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Ausgabe:

1939 Nr. 7

Spalte:

264-266

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bachmann, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Gottes Ebenbild 1939

Rezensent:

Wehrung, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 7

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Alle diese Vorgänge zu verfolgen, ist zur heutigen
Stunde sehr lehrreich, zumal es Wernle versteht, das aTies
in sehr lebendiger Weise aus der Vergangenheit herauf
zu beschwören. Er belegt seine Ausführungen durch ein
immenses, in Archiven aufgestapeltes Material, das bis
ins Einzelste hinein geht, und bearbeitet es in solcher
Gründlichkeit, daß diese Epoche nie mehr geschrieben
zu werden braucht. Oft hat man das Gefühl, der Leser
ertrinke in dem allzu lokalen Stoff, aber dann gelingt
es dem Autor immer wieder, die ganze Betrachtung auf
das Niveau einer Kulturgeschichte zu erheben. Man sieht
deswegen mit Spannung dem zweiten Band entgegen, der
sich druckfertig im Nachlaß befinden soll und der den
Zusammenbruch dieses in sich unmöglichen Experimentes
darstellen wird.

Stein (App) Walter Nigg

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Wenzl, Univ. Prof. Aloys: Philosophie als Weg von den Grenzen
der Wissenschaft an die Grenzen der Religion. Leipzig: F. Meiner 1939.
(VIII, 186 S.) gr. 8°. RM 6-; geb. RM 7.50.

Der Vf. schreibt der Philosophie die Aufgabe zu,
„die gesamte Wirklichkeit der Fragestellung nach dem
Grundsätzlichen und Wesentlichen zu unterstellen . . .
unter Aufzeigung der Grenzen und der Überschneidungen
von Wissenschaft, Philosophie und Religion" (S. 7). Die
welthafte Seite der Wirklichkeit wird wissenschaftlich
festgelegt im „Weg von unten". Über sie gibt der Entwurf
einer ersten Axiomatik (S. 127—130) Auskunft.
Der Vf. nimmt darin die Ergebnisse seines Buches
„Wissenschaft und Weltanschauung" Leipzig 1936 (S.
IQ—272) auf. Erst im letzten Drittel der neuen Schrift
führt er im „Weg von oben" (S. 137 ff.) neue Perspektiven
vor. Die Verbindung zwischen beiden Wegen liegt
vor in der Feststellung folgender Identitäten aus der ersten
und der zweiten Axiomatik (diese Feststellung liefert
die zweite Axiomatik): 1. Die gemeinsame Wurzel
alles Seienden ist Geist (vgl. aus der 1. Axiomatik
S. 127. 1. „Alles Seiende tritt als Individuum auf und
ist seelischen Wesens"). 2. Die Menschen als Träger
dieses Geistes wollen sich selbständig machen (vgl. aus
der 1. Axiomatik S. 127. 3 a. „Es besteht die Tendenz
zur Verselbständigung des ursprünglich Unselbständigen
"). 3. Mit der Verselbständigung ist die Loslösung
von dem Grund d. h. von Gott eingeleitet. Sie ist die
Quelle des Leids (vgl. aus der 1. Axiomatik S. 128 6c
„... est ist in der Welt ein Widerstreit zwischen ... glückhaftem
und leidvollem . . . Sein"). Aus diesen beiden
Axiomatiken ergeben sich folgende religionsphilosophische
Ergebnisse: 1. Gott ist der Träger des umfassenden
Geistes. 2. Sein Wille will die Verselbständigung der
Subjekte. 3. Darin liegt der Grund für den Abfall des
Menschen von Gott. Hier liegt nach Wenzl das Grenzgebiet
von Philosophie und Religion (S. 125). Die
Wirklichkeit der Unvollkommenheit und der Sinnwidrigkeit
der Welt ist die eigentliche Triebfeder für das Betreten
des Weges von oben (vgl.S. 115, 128,132, 133,141,
144, 165). Diese Anschauung ruht auf der Anerkenntnis
, daß Gott vollkommen, aber die Welt unvollkommen
ist (S. 132). Über solche Anerkenntnis hinaus
kann die Philosophie nicht gelangen. Die Erlösung aus
diesem Zwiespalt vermag sie nicht zu geben (S. 144).
So ist auf dem Weg von oben nur ein leerer Gottesbegriff
zu gewinnen. Er ist der Gegenstand einer Religion
als „Glaube an eine unmittelbare Offenbarung"
(S. 118). Als „echte Religion" (S. 118) aber wird
man dies nicht bezeichnen dürfen, wie Wenzl es tut,
wenn man am Absolutheitsanspruch der christlichen Religion
festhält. Denn deren Größe und Eigentlichkeit
liegt gerade in ihrer in Jesus Christus Wirklichkeit gewordenen
Mittelbarkeit. Indessen wird das philosophische
Denken immer von der Unmittelbarkeit zu Gott

