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Ausgabe:

1938 Nr. 4

Spalte:

73-76

Autor/Hrsg.:

Günther, Gotthardt

Titel/Untertitel:

Christliche Metaphysik und das Schicksal des modernen Bewusstseins 1938

Rezensent:

Sieber, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 4.

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Problematik" bricht auf, die der christliche Offenbarungsglaube nie erreichen
kann, Sendling aber mit seiner „freien Religion" angedeutet hat.
Es ist die Idee des „Reichs des Parakleten", nach dem „spekulativen
Karfreitag" ! Das Christentum wird selbst Gegenstand freiwilliger Erkenntnis
, eine Freiheit, die christlich gar nicht relevant wird, da nach
dem Schöpfungsbegriff das Sein nur gewesene Freiheit in Gott ist. Die

5) gibt es nicht sondern das 1920 von Dänemark nach j „daß es in die Freiheit des Menschen gelegt ist, Religion als metaphy-
tler En bloc-Abstimmung erworbene Gebiet ist den Bis- «sehen Existenzgrund seines Daseins anzuerkennen oder abzulehnen"
u..,> i u a n:»„„ „.„otoilt ,„nrHj>ii (S. 15). Das religiöse Bewußtsein löst sich aus der Geschichtsgebun-

tumern Hadersleben und Ripen zugetei t worden ; _ Qesd£.hte jst njcht mehr Offenbarung eines eindeutigen

Valdemar Ammundsens Artikel über„(jescbicWe, ( göttlichen Willens _ und orientier, an anderen Religionen den Reii-

Verfassung und Eigenart" Wird die letzte All>eit des , gjonsbegnff, 0hne damit einer vorhandenen Religion zuzugestehen, daß

Haderslebener Bischofs in deutsch er opracne bleiben. sje jnn völlig realisiert. Daraufhin ist der Idealismus verpflichtet, „die

Sie zeigt alle Vorzüge Ammundsenscher DarstellungS- i Gestalt der absoluten Religion vor unseren Augen entstehen" zu lassen

kunst; es »ibt keine andere Würdigung VOll Geschichte ! und den „wahrhaft absoluten Existenzgrund des religiösen Bewußtseins

und Gegenwart der dänischen Kirche, die in so kurzer | aufzuzeigen".

Form — auf knapp drei Bogen — orientiert. Daran I Günther folgt in der Problemstellung weithin Schelling, der hier

schließen sich eine kurze Literaturübersicht von Hai ! als die anderen Idealisten gesehen hat. Die Geschichte der christ-

rr . 1~ . tu-i* -a - v-i„fi. ,„„.-*. ,~n^ i r- I hchen Offenbarung ist seit Hege zu Ende. Gott hat seine Transzen-

Koch (auch sonst enthalt das Heft wertvolle Literatur- I denz verloren m*u säkularis^ert ,m Begrjff Reljgjöse Exjs(enz kann

hinweise mit besonderer Berücksichtigung der nicht dam- sich nur noch auf dje Frejheit grttnjteli den metaphysischen Existenz-
schen Literatur) Und eine kirchliche Statistik, von dem g,.und anzuerkennen oder zu verwerfen. Eine „urphänomale religiöse
besten Kenner dieses Stoffes, Pastor P. Nedergaard,
zusammengestellt.

Zu Ammundsens opus postumum wird man füglich
die Übersicht der Geschichte der dänischen Theologie
im 19. Jahrhundert aus der Hand von N. M. Plum

. ,, ~. , • . i n„ [/;■ „,,«./» nein acnopiungsucgiui uas ocin nur gewesene rreinen in uon isi. ue

stellen. Die Darstellung ist trotz aller Kurze sorg- i Bedeutung der Anfangslosigkeit im orientalischen religiösen Bewußtsein
fältig und — namentlich im ersten 1 eil — lebendig. . eröffnet eine neue Sicht dafür. Nur wenn die Welt und ihr Leid „echt
Zwei Persönlichkeiten, den reichsten, welche Dänemark | metaphysisch", absolut anfangslos gedacht wird, gibt es eine wirkliche

