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Ausgabe:

1938 Nr. 5

Spalte:

87-88

Autor/Hrsg.:

Edwards, Maldwyn

Titel/Untertitel:

John Wesley and the eighteenth century 1938

Rezensent:

Laun, Justus Ferdinand

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87

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 5.

88

Edwards, Maldwyn : M. A. (Cantab.), M. A (Wales): John Wesley
and Ihe Eighteenth Century. A Study of his Social and Political
Inflnence. London: O. Allen and Unwin 1933. (220 S.) 8°. 6 sh.

Eine Teiluntersuchung von besonderem Interesse.
Außer bei W. J. Warner: „The Wesleyan Movement
in the Industrial Revolution", ist die Frage nach der sozialen
und politischen Bedeutung der methodistischen
Erweckung noch nicht Gegenstand einer Spezialuntersuchung
gewesen. Über jenes Werk hinaus liegt hier der
besondere Ton auf der Wirksamkeit des eigentlichen
Begründers und Leiters dieser gewaltigen Erweckungsbe-
wegung.

Einleitend wird W.s allgemeiner politischer Standpunkt
festgestellt: Er war konservativ und hochkirchlich.
Ersteres blieb er bis ans Ende, letzteres hat sich unter
dem Druck der Ereignisse gründlich gewandelt: Er wurde
der Vater der Evangelical Party und damit der gegensätzlichen
Richtung in der anglikanischen Kirche.

Der 1. Abschnitt behandelt John Wesleys politische
Weltanschauung und praktische Haltung gegenüber König
, Adel und Volk, der 2. sein Verhältnis zu dem politischen
Geschehen seiner Zeit, vor allem zum amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg und zur Französischen Revolution
, der 3. sein Verhältnis zum Rom. Katholizismus,
sein Anteil an der Abschaffung der Sklaverei, und an anderen
Bestrebungen der Sozialreform, sowie seine pädagogischen
Ansichten und Bemühungen, der 4. Abschnitt
stellt John Wesleys politischen Einfluß zusammenfassend
dar und zeigt die Wandlung der öffentlichen
Meinung gegenüber dem Methodismus und seinem wachsenden
Einfluß an der sich total ändernden Haltung
der Presse und der literarischen Kritik.

Der Inhalt dieser Untersuchung ist nicht nur
von historischem Wert, sondern von hoher Aktualität
der Problematik. Für die Frage nach dem Verhältnis
zwischen Kirche und Staat, für die Frage, wieweit ein
Geistlicher sich um politische Angelegenheiten zu kümmern
und in welcher Weise er das zu tun habe, für die
Frage nach dem Verhältnis der Ordnung in der Kirche
zur jeweiligen Staatsverfassung — um nur einige der aktuellsten
Probleme der Sozialethik zu nennen — findet
man in diesem kleinen Buch eine Fülle von Anschauungsmaterial
und reife biblische, theologische und philosophische
Gedankenführung.

Der Verfasser betont wiederholt, Wesley habe keine
politische Urteilskraft gehabt, er zeige kein Verständnis
für den eigentlich politischen Aspekt einer Situation.
So wolle er z. B. trotz aller Liebe zum niederen Volk
nichts davon wissen, daß dieses politisch rechtlos sei,
sondern weise immer wieder daraufhin, daß das Volk
unter der gegenwärtigen Regierung glücklich sei, und
weiter brauche es nichts. Das ist umso auffallender, als
W. sehr wirkungsvolle politische Flugschriften geschrieben
hat, z. B. „Free Thoughts on Public Affairs" und
„Thoughts on Liberty". Seine Schriften während des
Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, bei dem er wie
Luther im Bauernkrieg zunächst die Interessen der Freiheitskämpfer
, dann aber umso energischer die seines Königs
vertrat, wurden zu Hunderttausenden im ganzen
Land verbreitet und riefen lebhafte Auseinandersetzungen
hervor. Wie kommt es, daß er einen politisch heilsamen
Einfluß ausübte, daß seine Nachfolger die politischen
Führer der englischen Arbeiterschaft wurden, wenn er
keine politische Urteilskraft hatte? Hier steht der offenbar
liberal-demokratisch denkende Verfasser unter einem
Vorurteil, das ihn dem großen Mann nicht gerecht werden
läßt. Er hebt selbst wiederholt hervor, W. habe stets
ethisch, nicht politisch geurteilt. Aber ist nicht eben das
die Aufgabe der Stellungnahme eines Kirchenmannes
zu politischen Tagesfragen? Und wenn der Verf. bedauert
, daß W. keine geschlossene politische Weltanschauung
gehabt habe, so ist das kein Wunder, denn W.
war Engländer. Das heißt aber: Er war kein Systematiker
, sondern Praktiker. Gerade das geht aus dem ganzen
Buch immer wieder deutlich hervor, und wird auch
vom Verf. hervorgehoben, daß W. in seinen Entschlüssen

