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Ausgabe:

1939 Nr. 1

Spalte:

10-13

Autor/Hrsg.:

Ehrhard, Albert

Titel/Untertitel:

Die griechische und die lateinische Kirche 1939

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 1.

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und Lernen, auch und gerade, wo man meint, „griech. Grammatik" bereits
zu beherrschen. Je fester solche Meinung herrscht, desto eher
pflegt sie sich als irrig zu erweisen.

Der Druck ist so untadelig korrekt wie die Darstellung. Philologen
wären vielleicht darauf hinzuweisen, daß K. Holls Aufsatz „Das Fortleben
der Volkssprachen in Kleinasien in nachchristl. Zeit" jetzt bequemer
in den Ges. Aufsätzen II 238—248 zu finden ist.

Möchte, trotz der unsäglichen Mühe, dem H. Verf. wie uns bald
Fortsetzung und Vollendung geschenkt werden !

Koblenz. Peter Katz.

P r u c k e r, P. Dr. Fugen : T v (ö o 15 ©so 0. Untersuchungen zur
Bedeutung eines religiösen Begriffs beim Apostel Paulus und bei seiner
Umwelt. Würzburg: Rita-Verlag 1937. (141 S) 8° = Cassicia-
cuni. Eine Sammlung wiss. Forschungen über den hl. Augustinus u.
den Augustincrorden. Hrsg. von P. Dr. Lect. A. Kunzelmann und
P. Lect. F. Lang. Bd. IV. RM 4.70.

Neben den in Kittels Th. Wtb. 1/1933 erschienenen
Artikel yvOimc von Bultmann tritt die im Jahre 1934
abgeschlossene, erst 1937 veröffentlichte umfangreichere
Arbeit von P r u c k e r über denselben Begriff beim
Apostel Paulus. Es ist erfreulich festzustellen, wie gleich
die Arbeitsmethode, und wie gleich das Ergebnis ist, von
einzelnen Unterschieden natürlich abgesehen. Pr. ist
Schüler von K. Staab, was am stärksten und sehr vorteilhaft
in intensiver Benutzung der von St. herausgegebenen
Pauliiskommentare aus der griechischen Kirche
zu Tage tritt. — Der Untersuchung des Begriffs bei
Paulus geht voran eine Übersicht über „Das Erkennen
Gottes" in der Umwelt des Paulus, bei der man eine
größere Ausführlichkeit des 3. Kapitels über die Gotteserkenntnis
bei den Rabbinen gewünscht hätte; das Rab-
binentum ist doch die ursprüngliche geistige Heimat des
Apostels; die Auffassung des Begriffs bei den Rabbinen
muß darum für die Deutung des Begriffs des Christen
Paulus doch wohl die wichtigste sein — sei es in positiver
oder negativer Hinsicht.

Teil II behandelt den Begriff bei Paulus. Wie bei
einem katholischen Verf. nicht anders zu erwarten, werden
auch die Past. einbezogen, mit ihrem Lieblingsausdruck
fxiyvwu; <iXr|0eiac. Daß dieser Ausdruck zu den
älteren Paulusbriefen in keinem guten Verhältnis steht,
sieht jedoch Pr.; deswegen meint er eine Entwicklung
in der Verwendung des Begriffs bei Paulus feststellen
zu müssen: zuerst rede Paulus mehr von der Erkenntnis
Gottes und der Erkenntnis allein (Thess. Gal. Kor.
Rom.), dann von der Erkenntnis Christi (Gef.br.),
zuletzt von der Erkenntnis der Wahrheit (Past.)-
Gegen diese Einteilung habe ich schwere Bedenken; ich
kann vor allem schon die zeitliche Trennung der Gef.br.
von den sog. Hauptbriefen nicht mitmachen. Bei der
weiteren Untersuchung spielt jedoch diese auch sachlich
nicht einleuchtende Entwicklung im Sprachgebrauch des
Paulus bei Pr. keine Rolle mehr; so kann dieser Gedanke
hier übergangen werden.

Es folgt eine Übersicht über die verschiedene Verwendung
des Begriffs bei Paulus, die gut und klar ist.
Das Ergebnis ist, daß Paulus sowohl mystische (wobei
dieses Wort in wohltuender Weite gebraucht wird) als
auch ethische Gedanken mit dem Erkennen Gottes und
Christi verbindet, und daß er in der Verwendung des Begriffs
selbständig ist; Pr. leugnet keineswegs Beziehungen
zum Griechentum, zum A.T. und zum Judentum —
aber im Vordergrund steht doch der Nachweis, wie unabhängig
Paulus in der Benutzung auch dieser Vokabel
ist. Dies scheint mir das wichtigste Ergebnis, dem man
völlig beistimmen kann. Pr. setzt das Yvnbo**w Xqiotöv
schließlich in Parallele zum £v Xgio-np elvm: „Christus
kennen bedeutet sowohl die subjektive Hingabe, also die
Liebe zu Christus, wie natürlich auch ein gewisses Wissen
von ihm; das Hauptmoment aber liegt in der seinsmäßigen
Verbindung mit ihm; es ist das existenzielle
oder effektive Erkennen, das eine innere Anteilnahme
und eine innere Aufnahme des Erkannten besagt"
(S. 123). Dieses Zitat zeigt, wie richtig weit Pr. die pau-
linischen Gedanken faßt, und wie wenig er sie in starre
Formen preßt. Und das ist sicherlich auch der rechte

Weg zum Verständnis der Begriffe des Apostels, wie
seiner ganzen Gedankenwelt.

