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Ausgabe:

1938 Nr. 7

Spalte:

117

Autor/Hrsg.:

Peters, Norbert

Titel/Untertitel:

Die soziale Fürsorge im Alten Testament 1938

Rezensent:

Jeremias, Friedrich

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117

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 7.

118

mend (besonders Herrmann's), oft auch ablehnend
(Hölschers), immer sorgfältig abwägend, zeichnet ersieh
durch Gediegenheit im Urteil und bei aller Entschiedenheit
durch Vornehmheit in der Behandlung abweichender
Anschauungen aus.

Daß auch er nicht alle Fragen endgültig gelöst hat, ist selbstverständlich
. Manches hätte auch mehr ausgeführt werden sollen. So hätte
man z. B. gern mehr über die Bedeutung des Jahres 593 gerade im Zusammenhang
mit Hesekiel's Berufung, auch über die symbolischen Erklärungen
von Kap. I, über das „warum" der symbolischen Handlungen u.a. mehr
gelesen. Zum Problem der Lesart Adonai Jahweh hätte Vet. Lat. zur
Kontrolle von G herangezogen (vgl. BH3) und Dold's neue Ausgabe benutzt
werden müssen. Eine ausgewählte Bibliographie mit Anmerkungen
wäre übrigens doch sehr wünschenswert gewesen.

Wir haben lange auf diesen Kommentar warten müssen
. Es hat sich gelohnt. Er ist der großen gelehrten
Oxforder Tradition vollauf würdig.

New York. J. A. Bewer.

Peters, Prof. Dr. Norbert: Die soziale Fürsorge im Alten Testament
. Paderborn: Bonifacius-Druckerei 1936. (92 S.) gr. 8°. RM 1.80.
Unter dem Leitgedanken Gerechtigkeit und Liebe gibt
Verfasser in flüssiger Darstellung eine ins einzelnste
gehende Darstellung des reichen und spröden Materials
unter den Überschriften: Eigentum und seine Verteilung;
soziale Fürsorge durch das Bodenrecht; Familknfür-
sorge; Individualfürsorge; Fürsorge für besondere Menschenrassen
. Reichliche Zitate ermöglichen dem Leser
ein eigenes Urteil. Bei gelegentlichen auf die neuzeitlichen
sozialen Fragen eingestellten Bemerkungen macht
sich unauffällig eine apologetische Tendenz bemerkbar.
Für weitere Kreise bestimmt gibt die gemeinverständlich
gehaltene Schrift einen umfassenden Einblick in die
alttestamentliche Überlieferung in sozialen Fragen. Die
Anmerkungen zeigen, daß der Verfasser die einschlägige
Literatur in weitestem Umfang beherrscht. Aber es ist
bewußt -darauf verzichtet, die Phasen der Entwickelung
zu scheiden und eine Untersuchung darüber anzustellen,
was in dieser Überlieferung ideale Konstruktion später
Zeit ist und wieviel in die Praxis umgesetzt worden ist.
3er]jn. Friedrich Jeremias.

Sendung und Schicksal. Ein jüdisches Lesebuch. Aus dem Schrifttum
des nachbiblischen Judentums. Mitgeteilt von Nahum Norbert
Glatzer und Ludwig Strauß. Berlin: Schocken Verlag (343 S.)

Leinen RM 5.50.

Dieser erste Band einer beabsichtigten Reihe von
jüdischen Lesebüchern mutet in seiner vornehmen Ausstattung
wie ein jüdisches Laienbrevier an. Es ist weder
eine Anthologie aus jüdischer Literatur noch ein systematischer
Aufbau jüdischer Theologie und Ethik, sondern
eine Auswahl religiöser Themen als Ansprache an den
deutschen Juden von heute und morgen zur Besinnung
auf die Grundlagen des Glaubens. Tritt als Grundzug
immer wieder die Richtung des Religiösen auf Diesseitigkeit
und auf Heiligung des Profanen heraus, so fehlt
doch nicht der Einschluß eschatologischer Gedanken an
eine kommende Welt und Anklang zionistischer Ideale.
Der moderne Charakter zeigt sich in der Anlehnung an
die Schriftübersetzung von Bub* und Rosenzweig und
die Einbeziehung chassidischer Literatur. Die einzelnen
Kapitel bringen zuerst Material aus Talmud und Mi-
drasch, sodann rabbinische Beiträge bis in die Gegenwart
, besonders aber aus den Werken des Mainionides
und wertvolle Abschnitte aus chassidischen Legenden.
Historische Erinnerungen aus den Verfolgungszeiten sind
nicht ohne Schärfe und Bitterkeit.

Die Texte sind flüssig übersetzt. Auch nichtjüdische
Kreise, die sich in die Eigenart rabbinischer Sprechweise
einlesen, finden in dem Lesebuch eine anregende Einführung
in das Gedankengut, das für den im Glauben
an Schrift und Überlieferung gebundenen intellektuellen
Juden ausgewählt ist.

Berlin. Friedrich Jeremias.

