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Ausgabe:

1938 Nr. 3

Spalte:

47-49

Titel/Untertitel:

A - H 1938

Rezensent:

Duensing, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 3.

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Sommers und Winters, wie er sich bereits in den südschwedischen
Felszeichnungen von Bohuslän der Bronzezeit
spiegelt. Auch im Pfingstbrauchtum des Quacks,
diessen Gebiet sich westlich der Linie Wolfstein-Kaisers-
lautern-Dahn hinzieht, haben wir es mit einer Verkörperung
des Wachstuimsgeistes zu tun, der in der Froschgestalt
zahlreicher Votive des bayrisch-österreichischen
Alpengebiets noch heute fortlebt. Da nun die Felsritzbilder
des KriemhiMenstuhls an der Haardt dieselbe
Gestalt wie die gebräuchlichen Sonimertagsstäbe zeigen,
darf der Kriemhildenstuhl nach Becker als Stätte der
Sonnenverehrung aus germanischer Frühzeit gelten. Die
beiden uns geläufigsten zauberischen Sonnenbräuche, das
RadrolLen und das Scheibenschlagen, beweisen ja die Lebenskraft
des Sonnenbrauchtums, mag man auch eine
eigene Sonnenreligion der Germanen in Abrede stellen.
Freilich ist durch die völlige Freilegung des Kriemhil-
denstuhls 1934/35 erwiesen, daß die vor römische Kultstätte
in römischer Zeit als Steinbruch benutzt wurde.
Den Arbeitssoldaten der 22. römischen Legion in Mainz
in den Jahren um 200/230 hat der nach Osten gerichtete
Kriemhildenstuhl gleichfalls als Stätte der Sonnenverehrung
gegolten, worauf die Sonnenräder, Sonnwendzeichen
, Tänzer und phallischen Darstellungen hinweisen,
nicht zuletzt das Hakenkreuz, das diese Legion auch
in einem uns erhaltenen Stempel führte. Ob hier hauptsächlich
Germanen in römischen Diensten standen, ist
natürlich fraglich, widerspräche auch der gewöhnlichen
römischen Taktik. Jedenfalls bedarf es noch eindringlicherer
Beschäftigung mit der provinzialrömisch überdeckten
germanischen Bauernkultur, um alle Fragen zu
lösen, die der Kriemhildenstuhl stellt.

Diese vorsichtige Zurückhaltung, die bei der Deutung
des Kriemhildenstuhls vorherrscht, kennzeichnet überhaupt
die Arbeit von Becker. Er läßt sich gern von Mak-
kensen belehren, daß nicht alles notwendig einstmals
Kulthandlung gewesen sein muß, was heute im Scherz
getan wird. Andrerseits scheut er sich auch nicht vor
dem gängigen Vorwurf „konfessionalistischer Dämoni-
sierung der Glaubenswelt der germanischen Vorzeit"
(H. Strobel), wenn er in der Volksüberlieferung eine
zuverlässige Quelle sieht, wo die gleiche Form sich zäh
durch die Jahrtausende erhalten hat. Sicher dem Geiste
der Romantik verpflichtet, zu dem sich der 3. Deutsche
Volkskundetag bekannt hatte, lehnt Becker mit Entschiedenheit
ab, Brauchtum und Sitte auf fremden Boden zu
verpflanzen, indem er auf den mißlungenen Versuch
verweist, den vorderpfälzischen Stabausbrauch in dem
saarländischen Westrich heimisch zu machen: Das Ergebnis
war ein völkerkundliches Gemisch von Wilhelm
Büschs gesammelten Werken und Hagenbecks Völkerschau
! So ist Beckers verhältnismäßig knapper Überblick
über ein so weit ausgedehntes Problemgebiet gekennzeichnet
durch die Selbständigkeit und Sicherheit des
Urteils, das auf gründlichster Materialbeherrschung ruht,
und stellt daher nicht nur eine gelungene Einführung in
das Gebiet dar, sondern ist darüber hinaus eine reiche
Fundgrube von Anregungen und Belegen für die volks-
kundliche Forschung selbst.
Quakenbrück. H. Vorwahl.

S k o s s , Solomon L.: The hebrew-arabic Dictionary of the bible
known as Kitäb Jämi' al-Alfäz (Agrön) of David ben Abraham
al-Fäsi, the Karaite. Vol. I. N-n. New Häven : Yale Univ. Press.
— London: Oxf. Univ. Press 1936. (CLI, 600 S.) gr. 8°. $ 7.50

Dieses hebräisch-arabische Lexikon zum A. T. ist das.
älteste von einem Karäer geschriebene philologische Werk
und stellt als solches zugleich eine der ältesten Quellen
für hebräische, ja für vergleichende semitische Philologie
dar. Zugleich ist es wie die anderen Reste jüdisch-arabischer
Literatur in Verbindung mit und im Vergleich zur
ältesten christlich-arabischen Literatur wichtig für die
Geschichte des Vulgärarabischen, ein Gesichtspunkt, der
hier nicht zur Besprechung steht. Da der Verfasser den
aramäischen Sprachschatz des A.T. in sein Werk eingeschlossen
hat, so war er genötigt, auch über die aramäische
Grammatik Bemerkungen zu machen. Diese gehören

