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Ausgabe:

1939 Nr. 6

Spalte:

220-222

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Nygren, Anders

Titel/Untertitel:

Eros und Agape ; 2 1939

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 6

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weit über das kleine Wittgensteiner Land ihre Bedeutung
gehabt, auch in Leipzig wurde sie verkauft, wie
auch das Leben der Bearbeiter, die bei den einzelnen
Büchern ungenannt bleiben, weit über die Grafschaft
hinausgeht. Herausgeber war der von Straßburg vertriebene
Magister Joh. Heinr. Haug, dem als Mitarbeiter
der Konsistorialrat und Inspektor Scheffer, der auch
an der 1712 herausgegebenen mystischen Marburger
Bibel mitgearbeitet hat, Christian Seebach, dessen anmaßendes
Wesen schließlich die philadclphische Gemeinde
in B. zerstörte, Tobias Eisler u. a. zur Seite standen.
Außer den kanonischen und apokryphischen Büchern
der Bibel bringt die B.B. eine ganze Reihe von apokryphischen
Evangelien und Episteln und mehrere apostolische
Väter. Die B. B. will kein Kommentar wie andere
sein, die führen nach ihr nur zu Mensehenmeiiiungen,
sie will hinführen zu Gott selbst, daß er reden kann.
Sie benutzt alle nur irgendwie brauchbaren Schriften
ohne Rücksicht auf die Konfession und das Geschlecht
(!) der Verfasser, wo diese nur recht „gesalbte
Lehrer" sind. Die gegenwärtige Zeit wird angesehen
als die Abendzeit, als die Zeit, da der Herr nahe
ist, ohne allerdings die Stunde irgendwie bestimmen zu
wollen.

Das Buch von Hofmann zerfällt in zwei Hauptteile. I. Die Theologie
der B.B. 1. Der Begriff der Religion, 2. Die Anthropologie,
3. Die Lehre von Gott. II. Die Stellung zur Bibel 1. Die Bibel als
heilige Schrift, 2. praktische Exegese der B. B. Folgende Oedanken
seien als besonders bezeichnend herausgehoben. Bei der Anthropologie
wird betont, daß Adam die himmlische Menschheit nicht lange getragen
hat. Im „Urfall" ist er infolge der Abkehr seines Willens von Gott
zu den Kreaturen in einen geringeren Stand gefallen. Jetzt erst erhält
er den irdischen Leib. Grundlegend für die Frömmigkeit der B. B. ist
der Gedanke von Makrokosmus und Mikrokosmus in ihrer gegenseitigen
Entsprechung. Da steht die B. B. auf der Linie der Mystik etwa eines
Paracelsus, Weigel, Böhme, Arnold u. a. Alles wird zum Typus und
Gleichnis für das Leben der Seele. Gott wird als Einheit verstanden,
er widerspricht sich nicht, nur die Menschen finden in seinem Tun
Widersprüche. In dem Gedanken der Gerechtigkeit Gottes tritt besonders
der der Heiligkeit hervor. Die Prädestination wird um des ethischen
Moments der Frömmigkeit der B. B. willen stark eingeschränkt.
Christi Werk ist nicht nur dem Vater ein vollwertiges Opfer zur Versöhnung
für die Sünde, sein Tod wird zugleich als rechtlich gültiger
Loskauf von der Herrschaft des Teufels verstanden, damit geht die B. B.,
darauf hätte der Verf. aufmerksam machen können, hinter Anselm von
Canterbury zurück. Sehr stark wird dann im Anschluß an die Mystik
der Christus i n uns betont. Der heilige Geist selbst muß Jesus in der
„vernichtigten" Seele bilden. Wunderlich sind die Anschauungen von
der Weisheit als eines göttlichen Wesens und ihrer Bedeutung für das
Heilsgeschehen. „Die Weisheit ist mit der h. Drey Einigkeit gleich ewig
und doch auch von ihr unterschieden." In jedem Menschen liegt ein
Fünklein der göttlichen Weisheit als Rest des göttlichen Bildes. Anklänge
an Arnold. Der grundlegende ethische Gedanke ist die Nachfolge
Christi. Mit ganzem Ernst wird die Meinung bekämpft, als könne
ein Mensch Gottes Gebote nicht erfüllen. Ethik und Wiedergeburt gehören
auf das engste zusammen. Bei der Kirche wird scharf zwischen
der sichtbaren Kirche, die in jeder Form Babel ist, und der unsichtbaren
geschieden. Dabei tritt der stark individualistische Zug dieser
Frömmigkeit hervor. Das, was wir heute Volkskirche nennen, wird abgelehnt
. Die B. B. verzichtet darauf, ihre Frömmigkeit systematisch darzulegen
, sie bietet sie in der Form der Exegese. Bei der Anschauung
von der Bibel tritt der Einfluß von Coccejus, Arnold besonders hervor.
Diese Anschauung ist ganz ungeschichtlich. Christozenfrisch ist die
Bibel, indem Christus schon im A. T. Gottes Stimme ist und zu den
Frommen redet. Diese Frommen z. B. David bilden Christus vor, aber
auch einzelne Einrichtungen des alten Bundes tun das. Die Geschichte
wird aus ihrer Einmaligkeit herausgenommen, sie wird typisch für den
ewiggleichen Verlauf des seelischen Lebens. Die Gedanken der apoc.
werden unter dem Einfluß von Coccejus als Prophetie für die Geschichte
und Entwicklung der ganzen christlichen Kirche durchgeführt. In seiner
Offenbarung handelt Gott stufenweise, so muß Moses als Gottes Amtmann
die Menschen erst mores lehren, ehe sie Christum schätzen lernen.
Hinsichtlich der praktischen Exegese finden sich wieder ablehnende Bemerkungen
über die Wissenschaft, ohne sie allerdings ganz zu verwerfen
. Nach dem Vorbild des Origenes wird eine dreifache Exegese, die
buchstäbliche, geistliche und geheime Exegese unterschieden. Bei der
buchstäblichen Exegese werden die zeitgenössischen Sammelwerke fleißig
benutzt. Die B. B. weiß von Schwierigkeiten hinsichtlich des Textes
und der Verfasser. Kritische Bemerkungen fehlen nicht. Die genaue
Kenntnis der Sprachen wird gefordert, rabbinische Literatur reichlich
herangezogen. Aber der Ruf der B. B. ad fontes bekommt die Bedeu-

