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Ausgabe:

1939 Nr. 7

Spalte:

257-258

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Köhler, Walter

Titel/Untertitel:

Erasmus von Rotterdam 1939

Rezensent:

Schmidt, Gerhart

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 7

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seit Krügers Geschichte der altchristlichen Literatur bis
Nicäa (1892), der überdies mit 325 abschließt, nur die
Darstellung von Lietzmann bei Gehrke-Norden. Die Darstellungen
von Stählin und O. Krüger in Iwan Müllers
Handbuch sind einzigartig, aber mehr Hand- als Lehrbücher
. Immer noch ist Bardenhewers monumentale
Sammlung unersetzlich. Um so mehr muß man es begrüßen
, daß ständig der kleine seit Jahrzehnten bestens
eingeführte Grundriß von Rauschen neu aufgelegt wird.
Nach Rauschens Tode hatte das nützliche Buch Joseph
Wittig betreut Nach ihm übernahm B. Altaner die
Neubearbeitung des Buches. 1931 war im gleichen Verlage
die Patrologie in 10.—11. Auflage erschienen.
Leider war diese Neuauflage nicht in jeder Hinsicht
als geglückt zu bezeichnen. Von vielen Seiten wurden gewichtige
Einwände gegen das Buch erhoben, u. a. auch
von mir in dieser Zeitschrift 1932 Sp. 222. Da das
Buch sich als Lernbuch einer großen Beliebtheit bei den
Studierenden der katholischen Theologie, aber auch als
Nachschlagebuch bei den Forschern erfreut, war es
möglich, in überraschend kurzer Zeit die vielerlei Schönheitsfehler
bei einer neuen Auflage, die nunmehr vorliegt
, zu beseitigen. Das Buch ist unter der nicht genug
anzuerkennenden Arbeit von Altaner ein völlig neues geworden
. Mit vollem Recht nimmt jetzt A. die Urheberschaft
, ohne die früheren Herausgeber zu nennen, für
sich allein in Anspruch. Gerade weil ich die vorhergehende
Bearbeitung des Buches scharf kritisiert habe,
möchte ich jetzt meinen vollen Beifall für die Arbeit A.'s
in der vorliegenden Gestalt aussprechen. Wir haben
jetzt wirklich ein in jeder Beziehung brauchbares Buch
erhalten. Wer dauernd mit den Schriften der Kirchenväter
umgeht, wird es mit rechtem Nutzen ständig zur
Hand haben wollen. Die Anlage des Buches, also die
Darstellung nach Autoren und nach sachlich zusammen-

fehörenden Schriften ist beibehalten, ebenso die für den
tudienbetrieb erforderlichen Mitteilungen über die wichtigsten
, für die katholische Theologie erheblichen Lehrgegenstände
der Väter. Aber Altaner hat eine kaum überbietbare
Arbeit darin geleistet, die Literatur, nicht nur
die neueste, sondern auch die wirklich erhebliche aus früherer
Zeit bei dem jeweiligen Schriftsteller zu verzeichnen
. Dieses Material ist eben für den Mitforscher unerläßlich
. Und A. hat sich durch seine höchst mühsame
und kenntnisreiche Arbeit den Dank aller Fachgenossen
erworben. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß alle
Anstände, die seinerzeit gemacht wurden, nunmehr beseitigt
sind. Im Ganzen: ein höchst brauchbares Buch.
Unter vielem Anerkennenswertem sei hervorgehoben, daß
A. einen vorzüglichen Wegweiser zu den besten Drucken
der verschiedenen Texte und nicht zuletzt den fraglichen
Mignebänden auch zu Schwartz' Konzilakten gibt. Schließlich
ist das Buch im Preise um ein Viertel herabgesetzt
worden, ohne daß der Umfang verringert worden wäre.
Die Einleitung gibt von der Anlage und Entstehung
einen bequemen Aufschluß.

Nur einiges Wenige ist mir aufgefallen, das hier notiert sei: Es
fehlt eine Notiz über Timotheos Ailuros. Die Bemerkung zur Polycarp
Vita des Pionius (S. 58), die unbesehen das höchst unzulängliche Urteil
von Diekamp in der grofien Ausgabe der Funkschen Apostolischen Väter
aufnimmt, sollte künftig nicht mehr beibehalten werden. Zum Barnabasbrief
verdiente die ausgezeichnete Arbeit von Heer wirklich eine Erwähnung
. Zu Amphilochius (S. 193) wäre Abramowskis Publikation des
Symbols zu nennen. Schließlich: Burn hat kein Buch über Eustathius
v. Antiochien geschrieben (S. 194).

Berlin H.-Q. Opitz

KIRCH ENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Köhler, Walter: Erasmus von Rotterdam. Briefe. Verdeutscht
u. hrsg. Leipzig: Dieterich 1938. (XLIV, 577 S.) kl. 8" = Samml.
Dieterich. 2. RM 5.80.

