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Ausgabe:

1939 Nr. 5

Spalte:

181-182

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Cook, Stanley Arthur

Titel/Untertitel:

The "truth" of the Bible 1939

Rezensent:

Ratschow, Carl Heinz

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Seite 1

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181

Theologische Literaturzeitung 1939 Nr. 5

182

was ich durch deine Gnade zuerst geglaubt habe, das
sehe ich jetzt durch deine Erleuchtung so ein, daß ich,
wenn ich nicht glauben wollte, daß du da seiest, es doch
erkennen müßte" (zu dieser AnselmsTelle Barth a.a.O.
197 ff. und Kolping 78 t.). Demnach hat „fides" im Rahmen
dieses Programms nicht den biblisch-reformatorischen
Vollklang (beachte die Art, wie fides, intellectus, speeies
aufeinander bezogen sind! 13). Eine Theologie in Anselms
Bahnen muß ein gesetzliches Verständnis von der
Offenbarung haben und ist daher — bei allem Wertvollen
, das wir im einzelnen von Anselm lernen können,
— von uns abzulehnen.
Dersekow bei Qreifswald E. Schott

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Cook, Stanley A.: The „Truth" of the Bible. Cambridge: W.
Heffer & Sons 1938. (333 S.) gr. 8°.
Mit dem Titel dieses Werkes, das in weiten Teilen
eine Sammlung und Zusammenrichtung verschiedener
Einzelaufsätze des Verf. darstellt, will Cook den Begriff
„Wahrheit" in seiner Beziehung auf die Bibel aus ihrer
rationalistisch, dingbezogenen Einengung lösen und existentiell
fassen. Das Buch handelt also nicht davon, ob
das in Altem und Neuem Testament niedergelegte Out
wahr oder falsch sei. Es ist vielmehr Anliegen des
Verf., Anregungen zu geben in der Richtung, ob und wie
die Bibel in der momentanen religiösen, geistigen und
kulturhistorischen Epoche der Umschichtung positiv
ihren Platz behauptet. Diese Frage scheint man verneinen
zu müssen. Das Christentum als Träger der
„Wahrheit" der Bibel und des von dort an die Welt ergehenden
Rufes scheint nicht in der Lage zu sein, der
heutigen Menschheit als Form itirer religiösen Anliegen
zu dienen. Das unerhörte Geschehen der letzten hundert
Jahre, das gewaltige Bereiche geschichtlichen Lebens neu
entdeckte, ja, das im Zuge naturwissenschaftlicher Forschung
nach innen und außen ganz ungeahnte Welten
erschloß, die in sich lebendig sind und bleiben aul Grund
der ihnen innewohnenden Gesetzlichkeit (S. 281), hat
die Menschheit in ihrer religiösen Gewißheit tief erschüttert
. Den Menschen ist auf diesem Wege zumal
die Einheit von religiösen und nicht-religiösen Bereichen
zerbrochen. „Die Zukunft der Religion — so ist
die Empfindung — steht direkt oder indirekt auf dem
Spiel". (S. 205, auch Prf. VII. u. ö.) Der religiöse
Bereich in seiner Abschnürung vom Gesamtleben ist von
Entleerung und Versteinerung — zwei Seiten desselben
Vorganges — bedroht. In allen Teilen dieser Sicht
überrascht immer wieder die sehr große Weite im Blick,
mit der Cook seine Anliegen behandelt. So ist die gegenwärtige
Krise der Religion auch nicht auf das Christentum
zu beschränken. Es handelt sich im Grunde
um eine totale Krisis der menschlichen Erfassung, „was
letztlich real effektiv und wahr ist" (Prf. VIII). Gerade
in Hinsicht auf die Weite, mit der Cook seine Anlegen
vorträgt, erscheint es bedauerlich, daß die Technik
als Exponent der nicht-religiösen Größen nicht berücksichtigt
wurde, obwohl sie kennzeichnendes und bewegendes
Moment unserer Epoche ist.

Zu einer Lösung der hiermit gegebenen Fragen stellt
Cook die „Wahrheit" der Bibel heraus, die wir am
besten wohl wiedergeben als: überwindende Mächtigkeit
biblischen Gehaltes vor der momentanen Krise. Der
Weg der Lösung liegt in der Realität und Realisierung
der Einheit des Lebens, der Einheit von religiösen und
"icht-religiösen Bereichen. Den Nachweis, daß diese
Einheit jeweils die „Wahrheit" der Bibel an den entscheidenden
Wendepunkten des geschichtlichen Lebens
ausmacht, dient der von Cook gegebene Aufriß der Geschichte
Israels sowie wichtiger Epochen der Rehgions-
Reschichte. Ganz besonders eingehend beleuchtet er den
Umbruch zur Zeit des Exils, bei dem man den religosen,
Politischen und kulturellen Fortschritt zusammenschauen
muß, wofern man einen derselben verstehen will. Ebenso
liegt es bei der Erfassung der Entstehung des Christentums
. Diese querschnittartige Betrachtungsweise wird
durch eine zweite ergänzt, die von einer progressiven
revelatio handelt, a) in Bezug auf die revelatio specialis
von der Väter-Religion über Mose und die Propheten
zum Exil und weiter zu Jesus, b) In Bezug auf
eine revelatio generalis in den großen historischen Krisen
(the truth of history).

