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Ausgabe:

1939 Nr. 7

Spalte:

266-268

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Fendt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Grundriß der Praktischen Theologie 1939

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 7

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mende Person geschaffen (S. 49). Oesetz, Sollen, Entscheidung
gehören also wesenhaft zum Verhältnis, wie
es sich Gort zum Menschen gegeben hat, freilich so,
daß Gott nur als Schaffender und Schenkender fordert,
aber so wirklich fordert, das frei persönliche Ja, die
Selbstbestimmung gemäß der anerschaffenen Bestimmung
fordert. Auch der Tod ist nicht einfach kausal durch die
Sünde bedingt, er ist zunächst die kreatürliche Grenze
des Daseins und vom Menschen in Beugung unter Gott
als solche anzuerkennen, er bekommt aber beim sündigen
Menschen durch die Sünde seine besondere Gestalt
. Die phänomenologische Ausdeutung der Gottebenbildlichkeit
wie hernach der Sündigkeit des Menschen
erweitert in beachtenswerter Weise die gewöhnlich
enger gezogene Betrachtung der Dogmatik, — ein Vorzug
der monographischen Behandlung.

Von der Sünde wieder ist nach B. nur zu handeln
in enger Zusammenschau mit der Geschöpflichkeit des
Menschen, der Mensch ist immer nur als Geschöpf
und Sünder zugleich zu verstehen (S. 146 f.), niemals
ist Geschöpflichkeit als solche Sünde (S. 114), die
Sünde hebt ja die Geschöpflichkeit, die Unfreiheit der
Sünde die geschöpfliche Freiheit nicht auf. Hier wendet
sich der Verf. gegen die Trennung von Akt und
Sein (nur im Akt tritt uns das Sein, in der Tatsünde
die Personsünde entgegen S. 107), gegen die in der
kirchlichen Theologie nicht ganz überwundene Augu-
stinische Erbsünden- (genauer Vererbungssünden-)lehre,
überhaupt gegen allen Naturalismus im Verständnis
■der Sünde. Die Adamshistorie gibt uns keine Erklärung
der Sünde, sie ist lediglich als Veranschaulichung
zu würdigen; sie stellt nicht eine Vorgeschichte dar, sondern
eine Deutung aller menschlichen Geschichte im
Licht der Ewigkeit (S. 128ff.); im gegenwärtigen sündigen
Akt weiden wir des verlorenen Urstandes inne (S.

131) . Ist Verf. gerade im Herausheben der mannigfachen
Fehlurteile stark und im Recht, so fällt es ihm
doch schwerer, dem geheimnisvollen Zusammenhang der
Sünde einleuchtend Ausdruck zu geben („je und je"
S. 113). Hier wären noch manche Fragen anzuknüpfen.
Frei und unfrei soll der Sünder sein, der Geschöpf bleibt.
Wird jenes Freisein nicht durch die Sünde begrenzt
oder näher bestimmt? Muß also nicht doch zwischen
zweierlei Art Freiheit unterschieden werden? Wenn wir
von uns aus nicht mehr in die ungebrochene Haltung
zurückkehren können (S. 130, 138, 140), so ist das
doch keine unentschiedene Entscheidungsmöglichkeit (S.

132) mehr! Also gerade das Zugleich von Geschöpflichkeit
und Sünde bringt schwerste Probleme; hier hätte
das Denken neu einzusetzen, gerade der Selbstwiderspruch
, der innere Zwiespalt im Menschen wäre nun zu
verfolgen. Ebenso steckt in Luthers Gedanken vom verknechteten
Willen eine Wahrheit, die mir hier noch nicht
ganz erreicht scheint. Immerhin: Der Schatten folgt
dem Licht! Es ist eine Kunst, die eigentlich bis jetzt niemand
geglückt ist, auch für die Sünde alle Seiten (persönlicher
Charakter — übergreifender Zusammenhang)
gleichmäßig zur Geltung zu bringen. — Es fällt mir
übrigens auf, daß E. Hirschs wichtige Schrift „Schöpfung
und Sünde in der natürlich-geschichtlichen Wirklichkeit
des einzelnen Menschen" nicht beachtet ist.

Zu den letzten Abschnitten sei noch bemerkt: es genügt
doch nicht, die Erlösung als eschatologische Folgewirkung
der Versöhnung zu verstehen; Erlösung steht
selbständig neben Versöhnung, geht mit ihr Hand in
Hand, ich verweise hierfür auf die Doppclaussage Hebr.
2,14. 17. Aber sehr trefflich wird die Erweckung des
versöhnten Menschen zu neuer eigener Tathaftigkeit (S.
16), zu freiem Dienst, zu einem neuen Werkwillen (S.
180 ff.) hervorgehoben. Verf. weiß, was heute von vielen
erst wieder errungen werden muß, daß Gnade nicht
nur Begnadigung, sondern auch Begnadung und Begabung
umfaßt, daß sie nicht passiv macht, sondern
aktiv, daß Rechtfertigung nicht bloß ein eschatologisch
bezogenes Urteil Gottes über den sonst seiner Natur
überlassenen Menschen bedeutet (weder bei Luther noch

; im N.T.), sondern eine umfassende Neubegründung sei-

| nes persönlichen Lebens vor Gott in Christus.

