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Ausgabe:

1938 Nr. 7

Spalte:

121

Autor/Hrsg.:

Brandt, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das ewige Wort 1938

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 7.

122

Anselm von Laon, Menegaudus, Richard von St. Victor
und Rupert von Deutz. Die Verbindungslinien zur exegetischen
Überlieferung von der alten Kirche her (Tycho-
nius!) werden aufgewiesen, die Glossentradition wird
verfolgt, die weiterweisende selbständige Leistung Ruperts
gewürdigt, seine Visionstheorie, die zur allegorischen
Erklärung führt, der im Grunde bilderfeindlichen
Theorie Richards, die zur mystischen Schau jenseits der
Exegese tendiert, gegenüberstellt. K. gibt hier neue Einblicke
in das Auslegungsverfahren mittelalterlicher Apok.-
Kommentatoren, die nun nicht mehr als reine Kompila-
toren und bedeutungslose Epigonen der patres ange-
sehen werden dürfen. Der eigentliche Wert der Studie
aber liegt in der Herausarbeitung der Geschichtstheologie
, die die Apok.-Kommentare des 12. Jahrhunderts !
enthalten. Bei den Auslegern, die der Tychonius-Tradi-
tion folgen, handelt es sich — trotz der, neuen, Siebeii-
stufenordnung für den Zeitraum der christlichen Kirche
— nicht um Theorie der „Kirchengeschichte", sondern
um den geschichtlichen Erdenlauf der Kirche in dogma- 1
tisch-praktischer Schau: „das, was immer geschieht, solange
die Ecclesia auf ihrem Wege ist" (S. 63), als Mittel
, um die Gläubigen zur patientia zu führen (S. 64).
Die biblische Apokalyptik ist entschwunden, Escliatolo-
gie findet man nur noch in den Schlußvisionen der
Apok. vom status aeternitatis; die Problematik des status
praesens, die seit der konstantinischen Wende nicht mehr
nach der geschichtlichen Zukunft der Ecclesia, sondern
nach der Zukunft des Einzelnen fragen läßt, ist der
eigentliche Inhalt der Apok. Rupert v. Deutz nimmt
Augustins dualistische Geschichtstheologie in die Apok.-
Auslegung auf (Gegensatz der beiden civitates, Ausdehnung
des Geschichtsraumes auf die alttestamentliche Geschichte
), und zwar auf ganz eigene Weise: er holt
in der Form mönchischer Schriftmeditation aus der Apok.
auch die historia das Alten Testaments heraus, die
Kämpfe zwischen der gemeratio Abel und der generatio
Cain. Die Geschichtstheologie Joachims von Fione erscheint
erst, nachdem so die theologische Leistung seiner
nächsten Vorgänger in der Apok. - Auslegung erkannt
ist, in ihrer ganzen Bedeutung: J. hat die klassischmittelalterliche
Geschichtstheologie überboten und damit
aufgelöst; die Geschichtsdeutung, die er und seine Nachfolger
, die Franziskaner-Spiritualen, aus der Apok. gewinnen
, dringt in der Kirchengeschichte vor bis in die
eigene Gegenwart, wird hochaktuell und schlägt an der
Gegenwart um in Weissagung, neue Weissagungsapo-
kalyptik. Mit einer Abwägung der drei Möglichkeiten,
die das 12. Jahrhundert der biblischen Apokalyptik gegenüber
kannte: Geschichtstheologie, Weissagungsapoka-
lyptik, bloße Tradierung der ungedeuteten Mythologeme,
schließt die anregende Studie. Ein kurzer Anhang „Mu- j
her amicta sole" gibt Belege für die seltene Deutung
von Apok. 12 auf Maria in den frühmittelalterlichen
Kommentaren.
Berlin. J. Behm.

Brandt, D. Willi.: Das Ewige Wort. Eine Einführung in das
Evangelium nach Johannes. Berlin: Furche-Verlag [1936]. (275 S.) 8°
= Die urchristliche Botschaft. Abt. 4. RM 5.60; geb. RM 6.80.

Brandt bietet wirklich, wie es der Titel verspricht,
eine Einführung in das vierte Evangelium. Wie er i
es ausdrückt, ist es sein Bestreben, den Leser dazu zu
führen, daß er es lernt, selbst auf den Text zu lauschen.
Und das ist ihm u. E. gut gelungen. Es ist kein eigentlicher
Kommentar, den er geschrieben hat und der neue
Deutungsmöglichkeiten vorschlägt, sondern es sind Gedanken
und Hinweise, durch die er in das Verständnis

!i uVang' hineinführen will. Wer diesen Gedanken j
und Hinweisen nachgeht, der kommt mit dem Text ins I
Gespräch, und das ist die Hauptsache. Dem gegenüber
hat es keine Bedeutung, wenn man in Einzelheiten hin
und wieder anderer Ansicht ist. Aus diesem Buch können
nicht nur Laien, sondern auch Theologen lernen.
Riga- H. S eesem an n.

