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Ausgabe:

1938 Nr. 8

Spalte:

145-146

Autor/Hrsg.:

Wikenhauser, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Kirche als der mystische Leib Christi 1938

Rezensent:

Jelke, Robert

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145

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 8.

146

stellen ist. Zu den hier vorliegenden Erklärungen kann
nur festgestellt werden, daß Tiersch in einem von ihm
selbst anerkannten bewußten Gegensatz zum Wortlaut
der Berichte den Urim und Tummim eine gegenständliche
materielle Bedeutung abspricht zugunsten einer mystischen
Deutung, nach der sie nur geistige Werte darstellen
, „irdische Zeichen unirdischer Wahrheiten". Die
textgemäße Auffassung des Choschen als eine Tasche
■für das Orakelgerät (Urim und Tummim) hält er für
einen Grundfehler der Exegese, der einer richtigen Erklärung
der geheimnisvollen Divination des Ephod hinderlich
sei.

Wird man sonach in wesentlichen Plinkten den Resultaten
des Verfassers, welche sich auf das alttest. Ephod
beziehen, nicht zustimmen können, so behält das vorliegende
Werk seinen Wert als umfassende und aut gründlichen
Forschungen ruhende Untersuchung über antike
Kultkleidung überhaupt, sodann aber auch durch Einführung
neuen archäologischen Materials in Fragen des
alttestamentlichen Kultus und den daraus hergeleiteten
Nachweis dafür, wie das Gewand der Gottheit übergeht
in das Kultgewand ihres Priesters. Die von dem Verfasser
vertretene Gleichung Ependytes-Ephod wird für
die weitere Behandlung des Problems umsoinehr Beachtung
beanspruchen können, wenn sich die Auffassung
bewährt, daß der panzerartige Überzug von Idolen aus
dem syrischen Kulturkreis stammt.

Berlin. Friedrich Jeremias.

Wikenhauscr, Prof. Dr. Alfred: Die Kirche als der mystische
Leib Christi nach dem Apostel Paulus. Münster i. W.: Verlan
Aschendorff 1937. (VIII, 244 S.) 8°. RM 4.50; geb. 5.50.

Ein Kapitel der paulinischen Theologie, und zwar
eines der schwierigsten, möchte unser Buch klären: die
Vorstellung von der Kirche als dem Leibe Christi. Dabei
ist es ausgesprochener Weise die augenblickliche Fragestellung
, wie diese durch protestantische Theologen (insbesondere
durch Schlier und Käsemann) geschaffen ist,
die das Buch beherrscht. Das zeigt sich freilich weniger
in dem kürzeren allgemeinen Teil, der die Grundlinien
des paulinischen Kirchenbegriffes darstellt, als in dem
größeren besonderen Teile, in dem es eben um die Vorstellung
von der Kirche als den Leib Christi geht. Insbesondere
ist es die von den genannten Theologen scharf
herausgearbeitete These von dem Unterschiede der Anschauungen
von der Kirche als dem Leibe Christi, der
sich zeigt zwischen der Anschauung der (im Sinne dieser
Theologen) echten Paulusbriefe (d. Ii. praktisch
L Kor. und Hörn.) und der Anschauung der (unechten)
Briefe an die Kolosser und Epheser, die diesem Hauptteile
des Buches sein Gepräge gibt. Einen solchen Unterschied
erkennt Wikenhauser an. Aber er sieht ihn
anders als die genannten Forscher. Daß er dabei sich
nicht zur Unechterklärung der Briefe an die Kolosser
und Epheser entschließen kann, tut m. E. weniger zur
Sache. Das Entscheidende ist, daß er den sachlichen
Unterschied beider Briefgruppen anders faßt als seine
protestantischen Vorforscher. Vor allem zu Schlier befindet
er sich im klaren Gegensatz. Während nach
Schlier der Gegensatz der echtpaulinischen und der deu-
teropaulinischen (Kolosser- und Epheserbrief) Anschauung
der ist, daß die erstere meint: die Christusglaubi-
gen bilden miteinander einen Leib, und dieser Leib gebort
Christus zu, die zweite dagegen: die Christusglau-
b'gen gehören als sein Leib zu Christus, erscheint nach
unserem Autor in den Hauptbriefen Christus mehr als
die Kraft, die gleich dem Geiste im Leibe wohnt und ihn
durchdringt, in den beiden späteren mehr als Person,
die über dem Leibe steht und ihn von oben her regiert.
Nach Wikenhauser ist Christus in den großen Paulusbriefen
mehr als dem Leibe immanent, in den beiden spateren
Briefen mehr als ihm gegenüber transzendent
vorgestellt. Es ist dann die Hauptarbeit unseres Buches,
daß diese Meinung im Einzelnen exegetisch begründet
und erhärtet wird. Zuerst erfolgt die Behandlung der

