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Ausgabe:

1938 Nr. 26

Spalte:

474-475

Autor/Hrsg.:

Stelzenberger, Johannes

Titel/Untertitel:

Anton Joseph Roßhirt 1938

Rezensent:

Reich, G.

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 26.

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bis zu seinem frühen Tode auf den nikobarischen Inseln
. — J. Naumann bespricht deutsche Übersetzungen
von dänischen Kirchenliedern, übertragen von Christen
Ewaldsen, Karl Theodor Schumacher, Theodor Kaf-
tan und Herman Moller, gedruckt in der Zeit von 1860
bis 1934. Aus älterer Zeit hätten noch die Kingo-
Übersetzungen des Pastors Friedrich Brandt in Nyköbing
auf Falster erwähnt werden können. — Den Beschluß
des Heftes bildet eine Fortsetzung der Mitteilungen
von Hans H. Fuss in g über dänische Pastoralgeschichte
von 1496 bis 1657 (vgl. Th. L. Z. 1938, Sp. 39].
Rendsburg. Th. O. Achelis.

Hermann, Karl: Johann Albrecht Bengel. Der Klosterpräzeptor
von Denkendorf. Sein Werden und Wirken nach handschriftlichen
Quellen dargestellt. Hrsg. v. Calwer Verlagsverein. Stuttgart: Calwer
Vereinsbuchhandlung 1937. (IV, 488 S., 47 Abb.) gr. 8°.

RM 6.50; geb. 8.50.

„Ich weiß nicht, durch welche Fehler meiner hartnäckigen
Natur es kommt, daß ich I. A. Bengel täglich
mehr bewundern muß als den scharfsinnigen Erklärer
des Neuen Testamentes, den die christliche Welt je gesehen
hat." Als Lagarde dieses Urteil, das gerade
in seinem Munde von doppelten Wert ist, schrieb, war
die zu Bengels 150-jährigem Geburtstag erschienene Biographie
seines Urenkels J. Ch. F. Burk schon veraltet.
Außer der Ergänzung, die sie 1865 durch Wächter erfuhr
, haben Leben und Werk des schwäbischen BiblizK-
sten keine grundlegende monographische Behandlung
mehr erfahren.

Um so dankenswerter ist es, wenn K. Hermann
zum 250. Geburtstags Bengels eine umfassende Biographie
geschrieben hat, deren erster, vorliegender Band
die Anfänge Bengels bis zum Abschluß seiner Wirksamkeit
im Kloster Denkendorf im Jahre 1741 darstellt

Wenn heute die Biographik weithin es ablehnt, sich mit den einzelnen
Lebensdaten ihres jeweiligen Gegenstandes abzugeben zu Gunsten
einer Gesamterfassimg der „Gestalt" und ihrer Einordnung in einen
geistesgeschichtlichen Zusammenhang, dann ist Hermanns Biographie
gewili eine Lebensbeschreibung im alten Stil, die in schlichter Weise
die Entwicklung von Leben und Werk J. A. Bengels berichtet. Aber
hinter der anspruchslosen Form verbirgt sich eine musterhafte Gründlichkeit
aktenmäßig bis ins einzelne belegter Forschung. Eine Fülle
minutiösester Anmerkungen verbreitet sich über alles, was an Schicksalen
, Einflüssen und menschlichen Begegnungen das Leben Bengels
gestaltet hat. Man darf sagen, daß die historische Akribie und die echt
schwäbische Gewissenhaftigkeit dem Werk Bengels kongenial sind. Diese
quellenkundige Durchforschung von Bengels Leben ist dadurch zugleich
zu einem vor allem für die Geschichte der zeitgenössischen schwäbischen
Kirchengeschichte bedeutungsvollen Werk geworden. Aufschlußreich ist
nicht nur die Fülle von Einzelberichten über den schwäbischen Schulunterricht
und das gesamte Bildungswesen von der schlichten Lateinschule
bis zum Tübinger Stift, sondern durch die genauen Schilderungen
der Beziehungen Bengels zu Familien wie Reuß, Glöckler, Hochstetter
und vielen andern wird Hermanns Darstellung zugleich zu einem wertvollen
Beitrag schwäbischer Familien- und Geistesgeschichte. Und wenn
Bengels große Bildungsreise über Nürnberg, Altorf, Jena zu A. H. Francke
nach Halle aufs genaueste in all ihren Einzelheiten dargestellt wird, so
eröffnet die biographische Erzählung dadurch die Perspektive auf das
Gesamtbild der zeitgenössischen Theologie. Die langjährige Begrenzung
von Bengels Leben auf den für seine Originalität viel zu engen Rahmen
der Denkendorfer Klosterschule gibt dem Verfasser die Möglichkeit das
Leben einer solchen Klosterschule in liebevoller Kleinmalerei zur Darstellung
zu bringen und dadurch einen gründlichen Beitrag zur Geschichte
des höheren Unterrichts in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts
zu bieten.

