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Ausgabe:

1938 Nr. 7

Spalte:

116-117

Autor/Hrsg.:

Cooke, George A.

Titel/Untertitel:

A critical and exegetical commentary on the Book of Ezekiel 1938

Rezensent:

Bewer, Julius August

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 7.

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Allzuvielen, die sich heute auf die Volkskunde stürzen.
Das wird sofort an der Begriffsbestimmung deutlich,
die präzise Religion und Aberglauben in ihrem Verhältnis
abgrenzt, aber auch das profane Spiel berücksichtigt
, das bereits von ihnen abgestoßen war (Maske).
Steht bei Pfister im Vordergrunde das Problem, den
deutschen Volksglauben der Gegenwart als ein historisch
Gewordenes zu verstehen und den Zusammenhang zwischen
Germanischem und Deutschen nachzuweisen, wobei
Unterschiede der Gesellschaftsschicht, des Blutes und
des Bodens zu beachten sind, so gibt es auch Grundformen
des Glaubens, sog. Elementargedanken, die unabhängig
von der Rasse sind wie allgemein-gültige logische
und mathematische Denkformen. Dazu gehört in
erster Linie der Machtglaube, den Pfister im deutschen
Volksglauben in der Erscheinung der Berserker wirksam
sieht, die durch Anziehen eines Bärenfelles die
Kraft überzuleiten glaubten und so in tierische Wildheit
gerieten, oder in der Vorstellung, daß die Fruchtbarkeit
oder Gesundheit vom König abhinge und beeinflußt
würde. Orendistisch war auch die altgermanische Vorstellung
von den Toten, denen man unter Umständen mit
dem Wurfspieß begegnen muß, wie der Glaube an die
eigene Kraft, der zu der Behauptung eines altnordischen
Atheismus Anlaß gab. Der massive Glaube, einem Gott
zu dienen, weil er helfen kann — und daher dem Mächtigsten
— spricht sich noch heute in bäuerlicher Frömmigkeit
aus, andrerseits verbrannten Nordländer nach den
Sagas ihre Götterbilder oder schlugen sie mit Keulen,
wenn sie an ihrer Macht verzweifelten. Gegen Kummers
Deutung dieser Berichte als aus Heidenhaß geboren verweist
Pfister auf Seb. Francks Beschreibung des St.
Urbansfestes, bei dem sich Ähnliches ereignete, wenn
das Wetter enttäuschte.

Wie sich Pfister nicht scheut, die Fachausdrücke
„Orenda" und „Tabu" zu verwenden, die heute ungern
gehört werden, betont er, daß die altgermanische Religion
auch das eigentliche Opfer gekannt habe, die Darbringung
von Gaben und Geschenken an persönliche
Götter. Aus diesem urtümlichen Urgrund stammt der
Brauch, Abbildungen von Gliedern als Weihgeschenke
darzubringen, der im frühen Mittelalter von der Kirche
als heidnisch verboten wurde. Neben dem Glauben an
krafterfüllte Personen und Amulette, der uns bereits
in germanischer Zeit begegnet, ist in den Fylgjen der
Glaube an einen Schutzengel vorgebildet, so daß Pfister
den Satz wagen kann, die Aufstellung der katholischen
Dogmen sei ein Zugeständnis an den Volksglauben gewesen
. Um so weniger ist dann die Überspitzung des
artfremden Charakters der christlichen Religion bei Pfister
verständlich, den er wesentlich in ihrer monotheistischen
, auf einen persönlichen Stifter zurückgehenden
Eigenart bestimmter rassischer Prägung sieht. Sein neuer
Begriff der germanisch-deutschen „Glaubensenergie",
die er von Wulfilas über Luther, Böhme, Bismarck bis
Hauer wirksam sieht, dürfte vor allem in der Betonung
des einheitlichen Untergrundes der völkisch-religiösen
Bewegung zu wirklichkeitsfremd sein. Ebenso widersprechen
die archaeologischen Funde, die zuletzt de
Vries II in guten Abbildungen vorlegt, Pfisters Zustimmung
zu dem Tacitus-Bericht vom tempel- und bildlosen
Kult der Germanen, der erst durch den Einfluß
der römischen Provinz, dann durch die christlichen Bilder
geändert sei. Von diesen Abweichungen von seiner Ausgangsposition
, die allerdings nur in den beiden letzten
Abschnitten in Erscheinung treten, abgesehen, vermittelt
die umsichtige, sorgsame und erkenntniskritische
Darstellung Pfisters einen erschöpfenden Eindruck vom
Wesen deutschen Volkstums in Glauben und Aberglauben
; sie berücksichtigt alle wesentlichen Gesichtspunkte
des weit verzweigten Forschungsgebietes und kann im
Ganzen als geglückter Versuch gelten, das Weiterleben
der gleichen Glaubensformen durch die Jahrtausende
nachzuweisen.

Quakenbrück. H. Vorvrah 1.

