künstlich, wie sich auch in der Erklärung und manchmal
schon der Beschreibung sonstiger religiöser Anschauungen und Gebräuche
bei ihm gelegentlich Irrtümer finden. Aber als außerordentlich
reichhaltige Sammlung von ethnologischem Material behält seine Schrift
unter allen Umständen ihren Wert.

Bonn Carl Clemen

ALTES TESTAMENT

Junge, Ehrhard: Der Wiederaufbau des Heerwesens des Reiches
Juda unter Josia. Stuttgart: W. Kohlhammer 1937. (IV, 100 S.)
L'r. 8° = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament,
hrsg. v. A. Alt u. G. Kittel. 4. Folge, Heft 23. RM 5.70.

Junge gibt in seiner sorgfältigen Studie ein anschauliches
Bild der Entwicklung des israelitischen Heerwesens
von der ältesten, vorstaatlichen Zeit bis zur Regierung
Josias. Das älteste Fundament des israelitischen
Heeres bildete der Heerbann. Zuerst umfaßte er die
waffenfähigen Männer des Einzelstammes. Schon frühe
schlössen die Heerbanne der einzelnen Stämme sich zu
einer Amphiktionie mehrerer Stämme zusammen. An der
Spitze stand der charismatische Führer. Endgültig waren
die einzelnen Heerbanne unter Saul und David vereinigt.
Letzterer ergänzte den schwerfälligen Heerbann durch
tüchtige, aus Söldnern gewählte Berufssoldaten. Salomo
führte die Artillerie, Pferde und Streitwagen ein und
brachte sie in eignen Festungsstädten unter. Für die
militärische Auseinandersetzung mit Assur wurden im
8. Jahrh. ungeheure Rüstungen von Israel vorgenommen
(cf. Jes. 2,7. 30, 16). Das lahr 701 zog den Schlußstrich
unter die bisherige Entwicklung (S. 97). Damals wurde
Juda vollständig entmilitarisiiert. Sanherib nahm den Ju-
däern alles Militär weg und stellte es in das eigne Heer
ein (S. 26). Im Zusammenhang mit der antiassyrischen
Bewegung im Zeitalter Josias steht die Wiederwehrhaft-
machung Judas durch den König. Nach Orten und Sippschaften
wird neu der Heerbann reorganisiert. Die Aushebung
wird von der militärischen Führung unabhängig
gemacht und dem Staatskanzler unterstellt. Der Heerbann
übernimmt auf den Festungen den Dienst der stehenden
Besatzung.

Dies in kurzen Zügen das Hauptergebnis der Arbeit
Junges. Zu wünschen wäre gewesen, daß der Verfasser
auch die Bewaffnung des Heeres in seine treffliche Abhandlung
hereingezogen hätte, wobei der fremde Ursprung
einzelner Waffennamen zu berücksichtigen war.
Gern würde man ferner Näheres über die Kampfweise
erfahren. Der Verf. sollte sich nun verpflichtet fühlen
eine zusammenhängende Oeschichte des israelitischen
Heer- und Kriegswesens bis zum Ende Judas durch die
Römer zu schreiben. Den Höhepunkt der semitischen
Kriegsführung bedeutet Hannibal, der größte Feldherr
der Antike.

Neckargemünd b. Heidelberg Georg Beer

Rad, Prof. Gerhard von: Das formgeschichtliche Problem des
Hexateuchs. Stuttgart: W. Kohlhammer 1938. (VI, 72 S.) gr. 8°
= Beitr. z. Wissensch, v. Alten und Neuen Testament, Vierte Folge,
Heft 26. RM 4.50.

Die heutige Homer-Exegese oder etwa die germanische
Epenforschung hat bewußt und energisch aus der
Zergliederung und Zerfaserung der Texte den Weg zur