von praktischen Notwendigkeiten getrieben wurde. Darum
erwies er sich als Organisator und Leiter seiner Bewegung
als einer der größten Staatsmänner aller Zeiten.
Ist Politik nicht die Kunst der Massenbehandluug und
Massenbewegung? Hierin war W. ein ganz giroßer
Künstler. Und seine Anschauung? Sie ist biblisch! Das
stellt man immer wieder mit Befriedigung fest. Darum
| ist die vorliegende Untersuchung eine besonders wertvolle
Hilfe für das gegenwärtige Suchen nach der rechten politischen
Haltung des Christen-
Ich bedauere, daß mir der Raum fehlt, auf die einzelnen
Probleme näher einzugehen. Ich kann nur die
Ethiker und Praktiker auf diese Fundgrube hinweisen.
Für die Historiker ist besonders das 11. Kapitel aufschlußreich
, in dem in meisterhafter Weise die politische
I und soziale, geistige und kirchliche Lage Englands skiz-
' ziert und gezeigt wird, wie reif Volk und Land für die
! Botschaft John Wesley waren. Man staunt immer wieder
über die Ähnlichkeit in vielen Punkten mit der heutigen
| Situation — nicht nur in England, sondern in der ganzen
j Welt — und so findet man denn hier als Historiker eine
Erklärung dafür, warum die heutige, der methodistischen
! Erweckung im Entscheidenden (nämlich in der Forderung
: die Umwandlung des Menschenherzens ist die
Voraussetzung sozialer Besserung!) so ähnliche Welter-
| weckung der sogenannten Oxford-Gruppenbewegung
| einen so erstaunlichen Erfolg in über 50 Ländern der
| Erde hat. Und wieviel Ähnlichkeit hat deren Leiter, Dr.
j Frank Buchman, mit John Wesley!

Ich muß abbrechen, kann aber das Studium dieser
Untersuchung nur dringend empfehlen. Auch die außer-
| ordentlich reichhaltige Bibliographie zeitgenössischer Li-
l teratur ist sehr dankenswert.

Okarben (Oberhessen). J. F. Laun.

Schi Igen, Hardy, S. J.: In der Schule Loyolas. Der Gedankengang
der Ignatianischen Exercitien. 2. Aufl. Freiburg im Breisgau:
Herder u. Co. 1934. (XII u. 272 S.) 8°. geh. RM5-; geb. RM 6.20.

Aus der großen Zahl der Exercitien-Auslegungen hebt
j sich die vorliegende durch ihren frischen, volkstümlichen
i Ton, durch ihre Einfachheit und Nüchternheit, durch
j ihr Vermeiden alles erbaulichen Beiwerkes und durch ein
weitgehendes Sich-Anpassen an den Durchschnitt heraus.
Das Buch will eine Handreichung für den Exercitien-
meister sein, will aber auch die Teilnehmer fördern und
Nichtkatholiken Einblick in diese ihnen fremde Welt gewähren
(S. VIII). Verf. hat bei Abfassung seiner Schrift
keine anderen Kommentare benutzt, er hat auch keinen
j besonderen Stand berücksichtigt und hat, was besonders
hervorgehoben werden muß, sämtliche Einzelausführun-
gen durch den Gedanken des Opfers der Hingabe zu
i einer inneren Einheit zusammenzufassen versucht (z. B.

S. 9). Dadurch wird freilich alles viel geschlossener
I und klarer, aber für mein Empfinden auch enger und den
ursprünglichen Reichtum nicht überall mehr wahrend.
Auf Einzelheiten brauche ich wohl in dieser Zeit-
! schritt nicht weiter einzugehen. Merkwürdig berührt der
! Satz: „Gott sprach zu Moses: ,Ego sum, qui sum'. ,6 <V,
I wie es im Urtext (sie!) heißt" (S. 3). Daß Verf. die
I Legende häufig verwertet, wird man begreiflich finden
! (z. B. S. 250f.: „Wenn uns auch die Heilige Schrift
i nichts darüber berichtet, daß Jesus seiner Mutter erschien
, so dürfen wir dies doch als sicher annehmen").
' Als Grund für den Engelabfall wird angegeben, daß sie
unwillig geworden seien, „weil Gottes Sohn mit einem
Menschen und nicht mit einem Engel die hypostatische
Vereinigung eingehen wollte" (S. 61). Voltaires Tod wird
I wenige Seiten später fast in Form einer Schauergeschichte
! zur Warnung breit ausgeführt (S. 77).

Dies Arbeiten mit billigen Kontrasten macht sicher
auf breitere Massen Eindruck, auf sie ist auch eine Ver-
i gröberung dogmatischer Aussagen berechnet. Wie oft
spricht Verf. vom „Glück" (S. 12, 105), das wir erlan-
, gen, sobald wir uns Mühe geben, wie oft weist er darauf
I hin, daß es „in unserem ureigensten Interesse liegt"
(S. 34, 36, 52, 177 u. ö.), Gott zu dienen. Nur ge-