[ somit zu den ältesten grammatischen Festlegungen, die
auf uns gekommen sind. Das Werk bietet hin und wie-

I der aber auch für archäologische Forschungen Material.
Der Verfasser, welcher offenbar in Jerusalem ansässig
gewesen ist, macht über dortige Verhältnisse und solche
das ganze Land betreffende hin und wieder Bemerkungen,
z. B. S. 100 erklärt er 'elah für Terebinthe (mit dem

j syrisch-arabischen Wort butma bezeichnet), 'allön da-

| gegen als Eiche (ballüt) und sagt: „wie beim Herausgehen
aus dem westlichen Tor von Jerusalem, das genannt
ist slkt".

Der Herausgeber Skoss hat keine Arbeit und Mühe
i gescheut, über den Verfasser und sein Werk sowie dessen
! Überlieferung uns sichere Auskunft zu verschaffen. Da
der Verfasser des Werkes den Saadia zweimal unter dem
Beinamen 'el-Fajjumi citiert und ebenso sichtlich von
Judah ihn Koreisch, dessen Akme in die erste Hälfte
des 10. Jahrhunderts fällt, beeinflußt ist, so ist damit ein
Terminus a quo für seine Lebenszeit festgelegt. Ein ter-
minus ad quem ergibt sich namentlich aus zwei Umstän-
i den: Aus einem Diktionar des 'All b. Suleimän ist be-
I kannt, daß Abu Sa'ld Levi (Ende des 10. und Anfang des
i 11. Jahrhunderts) ein Kompendium des vorliegenden
| Werkes angefertigt hat. Ferner wird David b. Abraham
als gestorben erwähnt von dem Karäer Abu'l-Farag

Harun 'ihn al-Farag in einem 1026 vollendeten Werk.
Daraus ergibt sich etwa die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts
als Zeit des Autors. Über das Leben des Autors
läßt sich wenig ausmachen. Selbst der Umstand, daß er
Karäer war, muß daraus erschlossen werden, daß er
selbst nur von karäisehen Quellen erwähnt wird und daß
er seinerseits die Karäer als maskilim bezeichnet. Daß
er des Persischen mächtig war, erklärt sich daraus, daß
I dieser aus Fez stammende Gelehrte längere Zeit in
' Jerusalem gelebt hat, woselbst die Kenntnis des Persi-
j sehen in der dortigen karäisehen Gemeinde verbreitet
war. — Für die Textherstellung ist in erster Linie die
[ Handschrift, welche Abraham Firkowitch 1830 in der
Rumpelkammer der karäisehen Synagoge in Jerusalem
I entdeckte, die Pinsker 1860 beschrieb in seiner Likkute
Kadmonijjot und die sich jetzt in der staatlichen öffentlichen
Bibliothek in Leningrad befindet, zu Grunde gelegt
. Eine zweite von Neubauer an derselben Stelle entdeckte
Handschrift stammt aus dem 16. Jahrhundert
j und ist nur eine Kopie der erstgenannten Handschrift,
i Allerdings enthält diese Handschrift in einigen wenigen
I Fällen bessere Lesarten als jene. Der sonst nachlässige
Schreiber müßte also entweder neben jener ersten Hand-
i schritt eine andere noch benutzt oder einfach den Text
I der ersten Handschrift nach eigenem Gutdünken korri-
! giert haben. Mit diesen beiden Haupthandschriften sind
! verglichen vier Fragmente, die sich in der öffentlichen
| Staatsbibliothek in Leningrad befinden. Neben dem durch
diese Handschriften vertretenen Texte existiert eine längere
Version in einer Reihe von Fragmenten, und außerdem
sind drei Kompendien des Werkes von verschiedenen
Verfassern angefertigt, welche für die Textherstel-
| lung in Frage kommen. Die Texte der längeren Version
und Kompendien sind nur an solchen Stellen verwertet,
! wo sie allgemein mit dem Text der kürzeren Version
übereinstimmen. Wenn in solchem Fall die kürzere Ver-
■ sion irrige Lesarten oder Auslassungen enthält, ist die
bessere Lesart jener Textzeugen angenommen. Die Ausgabe
ist musterhaft sorgfältig. — Unter dem Text folgen
j abweichende Lesarten, darunter sind unterhalb des zwei-
j ten Striches alle vom Autor eibierten Bibelstellen angegeben
. Es würde zu weit führen, die grammatische Auf-
j fassung der Wurzeln, wie sie der Autor hat und in seinem
Lexikon durchführt, darzulegen. Nur das Eine sei
gesagt, daß er wie ältere Karäer den Imperativ als die
| Grundform des Verbums betrachtet. Das hat natürlich