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Ausgabe:

1938 Nr. 4

Spalte:

70

Titel/Untertitel:

De principiis; De virtutibus moralibus 1938

Rezensent:

Piper, Otto A.

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69

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 4.

70

druck gekommen sein — sein Schlußsatz beweist es
— und jetzt ist der Augenblick da, ihn zu rekonstruieren.

Das fünfte Kapitel (S. 197—253) ist dieser Aufgabe
gewidmet. Im ersten Abschnitt sucht B. zu erweisen,
daß das echte Test. Flav. vor Eusebius bezeugt ist und
macht Origenes, Justin (im Anschluß an Rendel Harris
) und Celsus namhaft. Methodisch ist nicht ganz
geschickt, daß Vf. schon hier die Überarbeitung eines
jüdischen Textes aus dem Denken der Apologetik des
2. Jahrh. nachzuweisen sucht, ehe er den Urtext aus der j
für Josephus dargelegten Grundtendenz ermittelt hat.
Umso behutsamer rekonstruiert er nun (S. 203 ff.) den
Urtext mit folgenden Methoden: 1. Berücksichtigung der
Tendenz des Josephus, 2. Beobachtung, daß sein Jesus-
berioht unter einer Gruppe von ordnete, -Schilderungen
steht, 3. daher Rekonstruktion des Wortlauts aus ähnlichen
ordoei;, und 4. mit Hilfe des Sprachschatzes
des Josephus, aber so, daß 5. bei Feststellung des Wortlauts
Zeilenlänge und Buchstabenzahl berücksichtigt werden
.

Das Ergebnis ist dieses: 1. Josephus hat in Jesus
einen y'»c gesehen, 2. er hat die Jünger nach Jesu
Tode des weiteren fropußrtr bezichtigt, um 3. im abwartenden
Sinne festzustellen, daß dieses Geschlecht immer
noch nicht ausgestorben ist.

Auf diese Weise gewinnen wir einen Urtext, dessen
Tendenz durchaus zu anderen jüdischen Schilderungen
der Antike paßt (z. B. des Juden bei Justin und bei
Celsus). Damit wäre Josephus in eine größere Reihe
gestellt. Er denkt so, wie christenfeindliche Juden des
2. Jahrhunderts.

Das sechste Kapitel prüft den geschichtlichen Wert
dieses Urtextes und gewinnt das Ergebnis, es handele
sich um einen Tendenz-Bericht. Daß Jesus Zauberer
und Aufrührer war, kann kein Christ sagen, also spricht
dieser Teil des Test, für Echtheit. Ob die Behauptung,
Jesus habe vom ülberg aus einen Aufstand geplant, auf
jüdische Anklage zurückgeht, die Josephus der Tempel-
tradition verdankt, läßt Vf. als möglich doch offen. Indem
er den Berichten der Evangelisten den Vorzug gibt
und das mit guten Gründen (256 ff.), lehnt er Eislers
Neigung, den echten Jesus mit den Augen dieses Berichts
des Josephus zu sehen, entschieden ab. Trotz der
Echtheit dieses Test, ist sein geschichtlicher Wert sehr
dürftig.

_ Wer ist nun der christliche Überarbeiter? Darauf
antwortet das 7. Kapitel (289—295). Als Zeit bleibt die
Spanne von 94—320 etwa. Auffallend ist, daß bis ca.
250 kein heidnischer oder christlicher Schriftsteller, der
Josephus zitiert, von seinem Jesusbericht etwas vermerkt.
Die Heiden hatten kein Interesse daran, den Christen
war er zu gehässig. Erst^seit Euseb begegnet uns die
gemilderte christliche Fassung sehr oft. Aber das sind
Zitate, die erste Josephushandschrift gehört ins 11.
Jahrhundert. Da Beziehungen zum römischen Taufsymbol
nicht nachweisbar sind, wohl aber solche zum Jo-
hannesevg. (so schon Th. Keim 1867), da von der
Christologie des 3. Jahrhunderts noch nichts zu bemerken
ist, möchte B. die Interpolation um 150 ansetzen.
Da seit Konstantin nur die überarbeitete Fassung zitiert
wird, ist anzunehmen, daß mit dem Sieg des Christentums
die ältere Fassung verdrängt wurde. Trotzdem
muß möglich bleiben, daß ein griechischer Theologe
des 11. Jahrh. noch ein Exemplar mit dem alten Text
besaß bezw. ihn zur Abschrift benutzen konnte, da er
]a dann aus Polemik gegen ihn sein Test. Slav. gestaltete
. Möglich scheint das durchaus. Das Schlußwort
wiederholt noch einmal Gedanken aus cap. 4 und wäre
da es selbst sich einer Tendenz nähert — entbehrlich
gewesen. Die Beziehung des Test. Flav. zu Justin
mag nicht jedem einleuchten, die chronologische Absetzung
der Bearbeitung etwas zu früh erscheinen, auf jeden
rall hat der Verfasser eine ungemein gründliche
u - L5rundPr°bleme fördernde Arbeit vorgelegt, die
man bei der weiteren wissenschaftlichen Diskussion zu

Rate ziehen muß; denn das Verhältnis des Test. Fla-
vianum zum Test. Slav. ist m.E. auf alle Fälle mit Hilfe
sauberer philologischer und historischer Methode klar
gestellt.

jena Erich Fascher.