1 Hauptbriefe, dann die der Briefe an die Kolosser und
Epheser.

Nicht nur die getrennte Behandlung beider Briefgruppen
, sondern auch die inhaltliche Kennzeichnung der
Eigenart ihrer fraglichen Anschauungen halte ich für
richtig. Im Einzelnen würde ich gewiß nicht alles billigen
. Aber die große Linienführung würde ich kaum

; anders vornehmen. Ergänzend könnte man m. E. noch
darauf eingehen, daß die Entwicklung der Anschauung
von der Kirche der Entwickhing der Anschauung vom
Verhältnis Christi zum Geiste (dogmatisch geredet der

i Entwicklung der trinitanschen Anschauungen) parallel
geht. Das ist ja im Grunde bei dieser Wikenhauser-
schen Differenzierung der Anschauungen von der Kirche
in den großen Paulusbriefen und in den gen. kleineren
Briefen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Anders als

i zu dieser Grundeinstellung Wikenhausers stehe ich zu
seiner Ansicht hinsichtlich des religionsgeschichtlichen
Problems, das die Vorstellung von der Kirche als dem

! mystischen Leibe Christi zweifelsohne in Frage stellt. Zwei
Möglichkeiten sind hier gegeben: Die Erklärung der Vor-

I Stellung aus dem urchristlichen eschatologischen Glauben,
bei dessen wissenschaftlich-formaler Fassung dann frei-

| lieh der Hellenismus stark mitgewirkt hat, und die Er-

j klärung aus dem gnostischen Urmensch-Erlöser-Mythos.

| Wikenhauser entscheidet sich für die letzte Möglichkeit.
Der gnostische Erlösermythos scheint ihm die rätselhafte
Vorstellung vom Leibe Christi wirklich verständlich /u
machen. „Da gerade dieser AAythos die Erlösten als
den Leib (oder die Glieder) des Erlösers, diesen gelegentlich
auch als Haupt des Leibes bezeichnet, so wird
auch die paulinische Ausdrucksweise der Sprache der

! Kreise entstammen, in welcher jener zuhause war" S.

j 239. Das Bedenken, das ich gegen diese Lösung habe,

j ist vor allem dies, daß bei Paulus die Vorstellung des
Leibes doch immer der Herausstellung der Verpflich-

I tung des Christen Christo gegenüber dienen soll. Der
Leib soll sein Organ des Geistes. In der Gnosis aber
kommt dem Leibe und der Leiblichkeit aber solche Bedeutung
nie und nimmer zu. Der Gnosis ist der Leib
Stofflichkeit und als solche notwendig Träger einer
dämonischen, widergöttlichen Kraft. Die sachlich ver-
schiedene Auffassung des Leibes scheint mir viel zu

l groß als daß ein Paulus hier Beziehungen sollte herge-

I stellt haben, die, wie ja auch Wikenhauser nicht leugnet,
wesentlich doch nur sprachlicher Natur sein konnten.

! Hier könnte ich unserem Autor nicht zustimmen. Aber

j das mindert nicht die Freude, die sein Buch mir ausge-
löst hat, und die es überall da auslösen muß, wo man

I Sinn hat für die wissenschaftliche Energie und Ehrlich-
keit, mit der in unserem Buche ein katholischer For-

; scher den Fragen nachgeht, die ebenso energische und
ehrliche protestantische Forscher gestellt haben.
Heidelberg. Robert Jelke.

Wagner, Prof. Dr. theol. et. phil., Friedrich: Der Sittlichkeitsbegriff
in der christlichen Ethik des Mittelalters. Münster i. w:
Aschendorff'sche Verlagsbuchhandlung 1936. (VII, 380 S.) gr. 8° ==
Münstersche Beiträge zur Theologie h. 21. rm 14.50.

Das Hauptwerk des Breslauer katholischen Moral-
; theologen „Geschichte des Sittlichkeitsbegriffs" ist noch
; nicht vollständig, wird auch vielleicht nicht vollendet
werden, wie der Verfasser im Vorwort des vorliegenden
dritten Bandes leider schreibt, aber es ist immerhin bis
| zum 14. christl. Jahrhundert gelangt. Band I des Werks,
der den Sittlichkeitsbegriff in der antiken Ethik behandelte
i (1928), ist in dieser Zeitschrift besprochen worden
| (1930, 315/17). Band II mit dem Sittlichkeitsbegriff
i in der Hl. Schrift und in der altchristlichen Ethik
: (1931) kam in dieser Zeitschrift nicht zur Besprechung;
der Grund hierfür ist dem Rez. des III. Bands unbekannt
. Der nun vorläufig letzte, dritte, Band stellt,
j nach einer Einleitung über den kurz gefaßten Inhalt
1 des 2. Bands, von dem ja die christlichen Ethiker
[ des Mittelalters ausgegangen sind, in drei Kapiteln die