Ganzheitsschau eingeschlagen, vgl. den schönen Vortrag
von Wolfgang Schadewaldt über Homer und die Homerische
Frage in „Die Antike" 1938, S. 1—21 oder Andreas
Heusler, Nibelungensage und Nibelungenlied 1920. Den
gleichen Weg sucht von Rad in der vorliegenden Studie
anzubahnen. Nicht als ob Mose als der Verfasser des
Pentateuchs nachgewiesen werden sollte; „der Hexateuch
in seiner jetzigen Gestalt ist entstanden durch die Hand
von Redaktoren, die das Glaubenszeugnis jeder Quellenschrift
in seiner Eigenart gehört und für verbindlich gehalten
haben" (S. 72), und aus ihm „reden Offenbarungen
und Glaubenserfahrungen vieler Zeiten" (ib.). Aber
die ganze Fülle der Zeugnisse in dem zunächst so verwirrenden
Riesenwerk ist zuletzt einem einfachen Hauptanliegen
untergeordnet, dem Landnahmegedanken, dessen
Darstellung in allen Quellen und auch in den außerhexa-
teuchischen Traditionen nach einem so einheitlichen Schema
geschieht, daß dieses vor der Literaturwerdung geprägt
sein muß und man nach seinem „Sitz im Leben"
zu fragen hat. Diesen findet R. im Kultus, aus dem
„kleinen Kredo" Dt. 26, 5 ff. und ähnlichen Stellen (Dt.
6, 20 ff., Jos. 24, 2 ff., Ps. 136. 105, Ex. 15 u.a.) schließt
er, daß „die feierliche Rezitation der Hauptdaten der
Heilsgeschiehte einen festen Bestandteil des altisraelitischen
Kultus gebildet haben muß" (S. 7). Dabei legt
er Wert auf die Feststellung, daß die Sinaitradition (d. h.
die Ereignisse von Ex. 19—34 bzw. Ex. 19 bis Nm. 10)
und die Landnahmetradition von Haus aus unabhängige
Traditionen waren: wie sie sich theologisch unterscheiden
— die Sinaitrad. redet vom Kommen des fordernden
Gottes zu seinem Volk, die Landnahmetrad. von
Jahwes Gnadenwillen in der Führung seines Volkes
(S. 37. 50) —, so ist auch ihre kultische Wurzel verschieden
: die Sinaitrad. hat ihren kultischen Sitz im
Laubhüttenfest der alten Jahweamphiktyonie in Sichern,
die Landnahmetrad. war ursprünglich in dem Heiligtum
von Gilgal bei Jericho zu Hause und wurde (wegen
Dt. 26, 5 ff.) am Wochenfest rezitiert. Erst der Jahwist
hat beide Traditionen vereinigt, wie er überhaupt es war,
der die vom Kult sich lösenden Stoffe auffing und unter
mächtiger Ausweitung des alten Schemas alle Ereignisse
von der Schöpfung bis zur Landnahme als göttliche
Fügung, den David aber als Vollstrecker des göttlichen
Heilswillens verstehen lehrte. Durch das jahwisti-
sche Werk ist die Form des Hexateuchs endgültig festgelegt
, E und P schaffen in dieser Beziehung nichts
Neues.

Die Würdigung der literarischen und theologischen
Eigenart des Jahwisten (S. 46—68) ist das Glanzstück
von R.'s Darstellung, auch darin ist er sicher im Recht,
daß er dem Kult eine wesentliche Rolle in der Tradierung
der Hexateuchstoffe zuschreibt. Nur wird man
sich dabei nicht einseitig auf den Kult festlegen dürfen:
wenn wir später immer wieder lesen, daß die Väter ihren
Söhnen Tatsachen der Heilsgeschichte erzählen oder erzählen
sollen (Ex. 10, lf. 12, 26 f. 13,8. 14 f., Dt. 4, 9 b.
6, 20 ff., Jos. 4, 6 f. u. a.), so darf man daraus schließen,
daß es von Anfang an neben der kultischen eine profane
Tradierung gab, wobei sich schwer ausmachen lassen
wird, wieweit die profane Ausformung der Heilsgeschichte
von der kultischen abhängig ist. Sind doch auch
jene Psalmen, die die Heilstatsachen aufzählen, durchaus
nicht bloß Kultpsalmen, sondern auch solche belehrender
Art (vgl. bes. Ps. 78,1—4 und Gunkel-Begrich,
Einl. in die Psalmen, 1933, S. 3251), und die vielen
Einzelüberlieferungen, die der Jahwist in die Landnahmetradition
einbaute und die keineswegs (gegen S. 44) „fast
ausschließlich ehemals sakral gebundenes Geistesgut"
waren (vgl. etwa die Jakob- oder die Josef- oder die
Bileamgescliichte), müssen auch irgendwo ihren Ort gehabt
haben. — Auch wenn man annimmt, daß die Sinaitradition
vor dem Jahwisten ein Sonderdasein geführt
hat, darf man m. E. als Beweisgrund dafür nicht die Tatsache
angeben, daß diese in dem „kleinen Kredo" Dt.
26,5 ff. und in verwandten Rezitierungen der Heilsge-