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Ausgabe:

1939 Nr. 6

Spalte:

211-213

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Arnold, August

Titel/Untertitel:

Der Ursprung des christlichen Abendmahls im Lichte der neuesten liturgiegeschichtlichen Forschung 1939

Rezensent:

Jeremias, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 6

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ßoÄi'i in der Septuaginta dieselbe Fülle von Bedeutungen
angenommen hat. Es folgt eine Analyse der verschiedenen
Arten vergleichender Rede, die sich ganz an Jülichers
bekannte Gruppierung und Beurteilung der Oleichnisse
anschließt. Die Gleichnistheorie des Markus wird
mit Recht neben das Messiasgeheimnis gestellt, aber
doch allzu kurz abgetan. Ausführlich werden dann die
formalen Züge der Gleichnisrede und die Wandlungen
der Formen im Laufe der Tradition der Gleichnisse erörtert
. Am wertvollsten in dieser Einleitung ist das nun
folgende Kapitel über den historischen Hintergrund der
Gleichnisse, wobei sich zeigt, daß die Gleichnisse ausschließlich
in der Sphäre der Bauern und Hirten spielen.
Die Übernahme indischer Vorbilder wird abgelehnt, dagegen
die Verwendung von Motiven aus der Achikar-
Erzählung und populärer Sprichwörter angenommen.
Eine Zusammenfassung des Evangeliums in den Gleichnissen
schließt die Einleitung ab. Dabei sind die Züge
der Gottesreichspredigt, die sich aus den Gleichnissen
ergeben, gut zusammengestellt; es fehlt aber eine eigentliche
theologische Durchdringung des Stoffes, die es
auch unmöglich gemacht hätte zu behaupten, daß die Gleichnisse
garnichts von der eignen Stellung Jesu zum Gottes-
leich zeigten (der Bräutigam in Mk. 2,19 ist nach
Smith nicht Jesus!). Am meisten aber vermißt man in
diesem Abschnitt eine gründliche Auseinandersetzung mit
C H. Dodd's bedeutendem Buch „The Parables of the
Kimgdom" (1935, 2. Aufl. 1936), das die gesamten
Gottesreichsgleichnisse auf eine rein gegenwärtige Gottesherrschaft
beziehen will; da der Verf. diese Meinung
Dodd's mit Recht nicht teilt, wäre es doch seine Pflicht
gewesen, in der Einleitung und bei der Auslegung sich
mit Docld ausführlich auseinanderzusetzen.

Die eigentliche Auslegung bietet jeweils den griechischen
Text eines Gleichnisses in allen (Iberlieferungsformen
und danach die Auslegung. Die Gleichnisse sind
dabei nach verwandten Themen zusammengestellt (Zeitgleichnisse
, Wachstumsgleichnisse, Gleichnisse für Reich
und Arm, Gleichnisse für Hierarchen und Schriftge-
lehrte, Gleichnisse für Pharisäer und Sünder, Verschiedene
Gleichnisse). Die Auslegung ist durchaus sorgfältig
und vorsichtig kritisch, benutzt auch die moderne
Literatur, doch in ziemlich zufälliger Auswahl (das Fehlen
einer Bibliographie macht die Nachprüfung fremder
Meinungen sehr schwer). Auch die Art der Deutung der
Bilder ist so besonnen und frei von allegorisierenden
Tendenzen, daß man nur selten anderer Meinung wird
sein müssen (gut ist z. B. die Deutung der anvertrauten
Pfunde als Warnung an die Schriftgelehrten!). Aber der
eigentliche Mangel dieser Auslegung ist, daß sie sich
fast ganz auf die Bildhälften beschränkt. Es wird erörtert
, ob das Gleichnis von den 10 Jungfrauen eine
Allegorie sei oder nicht, aber es fehlt jedes Wort über
den eigentlichen Sinn des überzeugend herausgestellten
ursprünglichen Gleichnisses. Dieser Mangel, der durch
alle Auslegungen hindurchgeht, führt etwa beim Verlorenen
Sohn dazu, daß die große Bedeutung des älteren
Bruders für den Sinn des Gleichnisses überhaupt nicht
gesehen wird, und daß das Gleichnis von den bösen
Weingärtnern weder in der allegorisierenden Form der
Evangelisten noch in der angenommenen Urform Jesu
überhaupt eine inhaltliche Erklärung findet. Das Buch
Smiths darf darum als Hilfe zum Verständnis der Gleichnisse
, besonders in ihrer Sachhälfte, durchaus empfohlen
werden; für eine wirkliche theologische Auslegung der
Gleichnisse dagegen läßt es den Leser bedauerlicherweise
im Stich.

