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Ausgabe:

1938 Nr. 4

Spalte:

79

Autor/Hrsg.:

Lewy-Suhl, Max

Titel/Untertitel:

Die Funktionen des Gewissens in den neurotischen Krankheiten 1938

Rezensent:

Knabe, Eberhard

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Seite 1

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79 Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 4. 80

liehen Kunst geblieben, wenn es auch nicht so restlos
auf das deutsche Sprach- und Kulturgebiet angewiesen
blieb wie die nachmittelalterliche Komposition des Christus
als Apotheker; denn für die mystische Kelter
und für die in ihr gefaßten theologischen und religiösen
Gedanken vermochten zwar England, Spanien und, von
den sogleich zu nennenden abgesehen, die übrigen europäischen
Länder kein Verständreis aufzubringen, aber sie
begegnet doch in den Nachbarländern Polen, Italien,
Schweiz und namentlich in Frankreich. Letzteres ist
besonders bemerkenswert, gewinnt aber reicheres Licht,
wenn wir uns daran erinnern, daß in dem von Abt Suger
(t 1151) erbauten Saint-Denis bei Paris nicht bloß die
erste vollentfaltete Darstellung des Jessebaumes (s.
meine oben genannte Besprechung des Buches von A.
Watson) und die älteste, heute nicht mehr vorhandene
Darstellung der mystischen Mühle (S. 163) sich findet,
sondern daß dieser Abt wahrscheinlich auch die Komposition
der Kundschafter mit der kanaanitischen Traube
als Vorbild des Heilandes am Kreuz in die Kunst eingeführt
hat (S. 97). Diese entstand also in derselben Zeit j
in Frankreich, als in Deutschland die mystische Kelter
geschaffen wurde, und auch ihre Entwicklung vollzog
sich in gleicher Weise: die mystische Kelter war also zunächst
nicht, wie die Kunsthistoriker zumeist, aber |
fälschlich erklären, ein Symbol der Transsubstantiation, |
sondern, gleich der mystischen Mühle, nur eine Allegorie |
des Leidens Christi; sie war anfänglich als alttestament-
liches Vorbild des Leidens Christi der Kreuzigung ge- '
genübergestellt, löste sich dann als Passionsdarstellung
aus dem typologisehen Bilderkreis heraus und wurde erst
auf der letzten Entwicklungsstufe ein lehrhaftes An- j
schauungsbild der Eucharistie. Genau so vollzog sicli
die Entwicklung der mystischen Mühle.

Verwunderlich ist mir, daß Th. mit keiner Silbe der
unserer Kelterkomposition inhaltlich so eng verwandten, j
ebenso tiefsinnigen als eigenartigen altchriistlichen Szene {
der sogenannten „Zuweisung" gedenkt, in der Christus'
mit der äußeren Zuweisung ihrer Arbeitsgebiete sich den I
ersten Menschen unter den Zeichen der Ähren und des
Lammes selbst darbietet als Brot und Blut (des Lammes) i
der Eucharistie, d. i. des cpdo|Mxxov äftavaertag.

Ferner wird in dem Verzeichnis der 47 schönen Ab- i
bildungen auf 24 Tafeln, die Th. seinem Werke einge- !
schaltet hat, sehr vermißt, daß zu den einzelnen Bildern i
kein Hinweis auf die Textseiten gegeben ist, auf denen j
sie besprochen sind; dieser Hinweis war um SO' unerläßlicher
, da die Bilder weder chronologisch noch sonstwie
geordnet einander folgen. Als Druckversehen ist j
zu nennen S. 117, Z. 4 rechts st. links; im Register s. v. I
Kundschafter fehlt 55.

Wir wünschen und wir versprechen uns von Alois j
Thomas weitere Arbeit und weitere Früchte dieser so er- i
folgreich, umsichtig und besonnen begonnenen Arbeit |
auf dem Gebiete der mittelalterlichen künstlerischen Bil- I
dersprache.

