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Ausgabe:

1938 Nr. 23

Spalte:

428-429

Autor/Hrsg.:

Mulert, Hermann

Titel/Untertitel:

Konfessionskunde 1938

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 23.

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die 1928 vorgeschlagen sind und trotz ihrer Ablehnung
im Parlament praktische Geltung in der Kirche von
England erlangt haben. Leider fehlen die wenigen Stellen
, an denen sich das Buch von 1928 von der 1927
dem Parlament eingereichten Vorlage unterscheidet; sie
hätten in Anmerkungen leicht gebracht werden können;
nur in der Einleitung finden sich kurze Bemerkungen
darüber zusammen mit einer Textangabe. Die vorgeschlagene
Ergänzung wäre wünschenswert gewesen, weil
die zweimalige Ablehnung des neuen CPB. durch das Parlament
auf der Vorlage von 1927 beruht, deren Geist man
auch im Text von 1928 wiederzufinden meinte. Dankbar
begrüßen muß man es dagegen, daß die Ordnungen der
Abendmahlsfeier von 1549 und 1552 beigegeben wurden
(S. 660—683); so sind lehrreiche Vergleiche ermöglicht
. — Das CPB. enthält auch den Katechismus (S.
243—249).

2. Die 39 Religionsartikel nach der Ausgabe von
1571 mit ihren Abweichungen von den 42 Artikeln des
Jahres 1552. Ihr Abdruck wird dankenswerter Weise
ergänzt durch die Wittenberger Artikel von 1536, die

10 Artikel von 1936, die 13 Artikel von 1538 und die

11 Artikel von 1559 (S. 568—633); weiter finden sich
in den historischen Beilagen noch die Lambcth-Artikel
von 1595 und die 104 irischen Artikel von 1615, die vor
allem als Vorarbeit für die Westminster-Confession Bedeutung
haben. Der Band ermöglicht also eine nahezu
vollständige Übersicht über die reformatorische Bekenntnisentwicklung
in England bis zur Zeit der Revolution.

3. finden sich die Konstitutionen und Kanones der
Kirche von England in ihrer letzten Fassung von 1865
(S. 465-567) und

4. der „Sermon of the Salvation of Mankind", die
wichtigste Predigt aus dem ersten Band des Homilien-
buches. Die Homilien gehören, wie der Herausgeber
auch selbst schreibt (S. CXXVIII), zu „den offiziellen
Urkunden des Glaubens und Lebens in der Kirche von
England", zu denen sich jeder Geistliche, wenn er die
39 Artikel unterschreibt, positiv stellt; die Homilien des
2. Bandes sind in Artikel 35 sogar namentlich aufgezählt
. Ihre Fortlassung (bis auf eine) bedeutet also,
daß die offiziellen Lehrordnungen der Kirche von England
im vorliegenden Band nicht wirklich vollständig
geboten werden.

Angesichts dessen erhebt sich die Frage, ob, wenn
schon ausgewählt wurde, dann die richtige Wahl getroffen
ist. Der Rezensent hätte jedenfalls seinerseits
auf die mehr als 30 Seijen füllenden kalendarischen
und biblischen Tabellen oder auf manche, praktisch doch
veraltete, Bestimmung des Gesetzbuches von 1865 gern
zu gunsten einiger weiterer Homilien verzichtet. —

Einen wichtigen Bestandteil des Bandes bildet die
Einleitung (S. XIX—CXLVIII). Sie bietet zunächst eine
sehr stoffreiche, auch viele Einzelheiten mitteilende, Übersicht
über die Geschichte der englischen Kirche. Einzelne
Züge, die für die Erkenntnis ihrer Eigenart wenig beitragen
, hätten auch hier fehlen können. Der Rezensent
rechnet dazu auch die breiten Ausführungen über Wiklif;
es hätte genügt, das anzuführen, was von wiklifitischem
Gedankengut durch die Lollarden wirklich in die Kirche
von England als solche Eingang gefunden hat. Die drei
Thesenreihen, die als Quasi-Bekenntnisse Wiklifs abgedruckt
werden, hat man zwair unter anderen als kon-
fessionskundlichen Gesichtspunkten gern zur Hand; sie
könnten hier aber fehlen, zumal zwei von ihnen nicht
eigene Formulierungen Wiklifs, sondern solche der Kurie
bieten; außerdem leidet ihr lateinischer Text unter Druckfehlern
, die deutsche Übersetzung aber unterliegt an
einer ganzen Reihe von Stellen erheblichen Zweifeln.
Dafür würde man gern etwas Näheres hören über andere,
konfessionskundlich wichtigere Dinge, wie z. B. über die
Entstehung des sog. englischen „Liberalismus", des Social
Gospel oder des religiösen Imperialismus Englands;
daß dieser schon vor Cromwells Zeit in anglikanischen

Kreisen verbreitet gewesen ist, haben deutsche Forschungen
der Nachkriegszeit einwandfrei gezeigt.