Zürich Werner Georg Kümmel

Arnold, August: Der Ursprung des christlichen Abendmahls

im Lichte der neuesten liturgiegeschichtlichen Forschung. Freiburg i. Br.:
Herder & Co. 1937. (XVI, 196 S.) gr. 8° = Freiburger Theologische
Studien, hrsg. v. A. Allgeier u. E.J<rebs. 45. Heft. RM 6.50.

Diese von der katholisch-theologischen Fakultät Tübingen
preisgekrönte Arbeit bietet einen kritischen Bericht
über die neueren Forschungen über den Ursprung

des Abendmahls. Katholiseherseits hatte zuletzt B.
Frischkopf im Jahre 1921 einen solchen Forschungsbericht
gegeben (Die neueste Erörterung über die Abendmahlsfrage
, Ntl. Abh. IX, 4—5, Münster 1921). Seither
ist die Debatte über das Abendmahl überaus rege
gewesen (Wetter 1921/2, Dalman 1922, Billerbeck II
1924, Lietzmann 1926, Huber 1929, Gooßens 1931,
! Brinktrine 1934, Otto 1934, Jeremias 1935, Hupfeld
1935); diesen seit 1921 erschienenen Arbeiten ist Arnolds
Untersuchung gewidmet, die sich hauptsächlich,
j aber keineswegs ausschließlich, mit den liturgiegeschichtlichen
Untersuchungen von Wetter und Lietzmann auseinandersetzt
.

Das Referat, das A. bietet, zieht die weitverzweigte
Literatur umfassend heran. Wer sich einen Überblick
über den Stand der Diskussion verschaffen will, wird
A.s Buch mit Nutzen studieren, zumal die besprochenen
Autoren weitgehend selbst zu Worte kommen.

An einigen Stellen freilich sind dem Vf. Mißverständnisse unterlaufen.
So taucht wiederholt die „jüdische Chaburah" wieder auf, die in
I den modernen Untersuchungen über den Ursprung des Abendmahls eine
geradezu verhängnisvolle Rolle gespielt hat. G. Loeschcke hatte zuerst
(Zeitschr. f. wiss. Theol. 54, 1912, 202) das letzte Mahl Jesu von „halbkultischen
" jüdischen Mahlzeiten her verstehen wollen. Ihm folgten H.
Lietzmann und R. Otto, die das letzte Mahl Jesu für eine der angeblich
I durch „sakralen", „geweihten" Charakter ausgezeichneten Mahlzeiten
I einer Chaburah erklärten. Arnold versteht Lietzmann (Messe und Herren-
| mahl, Bonn, 1926, S. 210) falsch und erklärt: „Die Chaburah ist eine
mit religiöser Weihe bekleidete jüdische Mahlzeit" (S. 11)! Die Abend-
mahlsfeier der Urgemeinde bestand infolgedessen nach A. darin, dal! „die
Eucharistie in Verbindung mit einer gewöhnlichen Chaburah" (S. 78)
gefeiert wurde. Die Agape, wie Hippolyt sie beschreibt, spiegelt „genau
die Ordnung bei einer jüdischen Chaburah" wieder mit Brotbrechen und
Bechersegen am Anfang (S. 107). Die Chaburah — eine Mahlzeit mit
bestimmtem Ritus!? Aber das Wort Chaburah bedeutet „Verein" und
[ nicht „Mahlzeit" ! Man bezeichnet damit jeden beliebigen Zusammen-
! Schluß, z. B. den Schülerkreis eines Lehrers, einen Kollegenkreis, einen
j Wohltätigkeitsverband, eine pharisäische Genossenschaft, den Kreis der
Teilnehmer an einem Passahmahl; insbesondere ist das Wort Bezeich-
I nung charitativer Vereine, die sich die Ausübung von Liebeswciken aller
! Art und die Pflege gottesdienstlicher Einrichtungen zur Aufgabe gemacht
hatten. Zu diesen Liebeswerken gehörte auch die Teilnahme an Hoch-
zeits- und Trauermahlzeiten, die für verdienstlich galt. Von besonderen
„halbkultischen" oder „sakralen" Mahlzeiten von Vereinen ist schlechterdings
nichts bekannt. Die beiden Stellen, auf die sich G. Loeschcke als
Beleg für die „halbkultischen" Mahlzeiten berief, b. R. H.29a und b.
Ber. 46a, — handeln beide von dem gewöhnlichen Tischgebet. Man
kann nur dringend wünschen, daß die „jüdische Chaburah" aus den Erörterungen
über den Ursprung des Abendmahls verschwinde.

