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Ausgabe:

1938

Spalte:

97-99

Autor/Hrsg.:

Buchmann, Klara

Titel/Untertitel:

Die Stellung des Menon in der platonischen Philosophie 1938

Rezensent:

Breithaupt, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES, Göttingen, und Prof. ü. Dr. GEORG WOBBERM1N. üorli.»

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Bibliotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, und Bibliothekar Lic. E. STEINBORN, Berlin.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und gelehrte Mitteilungen aimt a u i 8 c h 1 i e 11 i eh an Profetsor D. BAUER in Göttinpen, Düstere Eichenweg 14, zu «enden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewähr für Itesprechung von unverlangt gesandten Rezensionsexemplaren
, besonder! noch bei Zusendung nach Göttingen, kann nicht übernommen werden.

Printed in Gertnany.

J. C. HINKICHS VERLAG, LEIPZIG Cl

63. JAHRGANG, Nr. 6 12. MÄRZ 1938

Spalte

Berichtigung (Kittel)............. 111

Buchmann: Die Stellung des Menon in

der platonischen Philosophie (Breithaupt). 97

Herrmann: Thüringische Kirchengeschichte
(Meyer)................. 104

Peters: Philipp Jakob Spener (Wolf). . . 110

Spalte

Schaffner: Offenbarung in deutscher
Landschaft (Vorwahl)............ 99

Schmidt: Studien zur Stilistik der alttesta-
mentlichen Sprucliliteratur (Zimmert!). . . 101

Schmitt: Der Kampf um den Katechismus
in der Aufkläiitngsperiode Deutschlands

Spalte

(Wicke)...................106

Till: Koptische Heiligen- und Märtyrerlegenden
(Bauer)..............103

W e i n s t o c k : Platonische Rechenschaft

(Breithaupt)................. 97

Welt des Gesangbuchs (Luther).......111

Buch mann. Klara: Die Stellung des Menon in der plato- fifcenittnta; ihre Fortentwicklung zur Ideenlehre zeigt
nischen Philosophie. Leipzig: Dietrich 1936. (vill, 102 S.) gr. s°. der Phaidou, wahrend die frühen Schriften keine Spur
= Philologus Supplementband xxix, H. 3. davon anweisen. Die Mittelstellung des Menon zeigt

Wein stock, Heinrich: Platonische Rechenschaft. Piatons 7. auch die Untersuchung des Problems: Tugend ist Wissen
Brief übers, u. ausgelegt. Berlin: Verlag Die Runde 1936. (91 S.) > und lehrbar. Hatte noch der Protagoras das Lernen als
gr. 8°. Kart. RM 4 —. Herübernahme von Wissen in die Seele bezeichnet, so

Schon Schleiermacher hat die Eigenart des platoni- bekommt diese Erklärung jetzt von der Metaphysik her,
sehen Menon erkannt und seine Bedeutung hervorgeho- nämlich durch die Anamnesis, ein ganz anderes Gesicht:
ben. Doch noch nie ist die Sonderstellung dieses Dialogs Wissen ist Weckung, und somit ist die Tugend lehrbar,
mit solcher Eindringlichkeit herausgearbeitet worden, wie wofür sie Sokrates im Protagoras noch nicht gehalten
das durch die sorgfältige Interpretation von Klara i hatte. Während die frühen Dialoge die Qleichsetzung
Buch mann geschieht. Die Verfasserin will zeigen, daß von Tugend und Wissen vollziehen, wendet sich der
der Menon die Frühzeit Piatons abschließt und gleich- Menon von diesem werttlieoretischen Intellektualismus ab.
zeitig neuen Grund legt. Daß eine solche Untersuchung ; indem er keine Identität, sondern nur die Zugehörigkeit
sich nicht auf den Menon beschränken kann, sondern zu : des Wissens zur Tugend ausspricht; das bedeutet eine
einer Betrachtung des Gesamtwerks führen muß, ist von Hinwendung zum praktischen Intellektualismus, der dem
vornherein klar, und so sichert die Verfasserin ihren Weg ! Wissen den Vorrang unter den Seelenkräften zuspricht,
denn auch durch stete Rückblicke auf die voraufgehen- i Die endgültige Lösung der Frage bringt die Entdeckung
den Schriften Piatons wie durch Ausblicke auf die fol- j der alles beherrschenden Idee des Guten, von der das
genden. Wissen seinen Wert empfängt, während im Menon das