Berlin-Grunewald. Georg Stuhlfauth. '

Lewy-Suhl, Max: Die Funktionen des Gewissens in den |
neurotischen Krankheiten. Schwerin: Fr. Bahn 1932. (22 S.) I
8°. RM —90. I

Der Verfasser unterscheidet wohl zu theoretisch! zwi- '
sehen Gesunden und Neurotikern. Das Grundübel ist |
bei beiden gleich. Der Verfasser, der das Gewissen als
ein nicht mehr Abzuleitendes anerkennt, sieht es aber
nicht in seinem Angewiesensein auf Gott, darum sucht
er auch einen Weg der Selbsterlösung, nicht den. lutherischen
. Doch über die speziellen Nöte des Neurotikers
vermag der Mediziner Wesentliches zu sagen.

Moritzburg. E. Knabe.

23or kurgem erfdjien:

©et Hatljoiijtemus

Bein Btivb unt> Wcvbt

Von katholischen Theologen und Laien

Herausgegeben von

Prof. Dr. Gustav Mensching

Direktor des Religionswisaenschaftlichen Seminars

der Universität Bonn
248 Seiten. Preis RM 4.50; gebunden RM 5.80

Aus einer Besprechungder „Deutschen
Allgemeinen Zeitung" (7. XII. 1937):

Es liegt etwas schmerzlich Bewegendes in diesem
Werk einiger katholischer Theologen, die um der Wahrheit
willen gegen erstarrte Tradition kämpfen, und
zwar deshalb, weil dies Werk einerseits ein packendes
Bekenntnisbuch seiner Verfasser für die breite Oeffent- .
lichkeit, und andererseits dazu verurteilt ist, als Notschrei
aus anonymem Dunkel zu erscheinen. Hier
bekennen gläubige Katholiken; Wahrheitsucher ringen
um die ewigen Werte ihres Glaubens unter Abstreifung
aller dogmatischen Krusten und Hüllen — und
bringe es auch die „ewige Verdammnis". Sie zeigen
den evangelischen Mitchristen, „daß alles, was uns
trennt, nur Menschenwerk ist", und ihren deutschen
Volksgenossen enthüllen sie „das wahre Antlitz" katholischen
Glaubens

Idee und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart
, Lehre und Leben werden in unzweideutiger
Schärfe einander gegenübergestellt. Gerade was der
Außenstehende von dem Vorwerk dieses Riesengebäudes
am ehesten zu bewundern bereit ist: die logische
Geschlossenheit des thomistischen Begriffssystems
, die unbedingte Lehrautorität des Papstes und
die korrespondierende Disziplin der Gläubigen, die
Pracht des Kultes und die Macht der reichen Gnadenmittel
— das alles tritt in ein neues Licht, wenn man
die Innenarchitektur mit ihren ungelösten Spannungen,
Strebungen und eingemauerten Kräften beobachtet.
Der Ernst der Kritik bleibt erschütternd bis zur letzten
Seite.

Der zweite Teil des Buches bringt eine positive
Darlegung katholischer Gläubigkeit auf der Grundlage
modernen Geschichts- und Forschungsbewußtseins.
Diese Kritiker ihrer Kirche sind überzeugteste Katholiken
mit außerordentlichem Glaubensmut. Das zeigt
vor allem die ausführliche Kritik des „Modernismus",
die Grundstellung der Verfasser zu den „religiösen
Ewigkeitswerten des katholischen Dogmas" und schließlich
die Auffassung des Trinitätsgeheimnisses u. a.
Hier wird noch geglaubt, wenn auch nicht einfach
„wider die Vernunft", und katholisch argumentiert
bis zum Schluß. Tausende Brücken aber führen von
diesem Buch hinüber zu protestantischer Haltung: so
das echte Wahrheits- und Verantwortungsbedürfnis
auch in Glaubensfragen, oder die stille Sehnsucht
nach allgemeinem Priestertum mit seinem unmittelbaren
Stehen vor Gott. Die quälende Not und das
strenge Wahrheitsbewufitsein müßten hinreichen, das
Streben der Verfasser auch vor ihrer Kirchenbehörde
zu rechtfertigen. „Es ist besser, daß ein Aergernis entsteht
, als daß die Wahrheit verlassen wird", sagte einst
Bernh. v. Clairvaux.

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Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 26. Februar 1938.

Verantwortlich: Prof. D. W. Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.
J. C. Hinrichs Verlag, Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.