Unangenehm fallen in der auch die gesamte Literatur fleißig ausnutzenden
Arbeit sehr zahlreiche falsche Zahlenangaben auf: sie alle

! hier aufzuzählen, ist nicht möglich; nur einige Beispiele: S. 65, Z. 9 =
statt I. Thess. 4, 13: 4,23. — S. 65, Z. 1 v. u.: statt Deissmann, Paulus
1925: 1923. — S. 74, Z. 1 v. u.: statt 1929: 1926. — S. 74, Z. 2
und S. 75, Z. 9 v. u.: statt Rom. 3, 20: 3,21. — S. 115, Z. 3: statt

I L Cor. 6, 16: 7, 16. — S. 116, Z. 6: statt Rom. 2,20: 2,2. - S. 123,
Z. 4 v. u.: statt Rom. 4,25: 5,24 usw. usw. Das sind nur wenige Bei-

' spiele ans einer sehr viel längeren Reihe. Dal! demgegenüber auf S. 10
um die Verbesserung von nur 3 falschen Zahlenangaben gebeten wird,
wirkt nicht günstig. Auch orthographische Druckfehler sind zu häufig.
Es ist doch nicht schwer, solche Fehler zu vermeiden, und liegt doch

| nicht nur im Interesse des Lesers wie des Verfassers, sondern auch un-

1 serer wissenschaftlichen Arbeit überhaupt.

Riga. H. Seesemann.

Ehrhard, Albert: Die griechische und die lateinische Kirche.

Bonn: Verlag der Buchgemeinde 1937 (456 S.) gr. 8° = Die katholische
Kirche im Wandel der Zeiten und Völker. I. Bd., II. Teil: Die
altchristlichen Kirchen im Westen und Osten I. RM 5.80.

Den Plan, den sich E. für sein auf drei Bände berechnetes
Werk „Die katholische Kirche im Wandel der
Zeiten und der Völker" zurecht gelegt hatte, habe ich
I bei der Anzeige des ersten Teiles („Urkirche und Frühkatholizismus
") des ersten Bandes („Die Kirche im Bereich
der alten Völker") in dieser Ztg. 1936, Sp.
327 ff. angegeben. Der zweite Teil dieses ersten Bandes
sollte sämtliche altchristlichen Kirchen im Westen und
im Osten behandeln. Es wurde aber notwendig, die
östlichen Kirchengebiete, nämlich die byzantinische
< Reichskirche, die von ihr abhängigen orthodox-slawischen
und die orientalischen Nationalkirchen einem dritten
Teil dieses Bandes vorzubehalten, und im vorliegenden
zweiten Teil nur die griechische und die lateinische
Kirche auf ihrer Lebenshöhe und die Ausgänge der la-
j teinischen Kirche bis zum Beginn des Mittelalters darzu-
1 stellen. Leider wurde die Anzeige dieses Buches durch
lange Krankheit und schwere Operation verzögert.

Die Abschnitte dieses zweiten Teiles haben also ver-
1 schiedene zeitliche Endpunkte: während die Geschichte
, der lateinischen Kirche bis zu Papst Gregor I. geführt
I wird, schließt der Abschnitt über die griechische Kirche
I bereits mit dem Konzil von Chalcedon, und die nächste
Folgezeit wird als „Übergangszeit der altchristlich-griechischen
zur byzantinischen Kirche" (S. 343) dem dritten
Teil zugewiesen. Diese Grenzsetzung hat die leidige
Folge, daß S. 326—332 die Nachwirkungen des Drei-
I kapitelstreites im Abendland geschildert werden, dessen
1 Ursprung und Verlauf in der griechischen Kirche noch
gar nicht behandelt ist. Und eine zweite Folge besteht
darin, daß die offenkundige Abhängigkeit der abendländischen
Kirche, besonders des Papsttums, von der
justinianischen Reichskirche nicht zur Geltung kommt.

Die Vorzüge der E.sehen Kirchengeschichtsschrei-
bung habe ich schon bei der Anzeige seiner „Kirche
der Märtyer" 1932 (in dieser Ztg. 1933, Sp. 177)
hervorgehoben, und ich brauche sie hier nicht zu wiederholen
. Auch dieses Buch wird niemand aus der Hand
! legen, ohne daraus Belehrung gezogen zu haben. Selbst
; wo seine Ausführungen Widerspruch wecken, wirken
sie anregend. E. stellt auch nicht bloße Behauptungen
auf, sondern sucht sie aus den Quellen, die er reichlich
anführt, zu beweisen. Seine Darstellung der abendländi-
I sehen Bußdisziplin dieser Zelt (S. 272 ff. u. 419 ff.) ist
eine förmliche Auseinandersetzung mit der Auffassung
Poschmanns, und er tritt der Anschauung Adams von
einer „kirchlichen Geheimbuße" seit Augustin bei. In
den Kapiteln über „Das kirchliche Glaubens- und Geistesleben
" (S. 85 ff . 204 ff. 360 ff.) kennzeichnet er die
j Lebensgänge, üeistesvorzüge und Geistesgrenzen, Tugenden
und Schwächen und das literarische Schaffen der Bi-
I schöfe und Theologen mit voller Beherrschung der Quellen
und der neuesten Forschung. Vielleicht ist er hier-
| bei sogar zu sehr in literargeschichtlkhe Einzelheiten
gegangen. Aber der Forscher kann ihm dafür nur dank-
l bar sein.