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Ausgabe:

1938

Spalte:

465-466

Autor/Hrsg.:

Ziegler, Matthes

Titel/Untertitel:

Die Frau im Märchen 1938

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES, Göttingen, und Prof. D. Dr. GEORG WORRERMIN, Berlin

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von BibJiotheksrat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, und Bibliothekar Lic. E. STEINBORN, Berlin.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugepreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskripte und priehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor O. HAUER in Göttinnen, Düstere Kichenweg 14, tu senden,
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. Gewähr für Besprechung von unverlangt gesandten Rezension*-
exempiaren, besonders noch bei Zusendung nach Göttingen, kann nicht Übernommen werden.

Printed in Gcrmany.

J. C. HINRICHS VERLAG, LEIPZIG Cl

63. JAHRGANG, Nr. 26 17. DEZEMBER 1938

Spalte

Auer: Die theologische Grundposition Rein-
hold Seebergs (Schmidt)..........476

Bierbaum: Das Papsttum (Lerche) .... 475

Grimme: Altsinaitische Forschungen (Eiii-
feldt)....................466

Hatch: The ,Western' Text of the Gospels
(Bauer)...................468

Spalte

Hauss: Die uns das Wort Gottes gesagt

haben (Stelter)...............474

Hermann: Johann Albrecht Bengel (Reich) 473

Kirkehistoriske Samlinger (Achelis).....472

Leese: Die Religion des protestantischen

Menschen (Merkel) . •............478

Nederlandsch Aichief voor Kerkge'schiedenis
(Köhler)...................471

Spalte

Schleyer: Anfänge des Gallikanismus im
13. Jahrhundert (Kalthoff).........470

Stclzenberger: Anton Joseph Roßhirt
(Reich)...................474

Stutz: Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte
der Eigenkirche und ihres Rechtes
(Hessel)...................469

