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Ausgabe:

1938 Nr. 25

Spalte:

462

Autor/Hrsg.:

Eisenhuth, Heinz Erich

Titel/Untertitel:

Christus, unsere Kraft 1938

Rezensent:

Wobbermin, Georg

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Seite 1

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461

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 25.

462

bereits erwähnten Besprechung (a. a. O. S. 199) die Rede
gewesen. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß
die Lehre von der „Urbildlichkeit Christi" sovyohl kir-
clien- und dogmengeschichtlich überhaupt, wie ebenfalls
bei Luther, sofern man bei ihm stark die theo-
logia crucis betont, recht bedeutsam ist. Ich gestehe freilich
, daß mir die Rechtfertigungs- und sola fides-Lehre
näher liegt, und daß ich die, in der Tat außerordentlich
zahlreichen, Aussagen Luthers über das, was S. die
Urbildlichkeit Christi für uns nennt, von ihr aus verstehen
möchte. Aber hier liegen offene Fragen der
I utherforschung vor.

Daß die persönliche Lebensgestaltung das eigentlich
protestantische Anliegen im Christentum ist, daß das
Christentum in der Welt sich auswirken muß, da Christus
ins Fleisch gekommen ist, daß die radikale Trennung
von Gott und Welt, auch von Christentum und
Kultur, verkehrt ist, daß eine deutsche Volkskirche ohne
christliche Grundlage ein Unding ist, erst recht, daß es
das Böse und die Sünde ist, was uns Christus unentbehrlich
macht — dem allen ist zuzustimmen. Es ist auch
notwendig, mit S. zuzugestehen, daß es keiner Geschichtsphilosophie
gelingt, der Geschichte ihren Sinn abzugewinnen
und daß es immer wieder gilt, von Gott in
Christo her an Welt und Zeit heranzugehen. Ob man
aber für die Geschichtsphilosophie gleichsam eine Gesell
ichtschristologie setzen darf, ist eine andere Frage.
Der Gedanke einer Fortsetzung der doch einmaligen
Inkarnation, sei es in der Kirche, sei es in der Geschichte
, scheint mir eine Gefahr zu sein, die, deutlicher
oder weniger deutlich, den verschiedensten Fronten in
der heutigen Theologie nahe liegt.

Dem Lutherschen Material, was S. unter dem Titel
der Urbildlichkeit vorlegt, gerecht zu werden, ist eine
dringende Aufgabe. Aber sofern die Urbildlehre dahin
tendiert, im Glauben an Gott in Christo einen Menschen
- und Lebenstvpus in den Vordergrund zu stellen,
scheint mir eine Kollision mit der m. E. so zentralen
Hervorhebung der Hoheitsprädikate Christi auf dem
Wege zu liegen. Sehe ich recht, so muß die sehr positiv
zu bewertende Parole „zurück zu Christus" in der Linie
des Zusammenrückens der Person Jesu Christi mit Gott
liegen, während dann die Lehre von den christlichen
Menschen- und Lebenstypen auf das Feld einer gewissen
kirchen- und christentumsgeschichtlichen Autonomie
zu stehen käme. Christus, auch als der zweite
Adam verstanden, wäre dann stärker Herr, Richter und
Erlöser als Urbild. Gewiß muß auch der Urbildlehre
Gerechtigkeit widerfahren. Aber in der Schleiermacher-
schen Urbildlehre, die S. ebenfalls vorschwebt, spielt
wiederum die Sündlosigkeit Christi eine erhebliche Rolle,
und damit nicht nur die Nichterreichbarkeit, die in dem
Begriff des Urbildes überhaupt liegt, sondern jene Einzigartigkeit
Christi im Vergleiche zu uns, um die Schi,
in seinem theologischen Arbeiten, in Auseinandersetzung
mit seinem eigenen religionsphilosophischen Ansatz, immer
wieder gerungen hat.

Es wäre noch manches zu S.'s gedankenreicher
Schrift zu sagen. Eben vom letzteren aus wäre die
Lehre vom Bösen, sowie die Übernahme des mit Christus
Sterbens und Lebens auf weltgeschichtliches Geschehen
doppelt zu prüfen. Auf der anderen Seite ist
der wiederholte Hinweis auf ein mögliches Heraufziehen
der Trennung von Kirche und Staat in seinem Zusammensein
mit der Parole: Zurück zu Christus, recht
bemerkenswert. Das darf man wohl auch in dem Sinne
deuten, daß einmal der Blick der theologischen Betrachtung
doch immer wieder von der menschlichen Gemeinschaft
, der kirchlichen wie der staatlichen, auf den Gottesglauben
, den Glauben an Gott in Christo, zu lenken
ist, und sodann glaubensmäßig, daß dort auch der
Quell für die Überwindung zeitgeschichtlicher Sorge zu
suchen ist.