I Cooke, O.A..D. D.: A Critical and Exegetical Commentary
on the Book of Ezekiel. Edinburgh: T.&T. Clark 1936. (XLVII,
558 S., 1 Tafel). 8° = The International Critical Commentary. Editors
: S. R. Driver, D. D., A. Plummer, D. D., C. A. Briggs, D. D.

Dieser Kommentar, zur Serie des International Critical
Commentary gehörend, krönt das Lebenswerk des
Vfs. Mehr als dreißig Jahre hat er daran gearbeitet,
sich in die Gedankenwelt des Propheten versenkt, die
Probleme, die immer komplizierter wurden, durchdacht,
die verschiedenen Lösungen mit offenem Sinn sorgfältig
und kritisch erwogen umd daraufhin sein Urteil gebildet.
Dabei hat Hesekiel, der zuerst abstößt, sich ihm er-
j schlössen und ihn schließlich durch seine Seelengröße für
sich gewonnen. Wie wichtig das für ein wirkliches Verständnis
des Propheten ist, kann man aus den Veröffentlichungen
über Hesekiel aus den letzten Jahrzehnten
sehen, die bei aller Gelehrsamkeit und allem Scharfsinn
; die notwendige Einfühlung vermissen lassen und daher
! Hesekiel nicht gerecht werden konnten. Cooke steht
I hinter keinem weder an umfassender, exakter Gelehrsam-
| keit, noch an Scharfsinn und wohldisziplinierter Urteils-
| kraft zurück, aber er hat seines „Geistes einen Hauch
verspürt". Das konnte er, weil er an das Studium des
Propheten nicht mit vorgefaßter Leugnung des Überna-
i türliohen herantritt, sondern wie man es bei einem prophetischen
Buch sollte, mit dem Glauben, daß der göttliche
Geist tatsächlich auf den menschlichen Geist einwirkt
. Dadurch konnte er ihn verstehen und deutlich die
Echtheitsmale des Propheten erkennen und seinen Visionen
wie seiner Gabe des zweiten Gesichts gerecht wer-
, den.

So steht denn Hesekiel wieder in seiner ganzen Größe
als gottbegeisterter und geweihter Prophet und Priester
vor uns mit seinem machtvollen Einfluß auf das religiöse
Leben seines Volkes.

Sein Buch freilich hat sich, wie auch die anderen prophetischen
Bücher, mannigfache Veränderungen gefallen
lassen müssen. Wohl stammt es im Großen und Ganzen
von ihm selber, auch sein ursprünglicher Plan ist von
ihm, aber der ist durch Herausgeber gestört worden, die
alle Völker beisammen haben wollten, dabei 3, 22—27;
! 4,4. 5. 8 von 24,26. 27; 31,21. 22 trennten und im
I ganzen Buche viele Zusätze machten, die teils verwirrten,
aber auch teils bereicherten. Abgesehen von vielen Glos-
! sen und kleineren Erweiterungen findet Cooke die Haupt-
I zusätze in 10,1. 3—6. 8—17. 19b—22; 11,1—21; 16,
59—63; 17,22—24; 20,12.13.16.20.21.24.27—29; 21,33
bis 37; 22,23—31; 23,7—10. 36 49; 25,6.7. 27,9 b—25 a;
30,1 — 19; 32,20.21.25.29 32; 34,17—31; 35;36, 33—38;
38; 39; 43, 13—17; 44, 25—31; 45; 46, 1—18; 47, 13 -48, 35 ;
Einige davon sind aber echtes hesekielisches Gut, z. B.
! 11,1—13. 14—21; bei einigen bleibt es ungewiß, ob
sie echt sind oder nicht, z. B. bei 25 (vgl. S. XXV mit
; S. 281) und 35 (vgl. S. XXV mit S. 382); bei anderen,
ob sie nicht vielleicht von Hesekiel selbst hinzugefügt
j sind, z. B. bei 23, 36—49. Überhaupt drückt sich Cooke
! immer sehr vorsichtig aus und unterscheidet genau zwischen
dem, was ihm sicher, wahrscheinlich oder nur möglich
zu sein scheint. Die wirklich bedeutenden, unechten
Zusätze sind nach ihm eigentlich nur die Weissagung
gegen Amnion (21), die Zukunftsweissagung in 34,17
j bis 31, die Weissagungen gegen Gog (38. 39) und die
1 Erweiterungen im Verfassungsentwurf (43—48).

Die neuerdings vorgeschlagene Hypothese, daß Hesekiel
nicht in Babylonien, sondern in Palästina gewirkt
habe, sowohl in der radikalen Form von Torrey, wie in
! der gemilderten von Herntrich ist nach meinem Urteil
mit Recht abgewiesen. Die Kompromißform von Ber-
I tholet in dessen neuem Kommentar hat Cooke noch nicht
! gekannt, doch würde er sie wohl auch abgelehnt haben.
Im Ganzen genommen ragt Cooke's Kommentar über
alle neueren hervor als der vollständigste und sorgfältigste
, den wir haben. Englische und deutsche Forscherarbeit
ist hier aufs glücklichste vereinigt. Immer angeregt
von deutscher Fragestellung, oft ihre Resultate anneh-