Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1938 Nr. 23

Spalte:

413-414

Autor/Hrsg.:

Rosenzweig, Irene

Titel/Untertitel:

Ritual and cults of Pre-Roman Iguvium 1938

Rezensent:

Szabó, Árpád

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

413

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 23.

414

es unter dieser Voraussetzung leichter verständlich sein, daß man bei
Nachbestattungen so oft die alten Skelette beraubte und rücksichtslos
beiseiteschob, womöglich noch ehe sie alles Fleisch verloren hatten
(S. 106), und gelegentlich auch verbrannte (S. 114). Auch die Vorstellung
eines fernen Totenreiches, die an sich mit der Anlage besonderer
Nckropolen aufkommen konnte, hat wohl nur durch den Glauben
an selbständige Totenwesen einen solchen Umfang annehmen können,
wie Wiesner ihn mit Recht schon für das 2. Jahrtausend voraussetzt.

Es sind nur einige Hauptmomente, die hier hervorgehoben
werden konnten. Man wird dem Verfasser für
seine zuverlässige und gründliche Zusammenfassung
eines so reichen und weitverstreuten Materials aufrichtigen
Dank wissen, umso mehr, als er es mit sachkundiger
Kritik und in weiter Überschau trefflich ausgewertet
hat. Sein Versprechen einer Fortsetzung seiner Gräberkunde
erfüllt uns mit erwartungsvoller Vorfreude.
Tübingen._ Hans Herter.

Rosenzweig, Irene, Ph. D.: Ritual and Cults of Pre-Roman

Iguvium. London: Christophers 1937. (VII, 152 S., 1 Plan) gr. 8°
= Studies and Documents ed. Kirsopp & Silva Lake IX.
Die italische Altertumskunde hat den sakralen Text
der Iguvinischen Tafeln lange Zeit hindurch nur als
Sprachdenkmal bewertet. Deshalb fehlte eine den sprachwissenschaftlichen
Kommentaren entsprechende ausführliche
religionswissenschaftliche Untersuchung über diese
wertvollen Dokumente des vorrömischen Italiens bis zu
der letzten Zeit. Auch die neueste maßgebende Arbeit
von G. Rohde über die römische Sakralliteratur (Die
Kultsatzungen der röm. Pontifices, Berlin 1936) mußte
aus methodischen Gründen die Iguvinischen Tafeln beiseite
lassen. Natürlich kann man unter solchen Umständen
den Versuch von Rosenzweig, eine eingehende
religionswissenschaftliche Auswertung dieses Materials
zu geben, nur mit Freude begrüßen. — Die Verfasserin
ist an das Problem mit großer Umsicht herangegangen.
Dank dieser Umsicht, ist es gelungen, mindestens einen
kurzen Überblick über die Fragen zu gewinnen, die von
diesem Problemkomplex untrennbar sind. Nach der kurzen
Übersicht, die wir in dem ersten Kapitel über die
Topographie und über die Organisation der Stadt Iguvium
bekommen, behandelt sie die bekannten Iguvinischen
Zeremonien. Schade, daß der Verfasserin die Probleme
der neueren römischen Religionswissenschaft anscheinend
so wenig bekannt sind. Die deutsche Philologie
hat sich bekanntlich lange bemüht, um den ursprünglichen
Sinn des lustrnm feststellen zu können. Diese Bemühungen
haben zuletzt zu einer einleuchtenden und
sehr lehrreichen Theorie geführt (C. Koch, Gestirnver-
ehrung im alten Italien, S. 26). Nun hätte Rosenzweig
mit der Kenntnis dieser Versuche eben auf Grund der
Iguvinischen Texte eine glänzende Untersuchung über
das Wesen des lustrum leisten können. Sie begnügt
sich statt dessen mit einem wenig überzeugenden Hinweis
auf Fowler (S. 39A38). Den besten Beweis dafür,
daß eine Bezugnahme auf dieses Nachbargebiet für die
Arbeit befruchtend gewesen wäre, liefert eben derjenige
Teil der Arbeit, wo die Verfasserin durch Useners Forschungen
angeregt (vgl. S. 32 A 19) ein modern-christliches
Fest der Stadt Gubbio mit einer altiguvinischen
Zeremonie vergleicht (S. 42ff.). Zweifellos ist dieser
Teil der wertvollste und fruchtbarste in der ganzen
Untersuchung. Zusammenfassend kann über die ganze
Arbeit festgestellt werden, daß sie im großen und ganzen
trotz den Bemühungen der Verfasserin nocli immer
einen allzusehr sprachwissenschaftlichen Charakter hat.
Die Ergebnisse der Sprachwissenschaft sind z. B. in dem
Kapitel über „die Götter der Stadt" (S. 65 ff.) beinahe
vollständig verwertet worden; es fehlt aber daselbst jeder
Hinweis auf die religionswissenschaftlichen Untersuchungen
über altitalische Götterverbindungen (vgl. ARW
XXIV, 1926, 244ff., Studi e materiali VIII, 1932, 1621f.,
IX, 1933, 17 ff. usw.). Ebenso scheint die Verfasserin
auch Vorarbeiten wie z.B.: P. G. Goidanich, II
ßJemplum" ambro e le ceremonie augurali nelle tavule
Iguvlni in der Historia VIII, 1934 nicht zu kennen.
Gerade wegen dieser Einseitigkeit kann auch dem zusam-

' menfassenden Schlußkapitel des Buches (S. 112 ff.) nur
ein provisorischer Wert beigemessen werden. Trotz dieser
auffallenden Mängel muß es hervorgehoben werden,
daß die Arbeit doch eine brauchbare Monographie über
das Iguvinische Problem darstellt.