Für die ausführlichen Einleitungen zum CPB. (S.
LXI—LXXXV) und den Bekenntnissen (S. LXXXV bis
j CXXX) wird man dagegen nur dankbar sein können.
; Hier wird wirkliche Verständnis- und Forschungshilfe geboten
(die noch wirksamer wäre, wenn der Herausgeber
j uns die Grundlagen seiner Schilderung hätte schauen
| lassen). Das außerordentlich reiche, gut gegliederte Li-
; teraturverzeichnis verstärkt diese Hilfe noch. Auch die
Übersicht über die abweichende Kapitel- und Verszählung
! in den heutigen deutschen und englischen Bibelausgaben,
j die den Band beschließt, ist eine willkommnee Gabe.

Alles in allem wird man trotz einzelner Wünsche,
die offen bleiben, für das Gebotene dankbar sein müssen
. Wenn der Herausgeber aber hofft, durch die Herausgabe
dieses Bandes kirchliche Urkunden von außerordentlich
hoher Bedeutung der breitesten (vom Rez.
gesperrt) kirchlichen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit
zugänglich gemacht zu haben, so steht dem eins
im Wege — der Preis des Buches.

Hermannsburg._Kurt Dietrich S c h in i d t •

Mulert, Univ.-Prof. i. R. Hermann: Konfessionskunde. Die christlichen
Kirchen und Sekten heute. Zweite, neubearbeitete Auflage.
Berlin: Alfred Topelmann 1937. (XX, 457 S.) 8° = Sammlung Topelmann
. Die Theologie im Abrifl: Bd. 5. RM 10.75; geb. 12.50.
Nachdem 1926/27 die Konfessionskunde von H. Mu-

] lert zum ersten Male erschienen ist, hat der Verfasser
sein Buch in einer 2. neubearbeiteten Auflage ausgehen

| lassen. In der Anlage des Ganzen bis auf die Überschriften
der Kapitel und Paragraphen ist keine Veränderung
eingetreten, so daß die Vorzüge wie die Schwächen
des Buches dieselben geblieben sind. Die außerordentliche
große Sachkunde charakterisiert auch die
Neuauflage und M. hat alles mit peinlicher Sorgfalt,
was sich an Veränderungen in den einzelnen Kirchen
und Sekten in 10 Jahren ereignet hat, nachgetragen und
die wichtigste Literatur lückenlos vermerkt. Nach seiner
Vorrede dankt das Buch viele Verbesserungen dabei der
Arbeit von Sachkundigen, die ihn beraten haben, den
Abschnitt über die morgenländische Kirche haben in der
Korrektur mitgelesen Hans Koch in Königsberg und
Stefan Zankow in Sofia, den über die anglikanische
Kirche Friedrich Heiler in Marburg, den über die römisch
-katholische Kirche Theodor Gentrup in Berlin und
Joseph Wittig in Neusorge. Zu einer Umarbeitung und
Neuaufteilung des Stoffes der Konfessionskunde hat M.
sich nicht entschließen können. So ist es dabei geblieben,
daß die griechische und römisch-katholische Kirche verhältnismäßig
umfangreicher und auch in Lehre und
Kultus eingehender als die anglikanische Kirche und
der Protestantismus dargestellt ist. Auch ich bedaure,
wie Loofs es bereits an der ersten Auflage beanstandet
hat, daß die protestantische Rechtfertigungslehre, in der
doch die genuine reformatorische Deutung des Evange-
geliums seinen klassischen Ausdruck gefunden hat, in
der Konfessionskunde von Mulert nicht eingehend gewürdigt
wird. Dasselbe gilt auch von der Prädestinationslehre
und ihrer zentralen Bedeutung für die reformierte
Kirche, wobei ich mir auch nicht das Urteil von
M. zu eigen machen kann, daß von den Reformatoren
Luther sie am schroffsten entwickelt habe. Es besteht
doch hier zwischen Luther und Zwingli-Calvin bei aller
Gemeinsamkeit ein bedeutsamer Unterschied, von dem
man bei der überaus kurzen Behandlung auf S. 376
nichts erfährt. Überall aber merkt man, daß M. die
Darstellung der Entwicklung in den verschiedenen Kirchen
bis auf die Gegenwart geführt hat, so daß sein
Buch den Titel „die christlichen Kirchen und Sekten
heute" mit vollem Recht verdient. Kein einziger Paragraph
ist unverändert geblieben. Der überaus kenntnisreiche
Verfasser hat z. B. alle die starken Veränderungen

I in den griechisch-katholischen Kirchen, den orthodoxen

I und heterodoxen, peinlich genau gebucht, aber auch
hier kommen die protestantischen Kirchen etwas stief-