Erlösung davon, wozu der in der Geschichte des Christentums konzipierte
Logos nicht in der Lage war, trotz derartiger Behauptungen im
N.T. „Die Zeit der Apokalypse ist gekommen" (S. 38). „Der Logos
ist ganz im Reich der Finsternis aufgegangen und der, der einst der
,Sohn' war, liegt in der Umarmung der großen Mutter. Wenn aber der
,Sohn' und der ,Fürst dieser Welt' eins geworden sind, dann ist der
spekulative Karfreitag, d. h. die absolute Logik des vollendeten Bewußtseins
Jesu Christi erreicht, und in der wortlosen Stille des Sonnabends
ist das Licht der Finsternis und die Finsternis dem Licht gleich geworden
" (39). Mit derartigen Sätzen, durchsetzt von Mythologumena
aus Kabbala, Gilgamesch, Veda und anderswoher, geht es weiter. Sie
machen eine Eliminierung der Gedankengänge fast unmöglich. Gemessen
an der gestellten Problematik sind diese Ergebnisse nur mystifizierende
Versuche, denen gegenüber der Idealismus, auch der Sendlings, klarer
und einleuchtender sein Fiasko erklärt hat. Der Eindruck ist in der
Tat der eines spekulativen Karfreitags: „Es ward eine große Finsternis
über das ganze Land" !

Nehmen wir die Problematik ernst, die sich als Konsequenz
der idealistischen Religionsphilosophie ergibt, dann
bestätigen die Bemühungen des Idealismus, daß es sich
heute nicht um eine „Fortführung", sondern um einen
völlig neuen Ansatz handelt. Grundsätzlich muß mit der
idealistischen Konzeption des christlichen Glaubens gebrochen
werden, worauf die Theologie der letzten Jahre
unmißverständlich aufmerksam gemacht hat. Die Ge-

auf dem Gebiet der Kirche im 19. Jahrhundert hervorge
bracht hat, sind mit Recht besondere Artikel gewidmet:
Kierkegaard, von seinem besten Kenner Ed. Geismar,
und Grundtvig, von E. Borup. Evangelisation und
christliche Jugendarbeit behandelt Christian Baun, die
soziale und caritative Arbeit der dänischen Kirche Alfred
Th. Jorgensen, die Stadt- und Landgemeinden
Stiftspropst Skat Hoftmeyer und Pastor M. Hansen
.

Über Dänemark hinaus führen die Gedanken die drei
kurzen Aufsätze am Schluß dieser Darstellung der
„Kirche in Dänemark" in der Ekklesia-Sammlung.
Harald Jorgensen behandelt die äußere Mission der
dänischen Kirche, d. h. also die Anfänge evangelischer
Missionsarbeit überhaupt, G. S p ar r i n g-Pe tersen
die ökumenische Mitarbeit der dänischen Kirche und
endlich — last not least — Carl Matthiesen die
deutsche Minderheit in Nordschleswig in Schule und
Kirche.

Im Ganzen darf man dieses neue Ekklesia-Heft
als eine treffliche Einleitung in die dänische Kirche der
Gegenwart bezeichnen. Dasselbe gilt von der „Kirche
in Island", für die Siegmund-Schultze in dem Bischof

Jon Helgason in Reykjavik ihren berufensten Dar- "nimuveiyanancn autmerksam gemacht hat. Die Ge
steller gewonnen hat. J ! ^ Offenbarung ist nicht mit Hegel zu Ende.

i Mit ihm lief sich nur der Versuch zu Tode, sich durch
das Denken des „Wortes" zu bemächtigen (der Zaubertrick
mit dem Myo<;). Damit ist aber auch die Sicht frei
geworden, daß die Offenbarung die fundamentale Entscheidung
und eigentliche Freiheit überhaupt erst ermöglicht
, seine Existenz in Gott zu gründen.