Die reichhaltige Auswahl von Briefen des Erasmus,
die Walther Köhler in deutscher Übersetzung herausgegeben
hat, ist nicht für die gelehrte Forschung bestimmt.

Sie kann daher in der ThLZ, die vor allem die Forschungsarbeit
kritisch begleiten und fördern will, nur
kurz angezeigt werden. Es mag aber in der gegenwärtigen
Zeitlage auch für die Forschung nützlich sein, einmal
ausdrücklich darauf hinzuweisen, wie vorbildlich hier

j die Aufgabe gelöst ist, Erkenntnisse und Ergebnisse
streng wissenschaftlicher Arbeit für weiteste Kreise

I fruchtbar zu machen. Der Briefwechsel des Erasmus
ist in einer großen wissenschaftlichen Ausgabe für den
Nichtfachmann so gut wie nicht vorhanden und darüber
hinaus durch die lateinische Sprache des Originals unverständlich
. Durch die Übersetzung werden nun Person
und Zeit des Erasmus in schöner Anschaulichkeit und
in einer Fülle kennzeichnender Einzelheiten lebendig.

; Man möchte wünschen und fast schon hoffen, daß durch
die schlichte dokumentarische Wahrhaftigkeit eines sol-

I eben Werkes und durch die Fülle bunten Lebens, die es

| erstehen läßt, in dem einen oder anderen seiner Leser

1 der historische Sinn und die Begeisterung für die Historie
wieder geweckt würden. Wenn das Buch auf diese
Art dem allgemeinen Mißbrauch der Geschichte ent-

I gegenwirkte und echten geschichtlichen Sinn zu stärken
vermöchte, so wäre seine Aufgabe erfüllt.

Die Berichtigung einer Einzelheit sei noch als Beitrag
zur Forschung gegeben. Der Straßburger Reformator
Martin Butzer darf nicht als „Freund des Erasmus"
(S. XXXVII) bezeichnet werden. Seit seiner ersten Begegnung
mit Luther im Jahre 1518 läßt sich bei ihm
deutlich die Loslösung von Erasmus und eine innerliche
Durchdringung mit den reformatorischen Gedanken feststellen
. Die Grundlagen für die Einigungsbestrebungen
mögen bei Julius Pflug erasmisch sein, bei Butzer sind
sie es nicht. Sie erwachsen, wie ich aus zahlreichen gedruckten
und ungedruckten Quellen nachweisen kann,
aus seinem reformatorischen Bewußtsein und aus einem
politischen Blick für die Lage des deutschen Protestantismus
, mit dem er unter den deutschen Reformatoren
völlig vereinzelt dasteht. Zahlreiche bisher unveröffentlichte
Gutachten Butzers aus der Zeit des Regensburger
Reichstages 1541 bis zum zweiten Regensburger Gespräch
1546 machen das deutlich, und die Bewährung
findet sich schließlich in Butzers Haltung gegenüber dem
Interim. Auch die Bezeichnung Butzers als eines „Stiefkindes
der Reformation" im Zusammenhang mit Sebastian
Franck, Arminius, Sozzini und anderen (S.XLI1)
rückt ihn in ein falsches Licht. Man braucht nur auf
Butzers starkes kirchliches Bewußtsein hinzuweisen, um
ihn von den Genannten abzuheben. Leider schleppen
sich diese Urteile über Butzer immer weiter, obwohl

j sie durch das Studium der Quellen keineswegs bestätigt
werden. Darum ist ein Hinweis an dieser Stelle vielleicht
nicht ganz unnütz.
Holzhausen bei Leipzig Oerhart Schmidt

Strasser, Professor Otto Erich: La pensee theologique de
Wolfgang Capiton dans Ies dernieres annees de sa vie.

Neuchätel: Secretariat de l'Universite 1938. (170 S.) gr. 8° = Memoires
de l'Universite de Neuchätel Tome 11. Fr. 7.50.

O. E. Strasser verdanken wir eine Untersuchung über
„Capitos Beziehungen zu Bern" (1928), in der seine

! maßgebende Bedeutung für den „Berner Synodus" von

I 1532 nachgewiesen worden war. Das vorliegende neue
Buch nimmt den alten Capito zum Gegenstand seiner

| Darstellung, d. h. den Verfasser der Responsio de Missa
1537 und des Hexemeron 1539; dazu sind nach dem

j Straßburger Thesaurus Baumianus seine Korrespondenzen
herangezogen. Strasser gruppiert nach den dogma-

; tischen loci, druckt reichlich Quellenbelege ab und erläutert
sie; wir erhalten also eine „Dogmatik" Capitos. Bei
der Seltenheit der beiden genannten Schriften ist die
reiche Textwiedergabe an sich willkommen, aber leider
hat Strasser es an philologischer Akribie sehr fehlen lassen
, auf Schritt und Tritt stößt man auf Text- oder
Interpunktionsfehler, es ist unmöglich sie hier alle anzuführen
. Sachlich wird man von vorneherein nicht erwar-