I. Firmici Materni Consultationes Zacchaei et Apollonii
ad normam codicum recognitas adiectis adnotationibus criticis et indi-
eibus edidit German us Morin O.S.B. Bonn: Peter Hanstein
1935. (134 S.) gr. 8° = Florileg. Patrist. Fase. XXXIX. RM 5.80.
Schon der Name des Herausgebers zeigt an, daß die
Ausgabe allen Anforderungen entsprechen muß, und so
ist es auch in der Tat. Zum ersten Mal liegen uns nun
also die consultationes Zacchaei et Apollonii in einwandfreiem
, aus allen erreichbaren Handschriften zusammengestelltem
Text vor. In der Einleitung verweist der
Hrsg. darauf, daß der Autor des durch Jahrhunderte
anonym umlaufenden (oder dem Evagrius Gallus zugeschriebenen
) Büchleins unbedingt Firmicus Maternus sein
muß. Vgl. seine Abhandlung dazu in den Hist. Jbb. 1916
und das am Schluß der vorliegenden Ausgabe stehende
Register der Locutiones Firmicianae in liibris consulta-
tionum, an Hand dessen der Leser sich selbst über den
Autor unterrichten kann. Alles in allem: wir danken
G. Morin, daß er uns diese interessante Schrift so bequem
zugänglich gemacht hat.

Riga. H. Seesemann.

Athanasius Werke. Hrsg. i. Auftr. d. Kirchenväter-Kommission d. Preuß.
Akademie d. Wiss. 3. Bd. 1. Tl.: Urkunden zur Geschichte des aria-
nischen Streites 318—328 von Lic. Hans-Georg Opitz. 2. Liefg. Berlin:
W. de Gruyter u. Co. 1935. (S. 41—76). Lex. 8°. RM 6.50. — 2. Bd.
1. TL: Die Apologien: 1. De decretis Nicaenae synodi. 2. De sen-
tentia Dionysii. 3. Apologia de fuga sua. Hrsg. v. Hans-Georg Opitz.
Ebd. 1935-1936. (S. 1—80). Lex. 8". RM 13—.

In Nr. 25 des Jahrganges 1935 dieser Zeitung habe
ich Bericht erstattet über das große Unternehmen einer
kritischen Ausgabe der Werke des Athanasius, zu dem
sich amerikanische Gelehrte und Geldgeber mit der Berliner
Akademie der Wissenschaften vereinigt haben. Als
Herausgeber hatte man Hans-Georg Opitz und in ihm
einen Mitarbeiter gewonnen, der durch die Schule Lietz-
manns hindurchgegangen wair und sich, wie gleich die
erste Lieferung bewies, der schwierigen Aufgabe vollkommen
gewachsen zeigt. Ich wiederhole hier, daß das
Ganze auf drei Bände verteilt werden sollte, von denen
der erste die dogmatischen und asketischen Schriften,
der zweite die Apologie und die außerhalb der alten
Sammlungen überlieferten Schriften enthalten, der dritte
(und das ist besonders beachtenswert) die Urkunden zum
arianischen Streit bringen sollte, die zu ordnen längst ein
dringendes Bedürfnis war. Auch auf Opitzens „Untersuchungen
zur Überlieferung der Schriften des Athanasius
" (1935) konnte ich bereits hinweisen. Sie enthalten
die genaue Beschreibung der Handschriften und bringen
die Begründung für die von der herkömmlichen Anordnung
stark abweichende Reihenfolge, in der die Schriften
gedruckt werden sollen. Der ersten Lieferung des Urkundenbandes
, die damals allein vorlag, ist inzwischen die
zweite gefolgt, die uns bis zum Tode Alexanders von
Alexandrien und damit zur Stuhlbesteigung des Athanasius
(328) führt. Die Inhaltsübersicht weist 34 Urkunden
auf. Nr. 33 und 34, nämlich das Edikt gegen Arius
und der Brief Kaiser Konstantins an Arius und Genossen,
beides von 333, sind, obwohl sie einem späteren Abschnitt
des Streites angehören, beigefügt, um den überlieferungsgeschichtlichen
Rahmen der Urkunden zu berücksichtigen
.

Die Reihenfolge der Schriften, in der die Apologien
gedruckt werden sollen, ist nicht, wie man wohl erwarten
möchte, durch die Chronologie, sondern durch die
Überlieferungsgeschichte bestimmt, über die man sich
in dem Buch von Opitz allerdings nicht leicht zu erhebenden
Rat holen kann. Eröffnet wird das „Corpus"
durch drei Schriften, die aus der Zeit der dritten Verbannung
unter Konstantins (357) stammen. Die Schrift
De decretis Nicaenae synodi (Migne 25,415—476), an
einen nicht genannten Freund gerichtet, will diesem
Material zur Verteidigung der großen Synode und ihrer,
so vielen selbst unter den Gutgesinnten anstößigen Entscheidungen
(iy. nie imaiaq, 6|ioor')oioc) bringen. Die zweite
Schrift (M. 25, 479-522), wiederum an einen Ungenannten