| tung „zum Geist, zur Weisheit, zur spiritualistischen imitatio Christi",

j Die Übersetzung ist verbalistisch, darum vielfach undeutsch, wenn sie

i sich auch mehr als die Marburger Bibel an Luther anschließt, sucht

j aber auch den Text umschreibend zu verdeutlichen.

Im Schlußwort des sehr dankenswerten Buches wird

j darauf hingewiesen: Die B.B. konnte nur im stillen wir-

i ken. Aber sie hat eine kommende Entwicklung minde-

I stens vorbereiten helfen. Daneben aber zeugt dieses
Werk von einem großen Opfermut, Glauben, Treue,

I Fleiß gerade dieser kleinen Kreise, was die Kritik an

i diesem Werke zu ihrem eigenen Nutzen hätte mehr her-

j vorheben müssen.

i Halle/S. Wilhelm Usener

GESCHICHTE DER THEOLOGIE: ALLGEMEINES

Nygren, Prof. Anders: Eros und Agape. Gestaltwandlungen der
christlichen Liebe. 2. Teil. Gütersloh: C. Bertelsmann 1937. (605 S.)
8° = Studien d. apologet. Sem., hrsg. v. C. Stange. RM 17 -; geb. 19 — .

Im ersten Band hatte der Verfasser die beiden Motive
„Eros" und „Agape" gegeneinander abgezeichnet und
ihre fundamentale, einander ausschließende Gegensätzlichkeit
aufgezeigt. In diesem zweiten Band verfolgt er
die Zusammenbiegung bezw. Mischung der beiden Motive
von der urchristlichen Zeit durch die Kirchengeschichte
bis Luther. Er stellt die Behauptung auf und begründet
sie eingehend aus dem vorliegenden Schrifttum,
daß Eros und Agape sich mischten, bei Augustin in der
Caritas eine echte Synthese eingingen, die in der mittelalterlichen
Kirche das Menschenmögliche an Subli-
mierung erreichte, bis sie durch Luther aufgesprengt
wurde, wodurch die Reformation zur Agape zurückkehrte
, während die Renaissance eindeutig dem Eros
zufiel.

Im Zusammenhang der Darstellung treten Augustin
und Luther scharf heraus und einander gegenüber. Augustin
wird als Neuplatoniker gezeichnet, den Grundriß seiner
Liebeslelne gibt der Eros. Alle Liebe ist egozentrisch
, der Mensch sucht in ihr sein Glück, sein bonum,
er sucht es entweder mit der cupiditas im Irdischen oder
mit der Caritas bei Gott. Immer aber ist der liebende
Mensch mit sich selber befaßt, also egozentrisch. Gemildert
wird der Eudämonismus der Auffassung durch
die Unterscheidung von frui und uti, nicht zu höheren
Zwecken will der Mensch in der Caritas Gott gebrauchen,
er will ihn als höchstes und unwandelbares Gut genießen.
Aus den Tiefen des Irdischen erhebt sich der „ge-
I krümmte" — d. Ii. der Erde zugeneigte — Mensch zur
j Höhe Gottes, er reckt sich zur Höhe empor, steigt
immer mehr aufwärts und findet endlich bei Gott die
Erfüllung seiner Sehnsucht, die kein irdisches Gut ihm
zu gehen vermochte. So handelt es sich in der Liebeslelne
Augustins um eine Begegnung des Menschen mit
Gott auf der Ebene Gottes. Doch würde man Augustiii
mißverstehen und seiner Bedeutung für die kommende
Zeit nicht gerecht werden, wenn man nicht auch den
i Gnadengedanken bei ihm voll zur Ausprägung brächte.
Daß der Mensch Caritas überhaupt aufbringen kann,
daß er liebesfähig wird, ist ein reines Geschenk der
j Gnade. „Wir haben nichts selbst, alles ist von Gottes
I Gnaden. Die Caritas, die die Erfüllung des Gesetzes
I und die Wurzel alles Guten ist, gehört nicht zu unserer
natürlichen Ausrüstung, noch können wir sie auf irgend-
I eine Weise erwerben. Wenn sie in uns entstehen soll,
I muß sie uns von außen gegeben werden, von Gott als
| eine unverdiente Gnade; sie muß in unsere Herzen ge-
I gössen werden durch den heiligen Geist. In diesem allen
j ist der Blick unablässig auf Gott gerichtet". Dieses
> Agapeniotiv erfährt aber vom Erosinotiv sofort seine
Einschränkung: „Aber nun ist der Caritasgedanke außer-
i dem in ein eudämonistisches, begehrpsychologisclies
j Schema eingefügt, das ebenso entschieden egozentrisches
i Gepräge trägt. Wenn die Caritas in ein Menschenherz