Ziegler: Die Frau im Märchen (Vorwahl) 465

Ziegler, Matthes: Die Frau im Märchen. Leipzig: Koehler & („Die Trollvorstellungen in den Sagen und Märchen
Amelang 1937. (289 S.) gr. 8° = Deutsches Ahnenerbe. 2. Abt. ; der skandinavischen Völker, Stuttgart 1936). Zieglers
Nr. 2. RM 5 80; seb. 8.50. ; Auffassung, daß das Märchen gesunden bäuerlichen Geist
Nachdem Löwis of Menar die Gestalt des Helden j atme, findet die rechte Mitte zwischen der Herabsetzung
im Märchen zu einem stilkritischen Vergleich zwischen j des Märchens als „stammesgeschichtlich primitiver Phase
deutschen und russischen Märchen benutzt hat, will die j in der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Seele"
vorliegende Greifswalder phil. Dissertation mit dem Bilde (Schlör) und seiner Verflüchtigung zu spielerischer Mond-
der Heldin im Märchen eine Wesensuntersuchung des I und Kalendermythologie (Friedrichs), die Ziegler ausMärchens
überhaupt geben. Nacli Ziegler ist da.s eigent- ' drücklich abweist. Dann aber ist nicht einzusehen, wes-
licbe Märchen gekennzeichnet durch den Gegensatz von : halb der geringe Stand der Heldin „Symbol" für den
Außenwelt und Menschenwelt und stellt sich dar als be- Machtkreis der Außenwelt wie der königliche Stand nur
wüßt gegliederte Geschichte einer zeitlos idealen Haupt- „Symbol" für die adlige Vollkommenheit an Schönheit
gestalt, eines Helden oder einer Heldin, die im Kampf ; und Charakter sein soll. H. Fr. Blunck hat einmal von
mit der Außenwelt Sieger bleibt. Die Krönung des Hei- i diesem allgemein-menschlichen Zug „nach oben" gerade
denlebens ist die Gewinnung einer Frau, die so bestim- j im Hinblick auf unser Thema gesagt, mau brauche nur
metid für Wesen und Handlung des echten Heldenmär- j ins Kino zu gehen oder englische Blumenmädchen-ro-
chens ist, daß sie nur unwesentlich wird, wo das No- mane zu lesen, um dort verkitscht und entheiligt das
vellenhafte überwiegt. Das Bild der Frau ist aber nach | gleiche zu finden, was die Vergangenheit als Sehnsucht
Ziegler nicht vollständig, wenn es nicht zugleich die I schöner und edler längst im Märchen geprägt habe.
Gestalt der Alten, der weisen Frau und Hexe umgreifen J Diese Randbemerkungen wollen aber nicht dem Eindruck
würde. Diese steht zweifellos mit der Gestalt einer j einer sicheren Linienführung bei der Nachzeichnung des
germanischen Fruchtbarkeitsgöttiii in Zusammenhang, so- germanischen Frauenbildes Abbruch tun, die Ziegler mit
fern sie nicht durch die Dreizahl als Schicksalsgestalt , erschöpfender Materialbeherrschung des gesamten geausgewiesen
wird, deren Doppelgesichtigkeit — den Or- j meingermanischen gedruckten Märchenbestandes sowie
dentlichen ist sie wohlgemeint, den Faulen ein Schrecken Kenntnis des dänischen Handschriftenschatzes und der
— an der Figur der Frau Holle zum Ausdruck kommt. ; in Lund gesammelten schwedischen Märchenaufzeichnun-
Eine Aufspaltung dieser Gestalt ergibt dann die Feen I gen vornimmt. Die deutschen Handschriftensammlun-
und Hexen. Die Erlösung aus der Tierverwandlung gen und das Zentralarchiv für die deutsche Volkserzäh-
ist die Tat, welche die ganze Entsagungskraft und Hin- jung sind dagegen leider nicht entsprechend ausgewertet
gäbe offenbart, deren die germanische Frau fähig war. Die Arbeit wird schon wegen der reichen und größten-
Die diesem Märchen eigene Erlösungsfortn scheint Zieg- j teils bisher unausgewerteten Quellenbelege, die hier in
[er die Erlösung durch Beischlaf zu sein (Froschkönig). planmäßiger Ordnung ausgebreitet werden, für die Mär-
Der Glaube an das Leben, die Gewißheit vom ewigen chenforschung Bedeutung gewinnen, auch wenn es bei
Sieg des Lebenstüchtigen ist der Grundgedanke des dem Einwand von Novalis bleibt, daß die Frauen im
Märchens. ,. , , . . . Märchen viel besser davonkommen als die „Herren

Die Herausarbeitung dieser unbefangenen Naturhaf- I der Schöpfung."

tigkeit des Märchens ist eine der wesentlichsten Er- 1 Quakenbrück. H. Vorwahl

kenntnisse in Zieglers Untersuchung. Mit Joh Ipsen Grimme, Prof. Dr. Hubert: Altsinaitische Forschungen. Epi-

Sieht er in der „gefährlichen Zeit , die als l ag vor graphisches und Historisches. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöning

dem 15. Geburtstag der Jüngsten angegeben wird, die ig37. (vn, wo s. u. is Tafeln.) gr. 8° = Studien zur Geschichte

Menarche gemeint. Doch ist ihm das Verbot der „scho- i und Kultur des Altertums. Im Auftrage der Görres-GeseUschaft her-
nen Melusine", sie an einein bestimmten Tage zu sehen, ausgeg. von Prof. Dr. E. Drerup, Prof. Dr. H. Grimme, Dr. J. P. Kirsch

für diesen Zusammenhang entgangen, der Goethe mit I 20. Bd. 3. Heft. RM 14-.

dem Ausdruck „Fischweibchen" für die Menstruation i Die Erforschung der Sinaischrift-Denkmäler ist über

offenbar noch bekannt war. Auch für die Beseitigung der j ein Tasten und Suchen noch nicht hinausgekommen. Das
Heldin im Kindbett („die schwarze und die weiße Braut") zeigt nicht nur die hier S. 3—14 über die Arbeiten anist
doch wohl an naturhafte Erscheinungen wie Kindbett- derer — Butin, Cowley, Leibovitch und

fieber zu denken, wie E. Hartmann wahrscheinlich macht ! S p re n gli ng — gegebene Übersicht, sondern auch

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