Wenn auch das Gesamturteil bis zum Erscheinen des
zweiten Bandes Zurückhaltung üben muß, so wird man
doch sagen müssen, daß man oft gerne auf die große
Fülle biographischer Einzeldaten verzichten würde, wenn
statt dessen Bengels Werk in seiner bis heute nachwirkenden
Einzigartigkeit und Bedeutsamkeit in einem größeren
Zusammenhang gestellt worden wäre. Gewiß werden
die Beziehungen Bengels zu einzelnen Theol ogen
seiner Zeit sehr umfassend dargestellt, aber man vermißt
doch eine eingehende Betrachtung seines Werkes
im Rahmen der zeitgenössischen Theologie. Die theologische
Situation, die der junge Bengel antraf, pflegt
heute in ihrer Gesamtschau auch dem Theologen nicht

mehr ohne weiteres lebendig und anschaulich zu sein.
Und man würde es begrüßt haben, wenn statt der
peinlich genauen Einzeldarstellungen von Bengels Begegnungen
mit A. H. Francke und Zinzendorf die Profile
dieser drei Pietisten nach Gemeinsamkeit und Unterschieden
noch stärker herausgearbeitet worden wären.
Durch Hermanns Buch wird deutlich, was Bengels Arbeit
am N. T. unter den damaligen Verhältnissen an
mühseliger Quellenforschung und hermeneutischer Meisterschaft
geleistet hat, die im „Gnomon" ihren Niederschlag
fand. Aber die historische Arbeit des Verfassers
hätte eine wesentliche Vertiefung erfahren, wenn
in solchem Zusammenhang die Eigenart von Bengels
Biblizismus, seine hermeneutische Methode, die grundsätzliche
Struktur seiner exegetischen Haltung theologisch
beleuchtet worden wäre. Vielleicht dürfen wir
im zweiten Band eine größere theologische Gesamtwürdigung
Bengels erwarten.

Das alles aber wird die Anerkennung einer Leistung
nicht schmälern dürfen, durch die der Verfasser gerade
in seiner Schlichtheit und in der Solidität seiner umfassenden
historischen Gelehrsamkeit seinem großen
schwäbischen Landsmann ein würdiges Denkmal gesetzt
hat. Wertvolle Bilder und eine Fülle hübscher Federzeichnungen
unterstützen den Zweck, die Persönlichkeit
Bengels auch weiteren Kreisen näherzubringen.
Bonn._G. Reich.

Hau ss, Pfarrer, Friedrich: Die uns das Wort Gottes gesagt
haben. Lebensbilder und Glaubenszeugnisse aus dem schwäbischen
Pietismus: J. A. Bengel, J. F. Flattich, F.Chr. Setinger, L. Hofacker, A.
Heuhöfer, Chr. Blumhardt d. Ä., K. Mez, S. Hebich, E. Schrenk. Berlin:
Furche-Verl. (216 S.) 8°. RM 2.80; geb. 3.60.

Evangelisten waren nicht überall erwünscht, und
wenn man schon notgedrungen ihnen die Kirchen zur
Verfügung stellte, so wollte man doch wenigstens keine
Ausgaben für deren Beleuchtung haben. Da war es denn
ergreifend, wie sich Elias Schrenk mit einem Lichtlein
in der Hand den Weg zur Kanzel suchte. Uns
Smdenten kam er vor wie Johannes der Täufer, ein
Asket, der Tag für Tag größere Scharen um sich sammelte
.

Wenn man so aus der Erfahrung rückwärts schaut,
dann empfindet man erst, welchen Segen der schwäbische
Pietismus der Kirche gebracht hat, und versteht Friedrich
Hauss, der uns die Entwicklung dieser Bewegung
in Lebensbildern von Bengel bis Schrenk vor Augen
führt. Es sind wirklich Glaubenszeugnisse, die das Herz
stark machen können. Darin liegt der Wert des Buches.

Der Wissenschaftler findet hier eine zuverlässige
Zusammenstellung des historischen Stoffes. Von jeder
der neun behandelten Persönlichkeiten werden zunächst
kurz die Lebensdaten gegeben. Dann folgen nicht zu
lange Abschnitte mit prägnanten Überschriften, die uns
die besondere Art des Wirkens der einzelnen großen
Pietisten erkennen lassen. Auch für den, dem der Pietismus
nicht liegt, ist das quellenmäßig fundierte Buch
zu schneller Orientierung wertvoll.

Stettin._Hugo Stelter.

Stelzenberger, Prof. Dr. Johannes: Anton Joseph Roßhirt.
Eine Studie zur Moraltheologie der Aufklärungszeit. Breslau: Müller
& Seiffert 1937. (116 S.) gr. 8°. RM 3-.

Seit dem vor einem Menschenalter stark umkämpften
Vortrag S. Merkles über „Die katholische Beurteilung
des Aufklärungszeitalters" und seiner Aufforderung zur
„Unterscheidung von Aufklärung und Aufklärung" ist
die katholische Kontroverse über die Beurteilung dieses
Zeitalters, seiner Frömmigkeit und Theologie, nicht verstummt
. Gegen die summarischen Urteile und Verurteilungen
, die heute etwa in Veit's „Geschichte der Kirche
im Zeitalter des Individualismus" über die Aufklärung
abgegeben werden, gegen die Kennzeichnung ihrer Moral
- und Pastoraltheologie durch L. Baur in LThK I,
794ff. als „Standpunkt eines platten Utilitarismus" erhebt
sich Stelzenbergers Forderung zur Vorsicht gegenüber
solchen verallgemeinernden Urteilen, da nur