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Ausgabe:

1938 Nr. 26

Spalte:

476-478

Autor/Hrsg.:

Auer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die theologische Grundposition Reinholds Seebergs 1938

Rezensent:

Schmidt, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 26.

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„aus vielen Steinen das große Mosaik zusammengesetzt"
werden könne, und es vorläufig noch gar nicht möglich
sei, ein geschlossenes Gesamtbild der Aufklärungstheologie
zu gewinnen.

In seiner Einzelstudie über den Würzburger Moraltheologen A. J.
Roßhirt (1746—1795) hat der Vf. den Nachweis erbracht, wie wenig
man bei der Beurteilung der Aufklärungstheologie mit einem festen
Schema und mit Schlagworten wie Eudämonismus, Utilitarismus und
Rationalismus auskommt: eine Auffassung, die der protestantischen Theologie
seit Troeltsch geläufig ist. St. Studie gibt eine bis ins einzelne
gehende Darstellung des moralthologischen Systems von A. J. Roßhirt,
dessen Kennzeichen das Miteinander und Ineinander von modernem
Geist und Bindung an die Tradition ist. Der aus jesuitischer Schulung
hervorgegangene Moraltheologe hat schon früh die Bedeutung der zeitgenössischen
Theologie für die Moraltheologie erkannt, in der er die hergebrachte
Kasuistik verwarf. Noch deutlicher zeigt sich Roßhirts Anknüpfung
an die Aufklärungsphilosophie in dem eudämonistischen Ausgangspunkt
seiner Ethik, der sich auch bei ihm mit dem Optimismus
der Aufklärung verband. Infolgedessen tritt bei ihm die Sündenlehre
sehr zurück hinter der Besinnung auf die Tugendlehre. An der Stellung
zu Fragen, wie der Geltung des Index, des Hexenglaubens, der Tolerenz-
idee zeigt der Vf. im einzelnen Roßhirts Verwurzelung im Aufklärungsgeist
. Zugleich aber führt er den Nachweis, daß Roßhirts Theologie,
für die das Tridentinum Richtschnur blieb, in sehr wesentlichen Bestandteilen
durchaus traditionsgebunden ist. Nicht in der Vernunft, so
führt Roßhirt in einem der Studie beigefügten interessanten Briefwechsel
mit dem aufgeklärten Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal aus, nicht
in der Kantischen Philosophie, sondern in der Offenbarung und in der
Hl. Schrift sei der Ausgangspunkt für das moraltheologische System gegeben
. Gerade dieser Briefwechsel zeigt die Verflochtenheit der verschiedenartigsten
Momente in der Aufklärungstheologie, indem sich der
Fürstbischof auf die Forderung der „Kenntnis unseres Zeitalters" beruft,
und der Moratheologe auf die Offenbarung als das Fundament aller
Theologie. Daher nimmt Roßhirt's Betonung der Autorität der Bibel
eine ausschlaggebende Stellung in seiner Lehre ein. Sehr deutlich hat
dabei der Vf. die starken Einflüsse herausgearbeitet, die vor allem
Buddeus, aber auch Männer wie Walch, Schomerus und Mosheim auf
Roßhirt ausgeübt haben: auf das Verhältnis von katholischer und protestantischer
Theologie im Aufklärungszeitalter fällt dabei manches Licht.

Stelzenbergers Studie zeigt an einem exakt durchgeführten
Einzelfall die Unmöglichkeit generalisierender
Urteile über die Aufklärung. Sie bringt in der Darstellung
der Theologie Roßhirts den Beweis, daß seine
Sittenlehre trotz aller Zeitbedingtheit nicht als ein Symptom
des Tiefstandes, sondern als ein „Aufstieg" zu werten
ist.

Bonn. G. Reich.

Bier bäum, Max: Das Papsttum. Leben und Werk Pius XI.
Köln: J. P. Bachem 1937. (336 S., 13 Abb.) 8°. RM 4.80; geb. 5.80.
Im Vorwort zum dritten Bande seiner Papstge-
schkhte der neuesten Zeit, der die Pontifikate Pius' X.
und Benedikts XV. behandelt, erörtert Josef Schmid-
1 i n die Frage, ob er auch die Regierungszeit des jetzt
regierenden Papstes hätte berücksichtigen sollen. Auf
eine Anfrage bei Pius XI. habe dieser geantwortet
„Post mortem lauda, vel non lauda! mi lasci morire,
mi lasci morire." Wir möchten beinahe annehmen, daß
sich in diesen fast beschwörenden Worten nur die Abneigung
Pius' XI. gegen die Schilderung seines Poiiti-
fikats durch Schmidlin ausdrückt. Vom geschichtlichen
und damit auch vom biographischen Standpunkte aus
ist das Pontifikat Pius' XI. schon bis jetzt viel umfangreicher
, inhaltsvoller und darum bedeutsamer als die
seiner beiden Vorgänger zusammengenommen. Und
niemals haben sich regierende Herren widersetzt, dem
rechten Meister zu einem Bilde oder zu einer Biographie
zu sitzen. Auch Bierbaums Biographie muß der jetzt
regierende Papst so oder so mehr als bloße Zustimmung
gewidmet haben. Bierbaum hatte 1922 „Pius XL, ein
Lebens- und Zeitbild" veröffentlicht, in dem er das
Leben und die Entwicklung des eben zum Papste gewählten
Kardinals Achille Ratti aus nächster Nähe und
bester Beobachtung schilderte. Das jetzt vorliegende
Buch will mehr als eine bloße Ergänzung oder Fortsetzung
des früheren Werkes sein. Weil es dem Verfasser
darauf ankommt, eine Einführung zu geben „in
wesentliche Aufgaben und in zeitgeschichtlich bedingte
Kämpfe und Erfolge eines Pontifikats, das unter dem