Orcifswald. R.Hermann.

Wendland, Uc. theo!. Walter: Die Berliner Kirche in der Zeit
der werdenden Großstadt. Berlin: Kranz-Verlag des Christlichen
Zeitschriftenvereins 1937. (56 S.) 8° = Berliner Kirchengeschichte
Heft 3. RM —85.

Dcrs.: Von alten Berliner Kirchen und vergangenen kirchlichem
Leben. Berlin : Kranz-Verlag des Christi. Zeitschriftenvereins
1937. (32 S.) 8°. RM —50.

Zum 700-jährigen Jubiläum von Berlin im Sommer
1937 gab der Berliner Stadtsynodalverband in Verbindung
mit den anderen Berliner kirchlichen Behörden
ein außerordentlich verdienstvolles Werk heraus „Alte
j Berliner Kirchen". Dieses im Atlantis-Verlag Berlin erschienene
Büchlein behandelt die Entstehung der Berliner
Kirchen vom bau- und kunstgeschichtlichen Standpunkte
aus. Leider ist es nicht möglich gewesen, ein
i größeres Werk über die Berliner Kirchengeschichte zur
I rechten Zeit herauszubringen. Die beiden obengenannten
Hefte sind Heft 1 und 3 von 5 Heften, welche den Ertrag
der langjährigen Forschung des mit einem Lehrauftrag
für Berliner Kirchengeschichte an der Universität
betrauten Pfarrers an der Gethsemane-Kirche in Berlin
. Sie geben ein anschauliches überzeugendes Bild von
der Entwicklung des kirchlichen Berlins und von den
Männern, welche diese Entwicklung beeinflußt haben.
Besonders hervorheben möchte ich in dem Heft „Von
alten Berliner Kirchen und vergangenem kirchlichen Leben
" die Aufsätze über das Interdikt und über den Aufschwung
kirchlichen Lebens am Ausgang des Mittelalters.
In diesen Aufsätzen räumt Verfasser aus seiner tiefgründigen
Kenntnis Berliner Kirchengeschichte mit manchen
Fehlurteilen auf. In dem Heft „Die Berliner Kirche
in der Zeit der werdenden Großstadt" sind besonders
hervorzuheben die Aufsätze über Spener und über
Schleiermacher, wie die Schilderung des Entstehens der
Union. Bei ihrem billigen Preise werden diese Hefte
hoffentlich von weiteren Kreisen gelesen. Die Kenntnis
der Berliner Kirchengeschichte läßt heute sonst weithin
zu wünschen übrig. In den Pfarrern Lic Wendland
an der Gethsemanckirche und Lic. Dr. Torge an der
I Georgenkirche hat Berlin hervorragende Kenner der
Berliner Kirchengeschichte, deren Aufsätze verdienen,
daß sie nicht nur von Berlinern gelesen werden.

Berlin.____Kracht.

Eisenhuth, Heinz Erich: Christus unsere Kraft. Predigten
und Betrachtungen. Weimar: Verlag Deutsche Christen [1937).
(S8 S.) gr. 8°. RM 1.50.

Der jetzige Dekan der Jenaer theologischen Fakultät
, bisher auf dem Fachgebiet der systematischen Theologie
und Religionsphilosophie als Gelehrter, tief bohrender
Forscher und scharfsinniger Kritiker bekannt geworden
, erweist sich hier als Meister auch der Predigt
und der erbaulichen Betrachtung.

Alle einzelnen Ausführungen kreisen um die Frage
„Warum brauchen wir Christus?" Diese Frage" wird
aber als Frage nach der Wahrheit des Glaubens
gestellt und behandelt — als Frage, die nicht
mehr zwischen „Heiden" und Christen oder zwischen
verschiedenen Konfessionen und Richtungen auszumachen
ist, sondern die jetzt von der religiösen Wende her das
ganze Volk angeht. Demgemäß wird die Frage von
tiefer Gotteserfahrung aus gestellt. Und es ergibt sich
eine doppelte Aufgabe:

1. Es soll gezeigt werden, daß gerade die tiefste
Sehnsucht nach religiöser Unmittelbarkeit durch Christus
erfüllt wird.

2. Es soll weiter gezeigt werden, daß nicht nur die
Sehnsucht der Deutschen nach religiöser Unmittelbarkeit
ernst zu nehmen ist, sondern daß es gar keinen anderen
Weg zu ihr gibt als den von Christus gewiesenen und
über Christus führenden.

So sind diese Predigten und Andachten durchweg
aus dem geistigen Ringen der Zeit geboren. Sie könne;!
daher allen ernsthaft Suchenden nachdrücklichst empfohlen
werden.

Berlin._ Georg Wobbermin.