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Ausgabe:

1938 Nr. 3

Spalte:

44-46

Autor/Hrsg.:

Koch, Carl

Titel/Untertitel:

Der römische Juppiter 1938

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 3.

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besondere natürlich in der Erfassung des Ausgangspunktes
der buddhistischen Lehre, nämlich des „Leidens"
(S. 20ff.) offensichtlich das lebendige religiöse Wesen
des Buddhismus gänzlich verfehlt. Für die Verf.
ist der Ausgangspunkt des B. die empirische Tatsache,
„die jeder vernunftbegabte Mensch zugeben muß"
(S. 20, Sperrung von mir), daß es unendlich viel Leiden
in der Welt und im Menschenleben gibt. Buddhas Ziel
ist demnach, „uns zu lehren, wie man den Ozean des
schmerzhaften Daseins durchquert" (S. 22). Kein Wunder
also, daß auf Grund dieses Ansatzes die Verfasserin
den B. im allgemeinen als „eine Schule stoischer Willenskraft
" (S. 23) charakterisiert, und daß weiterhin
zumeist periphere Bezirke des Buddhismus behandelt
werden. Tatsächlich bietet auch das Buch in seinem
weitaus überwiegenden Teil eine Fülle von Praktiken
der Versenkung und Askese, die somit als eigentliches
Wesen des B. erscheinen.

Der Grundfehler des Buches liegt, wie gesagt, im
Ansatz, nämlich in der fehlgehenden Deutung der Leidensidee
, -die sich, wie leicht nachweisbar, eben nicht
auf das vernunftmäßig erfaßbare empirische Leid bezieht
, sondern die Freude mit einbezieht und von allen
affektiven Weltbeziehungen und allen Bewußtseinsbildungen
überhaupt sagt, sie seien „Leiden". Leiden ist
eine religiöse Kategorie. Und deshalb ist die Erkenntnis
, daß Alter, Krankheit und Tod „Leiden" sind,
keine Einsicht, die „jeder vernunftbegabte Mensch" ohne
weiteres hat, sondern die er erst durch „Erleuchtung"
(bodhi) gewinnt. Wie denn ja auch Buddha selbst, trotzdem
er ein „vernunftbegabter Mensch" war, diese Leidenserkenntnis
nicht hatte, sondern sie in der Nacht der
Erleuchtung erst gewann. Den Leidenscharakter der empirischen
Gestaltenwelt erkennen, heißt ihren religiösen
Unheilscharakter erkennen. Um den im gewöhnlichen
Sinne leidvollen Charakter von Alter, Krankheit und
Tod zu erkennen, ist jedenfalls keine Erleuchtung nötig
und eine solche Erkenntnis kann schwerlich als „erlösende
Erkenntnis" angesehen werden. Diesen Grundsinn
der buiddh. Heilslehre hat die Verf. nicht beachtet.
Bonn. Gustav Mensch ing.

Kummer, Dr. Bernhard: Midgards Untergang. Oermanischer Kult
und Glaube in den letzten heidnischen Jahrhunderten. 3. vermehrte
Auflage. Leipzig: Adolf Klein 1937. (352 S.) 8°. RM8-.

Die 1. Auflage dieser Leipziger Doktordissertation
ist hier (1928, Sp. 73 ff.) angezeigt worden, nicht dagegen
die 2., 1935 erschienene, die zahlreiche, kürzere
und längere Zusätze enthielt. So mag das mit der 3. Auflage
geschehen, die einen unveränderten Abdruck der 2.,
bildet — nur die Anmerkungen sind etwas erweitert worden
, während der im Vorwort angekündigte Nachtrag als
seelbständiges Heft erscheinen soll. Und gleichzeitig
können die größtenteils wieder hier noch nicht angezeigten
spätem Veröffentlichungen Kummers und die von
ihm hervorgerufenen andrer, die ihm teils zustimmen,
teils widersprechen, angeführt werden.

Er selbst bezeichnet in dem Vorwort zu der 2. Auflage
seines Buchs (S. 10) als den einen Grundzug desselben
den „Hinweis auf die Sagas als entscheidende
Quelle germanischer Religionskunde vor der Bekehrung"
und hat jene als solche auch in einem in der Zeitschrift
für Missionskunde und Religionswissenschaft (1928, S.
289 ff. 321ff.) veröffentlichten Aufsatz, sowie kurz in
seinem Vortrag: Die germanische Weltanschauung nach
altnordischer Überlieferung (1930, 8) gewürdigt. In dieser
Hinsicht stimmt ihm, wennschon mit Einschränkung,
Baetke in seiner Schrift: Art und Glaube der Germanen
(1934) zu, während er ihm in vielen andern Beziehungen
widerspricht.