Um so erfreulicher wirkt der andere Aufsatz von

Rendsburg. Th. O. Achelis.

Günther, Gotthard, und Helmut Schelsky: Christliche Metaphysik
und das Schicksal des modernen Bewußtseins. Leipzig
: S. Hirzel 1937. (108 S.) 8°. RM 3.70.
Beide Verfasser sind sich darin einig, daß das moderne
Bewußtsein die philosophischen Probleme nur bewältigen
kann mittels der transzendentalen Methode des deut- ! pC^'sky: Sollings Philosophie des Willens und der
sehen Idealismus um 1800; dieser aber erst noch, ent- txistenz.

sprechend dem Umfang des Bewußtseins, Über das Theo- | Er will Schelling in seiner Eigenheit begreifen, der mit seiner Frage
retische hinaus durch eine „Fortführung" in eine transzen- ! "ach dem Willen den Idealismus überwunden hat. In seiner Spätzeit
dentale Theorie des praktischen Bewußtseins zu erweitern > ™'« bf» Durchdenken des Gottesproblems Einsichten zutage, die,
ist Di« Selrwthewußtsein wie es durch Entscheidungen !! religiösen Gewandes entkleidet, eine über seine ursprüngliche Abist
. Uas Selbstbewußtsein, Wie es Olren ^nscnel""n»e" sieht weit hinausgehende Tragweite besitzen und gegenwärtig für eine
bestimmt Wird, die nicht im Denken festzustellen Sind, be- | Lehre von den transzendentalen Möglichkeiten eines absoluten Willens
darf einer transzendentalen Begründung. Die Kategonen i fruchtbar zu machen sind. In drei Etappen führt Schelsky zu dieser
der Entscheidung: „Treue, Ehre, Ergebung, Liebe, Angst, Aussicht.

Grauen, Haß" sind „ebenso urphänomenal und metaphy- I. Beweggründe und Forderungen Sendlings, um den logischen

Sisch belangvoll" (S. 7) und heischen eine Transzenden- Idealismus als „negative Philosophie" zu überwinden. Ausgehend von

tallehre des5 Willens wie die des Denkens ' dem Unterschied zwischen Gegenstand und Prinzip (implizite Denkweise)

Gotthard Günther will in seinem Essay: „Religion, | 5S"J™£^ *" Vmtd*1 d'e °ottesfra»» zu

iAp+ni-.V,, -i j j , , , , .. _ / R„7,r:ff beantworten, die Schellingsche Fragestellung vor: „Gott zum Pr nz b

Metaphysik und transzendentaler Idealismus" den Begriff ejner neucn'Wisscngchaft ^u macnenH Manyfragte „ach Gott und dem

einer metaphysischen Ethik und damit die Frage nach Sein. aber man fragte nacn dem Was des Seienden als sejnem Wcsen

Oer /.Ukunft des Christentums erörtern. J und kam nur auf die im Denken faßbare Möglichkeit alles Seienden.

Ein Uberblick über die Entwicklung des religiösen Bewußtseins des
Abendlandes zeigt, wie die stets vorhandene Spannung von Religion und
Philosophie, Geschichte und transzendentalem a priori seit Descartes sich
löst, um sich bei Kant entgültig zu entfesseln. Gott ist nicht mehr gegeben
, „nur" postuliert. „Des Ich entdeckt hier die Existenz Gottes
als identisch mit dem metaphysischen Problem eines eigenen Willens",

Die Existenz, die Wirklichkeit, das Daß des Seienden, was das eigentlich
Positive ist, wurde nicht erfragt. Deshalb ist diese idealistische Philosophie
die „negative". Schelsky folgt dieser Kritik Sendlings in einzelnen
Zügen, um sie als notwendige Vorstufe zu zeigen für

II. die positive Philosophie. Diese will die über alles Denken hinausgehende
Existenz, das „unvordenkliche Sein" — jedoch im Denken