| Wahlspruch ,Der Friede Christi im Reiche Christi' eine
der stärksten Stützen der christlichen Kultur geworden
ist und die Sendung des Papsttums an die heutige
Welt in vielseitiger Weise deutlich macht", darum hat
er der Biographie den Obertitel „Das Papsttum" ge-
| geben. Wenn wir die Begründung des Verfassers zu
' dieser eigentümlichen Ausweitung und Überspannung sei-
I nes biographischen Zieles beitreten, dann möchten wir
.; als Titel doch lieber sehen etwa „Das Papsttum heute"
— und wir möchten das Buch Bierbaums aus der
journalistischen Nähe etwa von Bernharts „Der Vatikan
als Thron der Welt" gerückt sehen.

Das Papsttum als Institution wird heute mit dem
allergröbsten Geschütze angegriffen vom politischen
Gegner und von einer materialistischen, aufgeklärten
Pseudowissenschaft. Es ist gewiß zweckmäßig, diesen
Gegnern gegenüber die Fundamente und die Funktionen
des Papsttums in der heutigen Rechtswelt aufzuzeigen.
Bierbaum schildert mit feinem Spürsinn und mit großer
| Gründlichkeit die Gestalt und das Leben der heutigen
J Rechtskirche, deren international gültige und anerkannte
| Verträge in der ganzen Welt einen einzigartigen Beitrag
| eines friedlichen Kulturwillens darstellen. Erst im Netz
dieser Verträge mit fast allen Nationen der Welt stehen
wir auf der richtigen Plattform, von der aus wir die
Verträge der römischen Kurie mit dem faszistischen
Italien, mit dem Dritten Reich, mit Jugoslawien usw.
beurteilen können. Sodann wird dem materialistischen
Weltweisen das Werk Pius' XI. auf dem Gebiete der
Wissenschaft aufgebaut: Pius XI. ist Gelehrter und er
hat Verständnis für die Bedürfnisse der wissenschaft-
I liehen Arbeit. Freilich: Archiv und Bibliothek des Vatikans
waren schon vordem da; aber wie sie heute funk-
I tionieren, wie sie heute die gelehrte Forschung fördern
und erleichtern, das ist ganz und gar das Werk Pius'XL,
der in der Wahl seiner Mitarbeiter eine besonders glückliche
Hand gehabt hat. Wir brauchen weiterhin nur
die Namen des Päpstlichen Bibelinstituts und der Päpstlichen
Universitä Gregoriana zu nennen, um sofort zwei
! andere bedeutsame wissenschaftliche Großtaten Pius' XL
in unseren Gesichtskreis zu rücken. Und mit der in
diesen Monaten erfolgten Erneuerung der päpstlichen
Akademie der Wissenschaften (1937) ist die Leistung
des Papstes auf dem Gebiete der Wissenschaft und
ihrer Organisation noch keineswegs abgeschlossen. —
Alles das, was Bierbaum über diese Dinge unter sorgfältiger
Heranziehung der Quellen und einer umfangreichen
gedruckten Literatur vorträgt, wird ohne Weiteres
unsere Zustimmung finden, lediglich unter der
grundsätzlichen Einwendung, daß die Rechtskirche nicht
überall und immer die Kirche Jesu Christi ist. Das
gilt auch mit geringen selbstverständlichen Vorbehalten
gegenüber der weiteren Darstellung, die die
Unionsfrage, das Laienapostolat, die Weltmission und
die Caritas einbezieht. Dabei ist B. keineswegs
kritikloser Bewunderer des Papstes. Hin und wie-
j der hat sich bereits heute der eine oder der andere
Plan Pius' XL als nicht durchführbar erwiesen; auch
I hat es nicht wenige Rückschläge gegeben, und aufs
I Ganze gesehen ist die Lage des Papsttums heute sowohl
religiös wie politisch ernst. Aber alles in allem wird
man dem so besonnenen wie gut fundierten Urteil Bier-
j baums über die Person Pius' XL beistimmen: das
I Papsttum — sei es als notwendiges Übel im internationalen
Konzert, sei es als durch Alter und Tradition
geheiligte Institution — wird von Achille Ratti außerordentlich
würdig und zeitgemäß repräsentiert.

Berlin.____Otto Lerche.

Auer, Dr. Wilhelm: Die theologische Grundposition Reinhold
Seebergs. Berlin: Junker & Dünnhaupt 1937. (107 S.) gr. 8° =
I Neue Deutsche Forschungen. Abt. Religions- und Kirchengeschichte.
Hrsg. v. E. Benz und E. Seeberg. Bd. 3. RM 4.80.

Genau zwei Jahre nach dem Tode Reinhold Seebergs
legt der Verfasser eine Arbeit über dessen „theologische
Grundposition" vor. Weist die bisherige Literatur zu-