Diese beiden Blickweisen ergeben für unsere Zeit
und ihre Nöte das „christliche Ideal" von „normaler
Koexistenz von religiös und nicht-religiös". Daß Gott
die Liebe ist, ist das einheitliche Resultat, das sich aus
der religiösen Erfahrung wie aus einer Erfassung der
Geschichte von Natur und Menschheit ergibt. (S. 325)
Daher ist die Zukunft der religiösen Entwicklung „eine
kulturelle und'nicht allein religiöse Angelegenheit", die
scharfes Denken nicht weniger erfordert wie ernstes
Gebet. (S. 326)

Es muß allerdings fraglich erscheinen, ob die Beachtung
eines nicht-religiösen Bereiches neben dem religiösen
die Fragen da trifft, wo sie brennend sind. Muß
man jene weiten Bereiche säkularisierter, gottferner Wclt-
erfassung nicht auch als Mächte ernst nehmen, die
mit religiösen Ansprüchen den Menschen entgegentreten?
In allen vitalistisch bestimmten Aufbrüchen von Philosophie
und Lebensanschauung, in der Naturwissenschaft
wie in der Technik werden doch weithin letztgültige
Werte gesetzt, die eine religiöse Haltung sich gegenüber
erheischen! In dem Suchen nach der übergreifenden Einheit
aber, die erschlossen wird aus den historischen
Epochen, scheinen zwei unausgeglichene und einander
widerstreitende Größen bestimmend zu sein. Einmal sieht
Cook die Epochen der Geschichte als das Entscheidende
an der geschichtlichen Entwicklung überhaupt. Zusammengeballt
erscheint an diesen Wendepunkten das fol-
i gende Geschehen, das in Jahrhunderten ausschwingt, gefaßt
. Daneben aber steht eine Anschauung von Zug
um Zug sich entfaltender Entwicklung. Mit dieser zwei-
j ten Reihe tritt in die ganz irrationale Total-Ansicht der
; Geschichte unter Gott ein rationales Element, das gerade
in hezug auf die gegenwärtige Sicht die Entscheidungs-
haftigkeit und Aktualität unserer Stellung verwischen
| kann. Solch Evolutionismus wäre gerade bei einer Schau
der Geschichte sub specie dei als in sich falsch zu enthüllen
. (Die Ansätze siehe S. 225)

Ob man endlich, wie Cook meint, mit einer neuen
Ideologie oder einem neuen christlichen Ideal die Fragen
unserer Zeit löst, in denen es einerseits, um Tod
und Lehen, andererseits um die personhafte Gegen-
| wärtigkeit Jesu Chrristi geht, muß gefragt werden.

Diese Fragen an den Gesamtaufriß betreffen teilweise
mehr die Terminologie als die Sache. In den
vielfältigen Beobachtungen zum Alten und Neuen Testament
wie zur Religionsgeschichte zumal aber in der
Aufgeschlossenheit des Buches für die gegenwärtige Kri-
! sis des Christentums wie in der scharfen Betonung
! der notwendigen Suche nach erneuter Lebens- und Wirk-
Einheit liegt ein schwerlich zu überschätzender Wert.
I Diese Einheit bedeutet für d ie außerchristliche Welt eine
I Ausrichtung ihres Strebens und für die christliche Kirche
; eine Ausweitung, die sie befähigt im heutigen Umbruch
i des Denkens mitzuhelfen zum Aufbau einer neuen Welt,
indem ihre „Wahrheit" antworten kann auf das „welt-
| weite Erwachen des Bewußtseins".

Güttingen c. H. Ratschow

LITUR GIE WISSENSCHA FT

Gr äff, Paul: Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen
Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands.

II. Band: Die Zeit der Aufklärung und des Rationalismus. (Döttingen:
Vandenhocck & Ruprecht 1939. (10*, 365 S., 2. Abb., 2 Krtn.) gr. 8°.

RM 24 - ; geb. RM 26—.
Bd. 1 dieser 2. Auflage des wichtigen Werks ist
ThLZ. 1938 Nr. 23 besprochen. Er behandelte die
Zeit bis zum Eintritt der Aufklärung, also bis etwa 1700.