Ein gesunder Geist weht durch diese Schrift und setzt
sich mit den kranken Instinkten auseinander, die in der
Theologie der letzten Jahre reichlich zu Wort gekommen

j sind (Sollen als Zeichen der Sünde! Rechtfertigung
als rein jenseitiger eschatologisch gerichteter Gottes-

j spruch!). Die Theologie der Krisis, die sich an den
zerbrochenen Menschen wandte und ein verkürztes Bild
vom Menschen voraussetzte, geht zu Ende. Eine Theologie
des Aufbaus, die spürt, daß Gottes Schöpfergeist

j neue positive Kräfte auf den Plan ruft, kommt herauf,
wird kommen, weil wir verpflichtet und berufen sind,

i zu den Menschen unserer Zeitenwende in Aufgeschlossenheit
für ihre Fragen und Nöte, aus neuen Horizonten

! heraus zu reden. In dieser Hoffnung bestärkt mich
W. Bachmanns wertvolle Schrift vom Menschen.

Tübingen Georg Wehrung

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Fendt, Prof. D. Dr. Leonhard: Grundriß der Praktischen Theologie
für Studenten und Kandidaten. Abt. 1—3. 1. Grundlegung
, Lehre von der Kirche, vom Amt und von der Predigt; 2. Lehre
von der Feier, von der religiösen Erziehung, vom kirchlichen Unterricht
; 3. Lehre von der Seelsorge, von der inneren und äußeren Mission,
vom Kirchenrecht. Tübingen: J. C. B. Mohr 1938 —39. (398 S.) 8°.
Abt. 1 erschien 1938; Abt. 2—3 folgten schnell; das
Buch ist vollständig. Die Abteilungen haben fortlaufende
Seitenzählung und ein gemeinsames Sachregister
! (dazu s. u.). Daß der Grundriß sichtlich, wenngleich
| unausgesprochen, den meinigen ersetzen soll, ist für
meine Beurteilung selbstverständlich in keiner Weise bestimmend
, um so weniger, als eine 4. Auflage des meinigen
aus äußeren und inneren Gründen nicht wird erscheinen
können. Fendt macht es einem Vertreter der
älteren Prakt. Theol., zu der ich rechne, leicht, sein Buch
positiv einzuschätzen. Er huldigt nicht der rücksichtslosen
Verwerfung alles von der Prakt. Theol. früher
Erarbeiteten, geht vielmehr seinerseits gegen die Art
I der „neutheologischen Bewegung", sich zur kirchlichen
Praxis zu stellen, scharf vor (30 ff.) und knüpft überall
an die bisherige Arbeit selbständig, aber in vielen
Stücken in freundlicher Würdigung an.

Die P. Th., die sich ja erst seit Schleiermacher zu
einer eigenen Wissenschaft durchgekämpft hatte, wurde
im letzten Menschenalter, ganz besonders aber nach dem
Weltkrieg, vor allem nach drei Seiten hin scharf kritisiert
: als grautheoretisch-systematisierend, als historizi-
stisch und psychologistisch. Dieser Kritik lagen gewisse
richtige Beobachtungen zu gründe, aber sie verallgemeinerte
ganz unzulässig und schoß in jeder Hinsicht
weit über das Ziel hinaus. Es ist durchaus erfreulich,
daß, wie mein Grundriß, nun auch F. der P. Th. den
Wissen schaftscharakter ohne ein überflüssiges
Systematisieren wahrt, das Recht, ja die Notwendigkeit
geschichtlichen Unterbaus nachdrücklich betont, ja
selber einen solchen bietet- „Wenn die Verbindung zur
Wissenschaft hier außer acht gelassen oder geringge-
i schätzt wird, dann wird bald die ganze „kirchliche
I Praxis" mitsamt den „Pastoraltheologien" als eine
| törichte oder gar lebensfeindliche Beschäftigung erschei-
, nen" (29). Man wird F.s Forderung der Wissenschaftlichkeit
der P. Th. durchaus ernstzunehmen haben, als
; eine besondere Note dabei aber die Betonung der Mitar-
' beit an der heute in Deutschland emporstrebenden Wis-
; senschaftsarbeit ansehen müssen. Dabei verweist er auf
die Arbeit zur Erforschung der mit „Rasse" umschriebenen
Wirklichkeit (33). Handelt es sich wirklich um ernste
1 Erforschung der Wirklichkeit, und hält die P. Th. dabei
die ihr als „theologischer Theorie" gezogenen
Grenze klar inne, so ist diese Ergänzung zutreffend.
Der historischen Arbeit in der P.Th. wahrt schon
die Definition S. 4 das Recht („theologische Theorie,
; welche die im N.T. vorausgesetzte kirchliche Praxis er-