Gächter, Paul, S. J.: Der formale Aufbau der Abschiedsrede
Jesu. Die Form der eucharistischen Rede Jesu. Strophen
im Johannes-Evangelium. (Sonderabdruck aus der Zeitschrift für
katholische Theologie, Innsbruck, 1934, S. 155 — 207; 1935, S. 419
bis 41; 1936, 99-120; 402—23). Innsbruck: F. Rauch.
In einer Reihe von Aufsätzen auf insgesamt über
100 Seiten bespricht Gächter den formalen Aufbau
der Reden Jesu (sowie des Prologs), wie sie uns das
Joh.-ev. überliefert. Bis auf Kap. 17 sind alle durchge-
i nommen. G.'s Ergebnis ist, daß überall ein strophischer
Aufbau festzustellen sei; die einzelne Strophe bestehe
aus Doppel- oder Dreierstfchen; die Einzelstiche — aus
zwei oder drei tontrageiiden Wörtern. Aus diesen forma-
i len Feststellungen heraus erkennt G. nun den Aufbau
' der größeren Abschnitte. Er zieht daraus Schlüsse sowohl
I literarischer, als exegetischer Art. Bei den Schlüssen
: literarischer Art fällt auf, mit wie großem Freimut G.
I anerkennt, daß die symmetrische Form der Reden ihre
Entstehung dem Tradenten (= dem Ap. Johannes) ver-
i danken muß, und so nicht auf Jesus zurückgehen kann.

Daran knüpft er Beobachtungen mannigfacher Art: bei
S mehreren Reden vermutet er, daß wir Zusammenstellun-
1 gen von einzelnen Pnedigten und Predigtstüeken des Apostels
vor uns haben, die seine Schüler und Gehilfen aufgeschrieben
haben; ferner meint er bei einzelnen Stücken
Redaktionsarbeit für den Zweck des geschriebenen Evang.
feststellen zu können, die den formalen Rahinen für das
Ganze herstellte usw. usw. — Das sind durchaus interessante
Vermutungen, die sich nein formal garnicht so weit
von denen von E. Hirsch in seinen Studien zum
| 4. Evang. unterscheiden, wenn sie auch von ganz ande-
l ren Voraussetzungen herkommen. Allerdings kann man
| liier unmöglich zu einer Sicherheit irgendwelcher Art
, kommen. Für die Exegese ist es sicherlich wichtig, den
formalen Aufbau des Textes zu berücksichtigen; für die
Auslegung wird man manches Wichtige ihm entnehmen
können. Dennoch bezweifle ich, daß man den formalen
Beobachtungen so stark den Vortritt überlassen darf.
G. selbst durchbricht seine Regel, indem er Kap. 1,G—8
und 15 aus inhaltlichen, nicht aus formalen Gründen als)
nicht ursprünglich (wenn auch natürlich als johanueiseh)
ausscheidet. — Und doch ist auch viel Richtiges an dem,
i was G. beobachtet: man darf das Joh.-evang. nicht aus-
! legen, ohne seinen formalen Aufbau zu berücksichtigen.
Die Beobachtung, daß die Reden in Kap. 5; 8; (10, 11
bis 39; in 10,1 — 10 erkennt der Vf. keinen klaren Auf-
j bau!); und 14—16 aus Teilen von annähernd gleicher
| Länge bestehen, ist richtig und hält der Nachprüfung
i stand. Aber man darf sich die Auslegung — und auf
i die kommt es uns allen doch in erster Linie an — nicht
I allzu stark von der Form diktieren lassen.
I Riga-__H. Seesemann.

Lösch, Prof. D. Dr. Stephan: Diatagma Kaisaros. Die Inschrift
von Nazareth und das Neue Testament. Freiburg i. Br.: Herder & Co.
1936. (XIII, 100 S.) gr. 8°. RM 6.50.

Im Jaihre 1878 empfing der, 1925 in Paris verstorbene
, Altertumssammler Wilhelm Fröhner aus Nazareth
eine Marmorplatte mit einer griechischen Inschrift, die
1930 erstmalig von Franz Cumont in der Revue histori-
que CLXIII 241—266 veröffentlicht und erläutert wur-
| de. In den folgenden Jahren ist dann eine ganze Litera-
i tur darüber entstanden, die Lösch auf S. XI—XIII sorgfältig
zusammengestellt und dann in seiner Arbeit ver-
I wertet hat.

j Die Inschrift umfaßt 22 Zeilen und ist eine kaiser-
, liehe Verfügung, überschrieben AidTreyii« KuiWooi;. Da der
Name des Kaisers fehlt, muß die Paläographie das Beste
zur Ermittelung der Entstehungszeit tun. Sie gibt als
I Grenzen nach oben und unten den Beginn der Regie-
I rung des Augustus sowie die Mitte des ersten nach-
I christlichen Jahrhunderts. Schon Cumont hatte in seiner
Erklärung auf die Möglichkeit verwiesen, daß es sich
: genauer um Tiberius handeln könne, da der von den
Synediristen gegen die Jünger erhobene Vorwurf des
Leichenraubes (Mt. 27, 62 ff.; 28, llff.) vielleicht den Anlaß
zu der Verordnung gegeben hätte.