Als Anhang wurde der umbrische Text der Tafeln
mit der lateinischen Übersetzung aus der Grammatik
von Buck abgedruckt und eine Karte des modernen
Gubbio mit der Rekonstruktion des alten Iguvium bei-

| gelegt.

Frankfurt a. M. Arpäd S z a b ö.

Dürr, D. Dr. Lorenz: Die Wertung des göttlichen Wortes im
Alten Testament und im Antiken Orient. Zugleich ein Beitrag
zur Vorgeschichte des Neutestamentlichen Logosbegriffes. Leipzig:
J. C. Hinrichs 1938. (180 S.) gr. 8° = Mitteil, der Vorderasiat.-
Ägyptisch. Gesellschaft (E.V.). 42. Bd. 1. Heft. RM 11—.

Der Verfasser, der bereits in früheren Arbeiten seine
reichen ägyptologischen und assyriologischen Kenntnisse
in den Dienst seines eigentlichen Fachgebietes, der alt-
testamentlichen Wissenschaft, gestellt hat, lehrt auch
in der vorliegenden Schrift ein bedeutsames Phänomen
der Bibel, die Wertung des göttlichen Wortes, von ähnlichen
Vorstellungen bei Ägyptern, Sumerern, Akkadern
und Assyrern aus besser und tiefer verstehen. Dabei
i ist besonders dankenswert, daß einerseits die hierher
gehörigen Quellenstellen in der Originalsprache mitgeteilt
und lexikographisch-semasiologisch interpretiert werden
, und daß anderseits die den Stellen beigegebene
Übersetzung und Deutung sie auch denen zugänglich
macht, die jene Sprachen nur wenig oder überhaupt
nicht beherrschen.

Die ersten drei von den neun Paragraphen des
Buches behandeln die Macht des von der Gottheit aus-
: gehenden Wortes, d. h. des Wortes im Zustand seines
Gesprochenwerdens (§ 1. 2), und die Eigenschaften des
.aus dem Munde der Gottheit ausgegangenen und damit
selbständig gewordenen Wortes (§ 3). Von dem dritten
Seinszustand, vom Gotteswort als Hypostase, ist
dann in den letzten drei Paragraphen die Rede, indem
§ 7 den Tatbestand darlegt, § 8 ihn erklärt und § 9
den iohanneischen Logos als einen Ausläufer der altorientalischen
Worthypostase zu verstehen sucht und
ihn damit gegen Ideen der platonischen und stoischen
Philosophie abgrenzt. Von den mittleren Paragraphen
führt § 4 eine Fülle von Personennamen auf, die eine
Aussage über die Macht des göttlichen Wortes enthalten
, während § 5 darlegt, daß auch dem Wort pneumatischer
Personen besondere Wirkungskraft zuerkannt
wird und § 6 von der dem göttlichen Worte zukommenden
menschlichen Verhaltungsweise — Ehrfurcht und
Vertrauen — handelt.

Der Verfasser hat sein Ziel, die Vorstellungen vom
Gotteswort, wie sie das Alte Testament aufweist, von
den Nachbarreligionen aus zu erhellen und jene wiederum
als Vorstufe des neutestamentlichen Logosbegriffes aufzuzeigen
, erreicht und darüber hinaus manche Einzelheit
in neue Beleuchtung gerückt. In dem von den Personennamen
handelnden § 4 stecken eine ganze Reihe bedeutsamer
Einzelerkenntnisse, aber sie fehlen auch sonst nicht.
Als Beispiel mag die einleuchtende Erklärung von Hebräer
1,3 toi niiuim -nie. öwduews als Hebraismus und
die ihr entsprechende Übersetzung mit „durch sein mächtiges
Wort" auf S. 48 angeführt werden. Daß man hier
und da auch anderer Meinung sein kann und wohl sein
muß als der Verfasser, ist durch das Gesagte nicht ausgeschlossen
. So wird er zwar im Rechte sein, wenn er
mit anderen die „Stimme Jahwes", die den Gipfel des
Karmel verdorren läßt, in Arnos 1,2 nicht vom Gewitter
oder Donner, sondern vom göttlichen Wort und seiner
gewaltigen Wirkung versteht (S. 5 f. 19 f.). Aber Psalm
29 ist doch wohl sicher hymnische Beschreibung eines
Gewitters, und die Deutung der „Stimme Jahwes" als
„Wort Jahwes" erscheint hier als gekünstelt (S. 20 f.).

Besondere« Hervorhebung verdient schließlich noch,
daß die vorliegende Arbeit auch über den Umkreis des