Merkelbach, Bcnedictus Henricus, O. P.: Summa Theologiae
Moralis ad Mentcin D. Thoniae et ad Norman Juris Novi. Bd. I.
De Principiis. (786 S.). Bd. II. De virtutibus moralibus. (1029 S.).
2. Aufl. Paris: Desclee de Brouwer & Cie. (o. J.).
Das vorliegende Werk, das 1931 in erster Auflage
erschien, ist ein Beweis dafür, wie sich im Katholizismus
auch außerhalb Deutschlands ein stärkeres Interesse
für eine systematische Durchdenkung der ethischen Probleme
bemerkbar macht. Der Verf. selbst sieht das
Hauptverdienst seines Werkes in zwei Punkten: (1) in
dem engen Anschluß an die Theologie des Hlg. Thomas,
worunter er nicht einfach eine Reproduktion der Ausführungen
der Summa Theologiae 1 II und 2 II versteht
, sondern ihre Durchdringung vom Systemgeiste
des Thomismus; und (2) in der ständigen Bezugnahme
auf das heute geltende Recht, wobei er vor allem den
Codex Juris Canonici Benedikts XV. und den Code Civil
im Auge hat, im Unterschiede zum mittelalterlichen kanonischen
und römischen Rechte, die in den Ausführungen
des Aquinaten vorausgesetzt sind. Im Aufbau
schließt sich das Werk weitgehend der Summa Theologiae
an und behandelt entsprechend im ersten Bande
die allgemeine Ethik und die theologischen Tugenden
und im zweiten Bande die vier Kardinaltugenden, und
sehr ausführlich die ihnen widerstreitenden Sünden.

Der Verf. hat mit großer Sorgfalt und auf Grund
umfassenden Wissens die scholastische (vor allem neuscholastische
) Literatur zur Ethik berücksichtigt; neuere
Fragestellungen sind ihm nicht unbekannt, spielen aber
eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle. Eine Auseinandersetzung
mit protestantischer Ethik habe ich nirgends
bemerken können, auch nicht mit der philosophischen
Ethik. Dabei hätte z. B. in den Abschnitten
über die Glückseligkeit oder über das Gesetz eine Auseinandersetzung
mit Kant so nahe gelegen. Das Werk
macht auf diese Weise zwar einen sehr geschlossenen
Eindruck, kommt aber für den Nichtkatholiken nur zu
Orienfierungszwecken in Betracht. Man kann diese Ein-
kapselung um so mehr bedauern, als die Christenheit
heute mit einer Menge neuer ethischer Fragen zu ringen
hat. Während die nichtrömischen Kirchen der Welt
dieses Jahr auf der Weltkirchenkonferenz für Praktisches
Christentum in Oxford sich bemühen, einige der
brennenden Probleme einer Lösung entgegenzufuhren,
scheint die Kirche von Rom nicht nur äußerlich nicht
mitzumachen, sondern auch innerlich noch nicht bereit
zu sein die Notwendigkeit der Neubildung anzuerkennen.
Banijor, N. Wales. Otto Piper.

Henderson, Prof. D. D., D. Litt. Q. D.: Religious Life in
Seventeenth-Century Scotland. Cambridge: UniversityPress 1937.
(VII, 311 S.) 8°. 15 s.

Das 17. Jahrhundert ist für die schottische Kirche
ein Jahrhundert gewaltiger Auseinandersetzung zwischen
dem Presbyterianismus und dem ihr aufgezwungenen
anglikanischen Episkopalismus gewesen. Der Verlauf
dieses Kampfes war wiederholt Gegenstand eingehender
historischer Forschung. Um so dankenswerter ist
es, wenn G. D. Henderson in zehn zum größten Teil
bereits an anderer Stelle veröffentlichten Aufsätzen eine
Fülle von neuem Material vorlegt, das helles Licht wirft
vor allem auf die geistigen, religiösen und theologischen
Hintergründe, auf denen sich das Bild dieses
kampfreichen Jahrhunderts erhebt. Von ganz besonderem
Gewicht sind dabei die Aufsätze, welche sich
mit der Grundlage des religiösen Lebens Schottlands
beschäftigen: eine Menge interessanter Dokumente beweisen
die Größe des Einflusses der Bibel in der Verkündigung
und im häuslichen Leben, während auf der
anderen Seite ein Bild der zeitgenössischen Theologie