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Ausgabe:

1938 Nr. 26

Spalte:

468-469

Autor/Hrsg.:

Hatch, William Henry Paine

Titel/Untertitel:

The "Western" text of the gospels 1938

Rezensent:

Bauer, Walter

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4(17

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 26.

468

des Verfassers eigene Deutung, die ihre Unsicherheit auf
Schritt und Tritt zu erkennen gibt. Angesichts dieses
Tatbestandes wäre es wohl besser gewesen, wenn der
Verfasser sich mit den epigraphischen Darlegungen begnügt
und auf die profan- und religionsgeschichtlichen
Ausführungen, wie sie namentlich das Schluß-Kapitel
(S. 123—47) über „Die Sinai-Semiten und ihre Welt" bietet
, das — kurz gesagt — auf den Nachweis der Geschichtlichkeit
der biblischen Erzählungen über Mose
hinausläuft, verzichtet hätte. Hier soll jedenfalls von
diesem Kapitel nicht die Rede sein.

Das Buch sucht die von der 1930 durchgeführten Expedition
nach Seräbit el-Hädem neu entdeckten 20 Sinaischrift
-Denkmäler an der" Hand von Photographien und
Kopien zu deuten (S. 14—64), gibt dann eine Nachprüfung
der schon vorher bekannten und vom Verfasser
in seinen „Altsinaitischen Buchstabeninschriften" von
1929 behandelten Texten (S. 65—89) und läßt dem
außer dem schon genannten Schlußkapitel fünf zusammenfassende
Kapitel folgen: „Der Wortschatz der Sinaischrift
-Denkmäler in alphabetischer Anordnung" (S.
(J0—94), „Übersicht über die Inschriften der Sinaischrift-
Denkmäler in der Reihenfolge ihrer Numerierung" (S.
Q4_100), „Das Alter der Sinaischrift-Denkmäler" (S.
100—105), „Die Entstehung der altsinaitischen Buchstabenschrift
" (S. 105—12), „Die Umgestaltungen der
Hyksosschrift nach ihrem Austritt aus Ägypten" (S. 112
bis 123). In einem Nachtrag (S. 147—70) werden die
von der Expedition des Jahres 1935 neu entdeckten
4 Sinaischrift-Denkmäler und zwei neuerdings in Teil
ed-Duwer = Lachis) zu Tage gekommene altkanaanäische
Inschriften behandelt.

Die Gesamtergebnisse des Verfassers, auf deren Cha-
terisierung sich diese Anzeige beschränken muß, sind
diese: Erfinder der Sinaischrift sind die als Semiten
betrachteten Hyksos, und zwar ist dies der Hergang
gewesen: „Man stellte zunächst einen Grundbestand des
Hyksos-Semitisch von 22 Konsonantlauten fest, benannte
diese sodann — wohl um sie gut mitteilbar zu machen —
mit Wörtern, von denen jedes mit dem dadurch dargestellten
Laute anlautete, und faßte sie sodann zu einer
geordneten alphabetischen Reihe zusammen. Bei der
Wahl der Lautnamen war Rücksicht darauf genommen,
nur solche zu nehmen, für welche in der ägyptischen
Schrift Ideogramme vorhanden waren. Schließlich überwies
dann der Schnfterfinder den von ihm bei der
Lautbenennung ausgewählten ägyptischen Ideogrammen
die Rolle von Buchstaben, wobei jedes den Laut darstellte
, mit welchem seine semitische Benennung anlautete
" (S. 109 f.). Die aus Ägypten vertriebenen Hyksos
haben diese Schrift mit nach Palästina gebracht, und
hier hat sie nach Ausweis der altkanaanäischen Inschriften
von Gezer, Bethschemesch, Byblos und Lachis, die
alle der Zeit zwischen 1600 und 1200 v. Chr. angehören,
die Form angenommen, die als Zwischenglied zwischen
der Hyksos-Schrift und dem durch die Acniram-Inschrift
verkörperten phönizischen Alphabet einerseits und der
— zu erschließenden — midianitisch-altthamudenischen
Schrift, der Mutter des südarabischen Alphabets, anderseits
in Anspruch zu nehmen ist. Die S. 124 stehende
Tafel „Übersicht der Umgestaltungen der Hyksosschrift
nach ihrem Austritt aus Ägypten", die für jedes der 26
bzw. (4 mal 2 Zeichen für denselben Konsonanten!)
22 Zeichen der Sinaischrift die Entwicklung aus den
ägyptischen Ideogrammen zur phönizischen Schrift einerseits
und zur südarabischen anderseits veranschaulichen
will, ergänzt die Ausführungen über diesen Entwicklungsgang
.