! reden müssen, wenn es nicht vorzieht, sich vor der mit-
j telbaren Faktizität in der Menschwerdung zu beugen.
Berlin Walter Karowski

Bachmann, Wilhelm: Gottes Ebenbild. Ein systematischer Entwurf
einer christlichen Lehre vom Menschen. Berlin: Furche-Verlag
[1938]. (216 S.) gr. 8° = Furche-Studien. Band 20. RM 5.60; geb. 6.80.
Diese Schrift will im Unterschied zu anderen neueren
monographischen Ausführungen nicht bloß den wirklichen
, von Christus unberührten Menschen, sondern
| auch den erlösten, ja der Vollendung teilhaftig werden-
| den Menschen beschreiben, also die ganze Dogmatik daraufhin
abhören, was sie über den Menschen insgesamt
zu sagen hat. Doch nicht sowohl die äußere Ergänzung,
j die obendrein ziemlich kurz ausfällt, stellt das eigentlichste
Neue an ihr dar, als die innere Ausweitung oder
der entscheidende Ansatz in der Rede vom Menschen:
dies, daß die Geschöpflichkeit des Menschen, d. h. zu-

fleich die Schöpfungsoffenbarung an den Menschen im
inn der Schrift, besonders des Römerbriefes, klar und
unverkürzt aufgerichtet werden müsse, wenn wir in der
Theologie sachgemäß vom Menschen handeln wollen.
Eine sehr wichtige Einsicht, die in der Tat allen Urteilen
über den Menschen erst ihren Halt und ihre
wahre Gestalt gibt, eine nicht nur wichtige, eine ebenso
richtige und notwendige Einsicht! Eine nicht geringe
i Aufräumungsarbeit wird vom Verf. in seiner Schrift mit
] jugendlichem Mut vollzogen; ein erfreulich gesunder
j Sinn lehnt sich gegen die Verzeichnungen des Menschenbildes
auf, die in letzter Zeit bei uns im Umlauf waren.
Hinter dem Verf. stehen als Gewährsmänner Büchsei
und Brunstäd, Lütgert und Schlatter, — auch R. Seeberg
überschreibt einen § „der Mensch als gottbildliches
freies Personwesen". Wir sehen so fast einen norddeutschen
unpietistischen Typus der Theologie sich gestalten,
der offenbar eine bedeutsame, in der Zeit der Theologie
der Krisis unterdrückte Wahrheit, die Wahrheit des
Schöpfungsglaubens, verficht — vielleicht auch mit einiger
Einseitigkeit, was im Augenblick wohl unvermeidlich
ist. Gegen den dreifach gegliederten Offenbarungsbegriff
sind zwar beachtliche Einwände erhoben worden;
gehen wir aber auf das in unserer Schrift zunächst damit
Gemeinte zurück, dann dürfen wir sagen: der Mensch
I kann nicht unter Absehen vom stetigen Schöpfungswalten
I Gottes verstanden werden; dieses schenkende Schöp-
1 fungswalten betrifft also den Menschen, wie wir ihn kennen
, es umgibt ihn und wird ihm kund, oder — so
möchte ich tortfahren — es kann ihm von der Botschaft
des Evangeliums in Erinnerung gebracht, er kann daraufhin
angesprochen, als schuldig hingestellt werden, so
daß er es nicht zu bestreiten vermag! Das Schöpfungswalten
und in dem genannten Sinn die Schöpfungs-
| Offenbarung charakterisieren zu allererst den Menschen:
I dies in seiner grundsätzlichen Bedeutung zu entfalten,
ist die nächste Aufgabe, die sich Bachmann stellt.

Es ist also nicht wahr, daß die Schrift am Menschen
nur Sünde, Schuld, Tod aufdeckt. Es ist nicht wahr,
auch nach der Schrift nicht, daß die Gottebenbildlichkeit
I dem Menschen durch den Fall einfach verloren gegan-
| gen sei, daß sie nur noch in der Erinnerung Gottes
[ an die ursprüngliche Schöpfungstat bestehe. Es ist
] ebenfalls unannehmbar, daß alle geschichtliche Entschei-
j dung als solche wesenhaft sündig sei (ein köstlicher
I Satz Kierkegaards wird S. 44 dagegen angeführt), oder
j daß das Sein unter dem Gesetz schlechterdings Sünde
I voraussetze (S. 85), daß also die Form des Solleus
| Anzeichen einer durch den Sündenfall hervorgerufenen
Verkehrtheit sei (S. 101). Vielmehr deckt die Schrift
I vor allem anderen die unverlierbare Geschöpflichkeit,
; ja geschöpfliehe Würde des Menschen auf; die üott-
[ ebenbildlichkeit kennzeichnet den Menschen überhaupt,
nicht bloß den paradiesischen Menschen; Gottebenbildlichkeit
ist ursprünglich Gabe und Aufgabe zumal: der
Mensch ist zum Ebenbild Gottes = zur Gemeinschaft
. mit Gott und als Ebenbild, als ihre Berufung verneh-