Was das „Brotbrechen" der Urgemeinde anlangt, so gibt A.
S. 44 die scharfen Worte wieder, mit denen Otto den Irrtum geißelt, „Brot-
: brechen" heiße in der rabbinischen Literatur „eine Mahlzeit halten".
Gewiß mit Recht. Aber es ist ein Mißverständnis, wenn auch Dalman zu den
Autoren gerechnet wird, die sich dieses Irrtums schuldig gemacht hätten.
Und vor allem durfte der Vf. nicht vier Seiten später selber vom „Brotbrechen
" als „Bezeichnung für ein jüdisches Mahl" reden (S. 48)!

Schließlich noch ein Wort zu Didache 9—10. Hier haben wir
die (für das Verständnis des urchristlichen Abendmahls sehr aufschlußreiche
) Nachricht, daß die „Eucharistie" mit dem Gebet über dem Kelch
begann, worauf das Gebet über dem gebrochenen Brot folgte. Wir finden
hier also die Reihenfolge: Kelch-Brot, im Unterschied zu
l der Reihenfolge Brot-Kelch in den Berichten über Jesu letztes Mahl. A.

erklärt dazu S. 26 A. 66: „Die Reihenfolge Kelch-Brot braucht nicht auf-
I zufallen, es spiegelt sich hier eine alte Meinungsverschiedenheit zwischen
j der Schule Schammaj und Hillel wider: Schammaj stellt gegenüber Hille!
j den Weinsegen voran. Vgl. R. Otto 241." Aber diese Behauptung Ottos
ist in allen Teilen falsch. Ganz abgesehen davon, daß nicht Schammaj,
I sondern gerade umgekehrt Hillel den Weinsegen Voranstellt: die Debatte
zwischen Hillel und Schammaj hat mit der Reihenfolge des Segens über
| .Becher und Brot nichts zu tun. Nein! Die Reihenfolge Kelch-Brot in
j der Didache bleibt sehr auffällig und erklärt sich nur daraus, dal) wir
! hier einen Ritus vor uns haben, der nicht an das letzte Mahl Jesu an-
j knüpft.

Im Referat liegt der Wert der Arbeit von Arnold.
1 Seine kritischen Auseinandersetzungen laufen im we-
I sentlichen auf den Versuch hinaus, den katholisch-kirch-
[ liehen Standpunkt gegenüber den protestantischen Arbei-
; ten zu verteidigen, wobei sich der Vf. besonders Lietz-
j mann gegenüber die „Widerlegung" zu leicht macht.
' Neue Wege wird man im allgemeinen nicht gewiesen, im
i Unterschied zu dem gleichzeitig erschienenen Forschungs-