Es ist wohl kein Zufall, sondern eine durch die Lage
der Arbeit an den Sinaischrift-Denkmälern bedingte Notwendigkeit
, daß etwa gleichzeitig mit dem vorliegenden
Buch Hans Bauers Schrift „Der Ursprung des Alphabets
" erschienen ist, die gegen die Herleitung des phönizischen
Alphabets aus Sinaischrift und ägyptischen
Bildzeichen Einspruch erhebt und es vielmehr als freie

Schöpfung verstehen will. Dieser Protest ist jedenfalls

| insofern berechtigt, als er die Unzulänglichkeiten der Er-

| klärung des phönizischen Alphabets aus ägyptischen Bildern
und die Unsicherheit, ja Willkürlichkeit der auf der

i Bildtheorie aufgebauten Versuche der Entzifferung der
altsinaitischen und altkanaanäischen Inschriften deutlich
macht, geht aber, wie Rezensent in „Forschungen und

! Fortschritte" 14 (1938), S. 4 f. angedeutet hat, dann zu
weit, wenn er so verstanden wird, als ob jeder Zusammenhang
zwischen der altkanaanäischen und altsi-

; naitischen Schrift einerseits und der phönizischen anderseits
bestritten werden sollte. Hier bestehen vielmehr
Zusammenhänge, und sie zu erkennen kann das vorliegende
Buch, wenn es mit einer an Bauers Schrift

| geschärften Kritik benutzt wird, gute Dienste tun, wie es
als bequemste Zusammenstellung des Materials gerade-

] zu unentbehrlich sei.

I Halle/Saale._Otto Eißfeldt.

Hatch, William Henry Paine, Ph. D., D. D., D. Theol.: The .Western'
Text of the Gospels. The Twenty-third Annual Haie Memorial
Sermon, delivered March 4, 1937. Evanston, III.: Seaburg-Western
Theolofiical Seminary 1Q37. (44 S.) 8°.
In seinem Vortrag über den „Western" Text, von
I dem, was seine Herkunft anlangt, nur in Anführungs-
j strichen geredet werden kann, handelt H. zunächst über
1 die verschiedenen Urteile, die er hervorgerufen hat. Er
führt die Geschichte der Forschung, in der Hauptsache
; auf englisches Schrifttum beschränkt, in großen Zügen
aus dem 18. Jahrhundert der J. Mill, J. J. Wetstein,
J. J. Griesbach und T. Kipling über B. F. Westcott und
I F. J. A. Hort, dann J. Rendel Harris und F. H.

Chase, auch F. Blaß in die jüngere und jüngste Vergam-
I genheit der J. H. Ropes und A. C. Clark. Ihm scheint
j die Auffassung von Ropes im Wesentlichen das Rechte
, zu treffen.

Danach ist der „Westliche" Text nicht das Ergebnis
einer mehr oder minder zufälligen Verwilderung, wie sich

{ das Westcott und Hort dachten, sondern das Resultat
der planmäßigen Bearbeitung einer griechischen Vorlage
durch griechische Textgestalter. Weder lateinischer noch

i syrischer Einfluß hat stattgehabt. Auch kommt der We-

' siten als Heimat schwerlich in Frage; vieles spricht dagegen

| für einen Bereich innerhalb des hellenisierten Palästina
oder Syrien, etwa Antiochien. Was die Entstehungszeit

! betrifft,so schlägt H. im Anschluß an Ropes die Jahresfolge
von 125—140 vor. Der „Westliche" Text war

| wohl der erste offizielle Text der Kirche und in der Mitte
des zweiten Jahrhunderts überall verbreitet, wo es
Christen gab (p. 6).

Hatte sich Ropes bei der Durchführung seiner These

i im Wesentlichen an die Apostelgeschichte gehalten, so
sucht H. zu zeigen, wie die Grundsätze der Bearbeitung,

: die sich am „Westlichen" Text der Akten feststellen lassen
, auch in den Evangelien wirksam sind. Er teilt die
Eigentümlichkeiten des „Westlichen" Textes in vier
Gruppen und prüft an lehrreichen Beispielen Zufügun-
gen, Auslassungen, Ersetzungen, Verbesserungen. Das

i Ergebnis ist: durch den ganzen Codex Cantabrigiensis,
diesen wichtigsten Zeugen für die „Westliche" Form
des Textes der Evangelien und der Apostelgeschichte

; hin machen sich dieselben Prinzipien geltend. Der oder
die Hersteller des „Westlichen" Textes wollen planmäßig

! die Darstellung teils vervollständigen, teils glatter und

■ lesbarer, auch in mancher Hinsicht richtiger machen.
Darin, daß der „Westliche" Text die absichtsvolle

j Umgestaltung eines älteren Wortlautes ist, nicht jedoch
eine Häufung von Zufälligkeiten hat H. gewiß Recht.
Doch möchte ich glauben, daß er die Bearbeitung zeitlich
zu früh ansetzt. Wenn er sie schon nach 125 begin-

I nen lassen will, müssen wir doch für die Entstehung
der Vorlage an den Anfang des zweiten Jahrhunderts
zurückgehen. Damals aber hat es nach ilem, was we-

| nigstens mich die Kanonsgeschichte lehrt, -loch kein auch

I nur einigermaßen vollständiges N.T. gegeben, dessen
Text sich hätte bearbeiten lassen. Auch kann man für

I eine so frühe Zeit unmöglich aus den paar etwas um-