Einen 2. Grundzug seiner Arbeit sieht K. in der „Darstellung
eines geschichtlichen Glaubenswandels vom Höhepunkt
unberührten Heidentums durch die Erschütterungen
der heranrückenden Mission bis zu dieser selbst."
Genauer sollen die Germanen ursprünglich einen gewissen
Monotheismus ohne Bilder, Tempel und Menschenopfer
gehabt haben, und namentlich die letztere Behauptung
ist nicht nur von Meier-Böke (Urgeschichte des
deutschen Volkes 1934, 159) wiederholt, sondern von
Teudt (Germanische Heiligtümer 1929. 4 1936, 168) und
Wille (Germanische Heiligtümer zwischen Weser und Ems
1933, 20 f.) auch auf die spätere Zeit ausgedehnt worden.
Daß das unhaltbar ist, bedarf ja keines Beweises, aber
! auch die Zeugnisse in den Sagas lassen sich nicht weg-
' erklären, und ebensowenig diejenigen für Götterbilder,
j Tempel und Polytheismus. Die K.sche Auffassung des
fulltrui als des Freundes des Menschen, von dem sich
dieser lossagen kann, hat zwar Rückert (Die Christianisierung
der Germanen 1932. 2 1934, 20 ff.) übernommen,
aber Baetke auch in seiner früheren Schrift: Arteigne
germanische Religion und das Christentum (1933, 16)
j bestritten. Und ebenso hatte den Glauben an matt ok
j megin (eigene Macht und Stärke), den K. als den Glauben
an göttliche Macht im tätigen, schaffenden Menschen
! deutet, schon Maurer (Die Bekehrung des norwegischen
Stamms zum Christentum II, 1856, 259) als übermütigstes
Selbstvertrauen, das an Stelle der Religiosität tritt,
bezeichnet. Dagegen den Schicksalsglauben im Sinne der
„vollzogenen Selbstaufgabe durch die Unterstellung aller
I göttlichen und menschlichen Macht unter ein blind herrschendes
Schicksal" (S. 204 f.) charakterisiert auch K.
I selbst gegenüber Baetke und Naumann (Germanischer
! Schicksalsglaube 1934) mit Recht als keine Religion
mehr.

Sieht er in ihm den Sieg Utgards — und den symbolischen
Gebrauch dieses Ausdrucks nennt er den
3. Grundzug seiner Arbeit —, so desgleichen in dem
j Glauben an Wiedergänger und Zauberei, den er auch erst
später aufkommen läßt. Aber die von ihm selbst (S. 267)
zitierte Erwähnung des feralis exercitus bei Tacitus,
Germ. 43 zeigt doch, daß jener Glaube schon früher
[ vorhanden war, und als Zauber war wenigstens ursprüng-
j lieh das von K. auch mehrfach (S. 159. 255) behandelte
Fest der Nerthus (nicht das Ertränken der Sklaven dabei)
ebd. 40 gemeint. Läßt K. endlich die Uteardmächte sich
in Odin vereinigen, so hat er wohl auch gegenüber de
Vries (Altgermanische Religionsgeschichte II, 1936, 168ff.)
insofern recht, als Odin im Norden erst später verehrt
worden sein wird, nicht dagegen mit der gelegentlich
geäußerten Vermutung seines asiatischen Ursprungs, der
von Lenore Kühn („Wie steht es mit Wodan?" Nordi-
j sehe Welt 1937, 2, 30ff. 3, lff.) und Karl Kynast (Wo-
I dan-Odin, Dionysos und Hermes, ebd. 10 ff.) tatsächlich
behauptet wird. In letzter Linie hängt K.s ganze Auf-
I fassung der germanischen Religion mit seiner eignen
i Weltanschauung zusammen, die er in jene hineinliest und
I die ihn auch sonst primitive Elemente in ihr leugnen
läßt.

Auf seine Beurteilung der christlichen Mission und
j ihrer Folgen, die er mit andern zusammen auch sonst
| vertreten hat, kann ich nicht mehr eingehen, sondern
erkenne nur zum Schluß, ohne das hier früher schon ge-
j sagte zu wiederholen, auch meinerseits an, daß seine Erst-
} lingsschrift nicht nur durch den von ihr herausgefor-
j derten Widerspruch anregend gewirkt, sondern manche
; neue richtige Erkenntnisse gebracht hat.

Bonn. Carl Clemen.

! K o C h, Dr. phil. habil. Carl: Der römische Juppiter. Frankfurt a. M.:
Vittorio Klostermann 1937. (136 S.) gr. 8°. = Frankfurter Studien zur
Religion u. Kultur der Antike, hrsg. v. Walter F. Otto. Bd. XIV. RM 7—.

Die vorliegende Abhandlung zerfällt in einen allo-e-
! meinen und einen besonderen Teil, in deren erstem der
j Verf. gegenüber Wissowa und seinen Anhängern zu
zeigen sucht, daß die römische Religion überhaupt von
Haus aus Mythen enthalten habe. Und zwar glaubt
I er das mit Tabeling (Mater Lamm 1932, 68ff.) zu-
I nächst daraus folgern zu können, daß der von Ovid (fast.

II, 585ff.) erzählte Mythus mit dem vorher von ihm
! geschilderten Kultus übereinstimme.