Der Menon wird zunächst auf seine äußere Struktur j Gute seinen Wert vom Wissen erhalten hatte. Der Menon
eingehend geprüft. Die Betrachtung der Sokratesgestal- ; mildert nun den praktischen Intellektualismus durch die
tung zeigt, daß Piaton auf dem Punkte steht, das un- Doxa, die schwächere Erkenntnis, die das Bindeglied
fruchtbare Nichtwissen des Sokrates der frühen Dialoge j zwischen dem Wissen in der Präexistenz und dem der
in positive philosophische Kraft umzuwandeln. Sokrates ; Erweckung bildet, und vertieft ihn zugleich,
ist im Menon noch der unwissende Frager, aber auch i Die durch überzeugende Beweisgründe gestützten
schon der wissende Lehrer, als der er vom Menon ab Ausführungen der Verfasserin darf man als gelungen
erscheint. Dem entspricht auch die Dialogform. Unter- } ansehen, obwohl im einzelnen, z. B. in der Anamnesis-
scheidet sich der Menon von den Frühdialogen — vom >. lehre, Fragen offen bleiben. Wenu auf sie die Antwort
Protagoras abgesehen — schon äußerlich durch seinen j nur mit einem Grade von Wahrscheinlichkeit gegeben
dreistufigen Aufbau, so weicht er auch von ihnen durch j werden kann, so zeigt das, daß Piaton wohl noch "nicht
den Wechsel von Lehrform und Frageform ab. Der Un- i bis zur äußersten Grenze der Probleme durchgestoßen
terschied zeigt sich aber auch in der geradlinigeren Aus- | war. Anderseits erwägt die Verfasserin bei der Betrachrichtung
der Aussprache auf das Ziel und in der Gewin- j tung des Eidos die Frage, ob Piaton gar schon über
nung von Erkenntnissen, die die Ergebnislosigkeit der seine eigene Darstellung hinaus war. Recht geben muß
frühen Dialoge ablöst. man ihr auch in ihrer Beurteilung der Aporien der Früh-

Im zweiten Teile wendet sich die Verfasserin dem dialogc sie nimmt den Zweifel des Sokrates an der
philosophischen Gehalt des Menon zu. Die Gegenstände, Lehrbarkeit der Tugend im Protagoras ernst. Nach dem
um die sich die Untersuchung bewegt, sind das Eidos, Vorstehenden kann es nicht zweifelhaft sein, daß die
die Anamnesis und das Verhältnis zwischen Arete und Verfasserin sich in der Entscheidung über die Einheits-
tpisteme. In dem Eidos hat Piaton eine Entdeckung 1 oder Entwickluiigsauffassung des platonischen Denkens
gemacht, die er an dem Gegensatz von Tugend und einer auf die Seite der letzteren stellt. Sie fragt z. B. mit
lugend darbietet. Die Verfasserin müht sich angelegent- ; Recht, warum gerade erst der Menon die Grundfrage
lieh um seine Bestimmung. Sie lehnt die Auffassung des nach der Möglichkeit des Erkennens aufwirft, und so
u ■ h p '°S'scn€n Begriffs ebenso ab wie die meta- versteht sie Piatons Philosophie als eine von der Ergebphysische
Fassung im Sinne der Ideenlehre und stellt : nislosigkeit der ersten Schriften zu der Metaphysik der
fest, daß Piaton es für das noch ganz gegenständliche, späten fortschreitende Entwicklung. Mitteninne steht der
immanente Wesen der Dinge hält. Durch Einführung der Menon, der formell und inhaltlich den Wandel des Philo-
Anamnesis lost Piaton das Problem der Möglichkeit der sophen selbst zum Ausdruck bringt.

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TÜB.