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Ausgabe:

1938 Nr. 21

Spalte:

385-386

Autor/Hrsg.:

Weisweiler, Heinrich

Titel/Untertitel:

Das Schrifttum der Schule Anselms von Laon und Wilhelms von Champeaux in deutschen Bibliotheken 1938

Rezensent:

Lerche, Otto

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885

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 21.

386

zesses und ein Auszug aus dem Katalog der jetzt laufen- Sammlungen und Sentenzenüberarbeitungen. Schließlich ist
den Prozesse, soweit sie Deutsche betreffen. „Ende 1931 zu beachten, daß der heute nachweisbare Bestand nur ein

hat die Ritenkongregation einen Katalog derjenigen Pro
zesse veröffentlicht, die nach dem damaligen Stand Fort
schritt und Erledigung versprachen. Er enthält 551 Num

geringes Bruchstück des einstmals vorhandenen Schatzes
ist. Bei der Aufhebung der Klöster haben die abziehenden
Konventsmitglieder vielfach die selbstgeschriebenen,

mern, davon bezeichnen zirka 50 Selige, deren Heiligspre- j d. h. abgeschriebenen, und andere eigene, angeeignete
chung beabsichtigt ist. Unter diesen sind drei Deutsche, j Bücher mitnehmen dürfen, die dann in alle Winde verZwei
davon sind inzwischen heiliggesprochen worden:
Albert der Große und Konrad von Parzham, während der
Prozeß für den seligen Nikolaus von der Flüe . . . noch
der Erledigung harrt. . . Von den zirka 500 Seligspre-
chungsprozessen des Katalogs sind, wenn wir das ganze
deutsche Ländergebiet in Betracht ziehen und auch die
Männer und Frauen anderer Nationen mitzählen, die in
Deutschland gewirkt haben und gestorben sind, nur 25

streut wurden (vgl. etwa J. B. Götz: Die religiöse Bewegung
in der Oberpfalz. 1914, S. 52). Die in diesen
Problemen liegende Schwierigkeit wird besonders
deutlich in dem dritten Teil des vorliegenden Buches,
in dem W. die Texte verschiedener Sentenzengruppen
sorgfältig herausgibt.

W. weist eindringlich darauf hin, in wie hohem Maße
die wertvollen Handschriften in den Klöstern und ihren

Deutsche." Nun fragen die Herausgeber, wie es komme, Schulen während des ganzen deutschen Mittelalters in
daß die Zahl der Deutschen so gering sei — und antwor- ; Süd- und Mitteldeutschland, in der Schweiz wie in den
ten: wir lassen es an dem nötigen Eifer fehlen, sonst j Alpenländern geschätzt, benutzt und ausgewertet wurden

würden vielmehr unserer Landsleute des Rechts der Altäre
teilhaftig!

Die Herausgeber bieten 53 hagiographische Skizzen,

Gerade die geringe Anzahl der in den einzelnen Klöstern
vorhandenen Handschriften sicherte jedem Stück eine
um so höhere Beachtung und Auswertung. Wenn W.

die wir nicht kritisch betrachten wollen; 21 davon gehen : überdies darauf hinweist, daß die Systematiker von Laon
unter der Rubrik „kommende deutsche Heilige", 32 da- und St. Viktor im Gegensatz zu den Dialektikern immer
gegen unter „Heiligmäßige Deutsche aus jüngerer Zeit". wieder auf Augustinus zurückgegangen sind, so wissen
In der ersten Gruppe müßte also die Seligsprechung be- i wir ja, daß auch auf dem Wege über die Systematik der
reits erfolgt sein, während in der zweiten Gruppe die ' Scholastiker Martin Luther zu Augustinus hin vorge-
Seligsprechung erst vorbereitet werden sollte. Das ist ! stoßen ist.

aber nicht der Fall. Auch zeitlich haben wir keine Gren- Das Buch wird abgeschlossen durch ein sorgfältiges

zen der Verteilung auf diese oder jene Gruppe feststellen Handschriftenverzeichnis sowie durch einen Incipitkatalog
können. In der ersten Gruppe stehen etwa Anna Ka- von 24 Spalten. Mit Recht bemängelt W., daß in alten
tharina Emmerick, Adolf Kolping und Pauline Mallinck- und neuen Bibliothekskatalogen sowie in den sonst so
rodt — die Freundin Konrad Martins — neben Hermann mustergültigen und ertragreichen neuen Ausgaben der
Josef von Köln und Duns Skotus. In der zweiten Gruppe mittelalterlichen Kataloge wenig zur Weiterforschung auf
finden wir etwa Bischof Willibrord Benzler und Fürst diesem Gebiete zu holen ist. Mit Nachweisungen wie

Alois Löwenstein neben Bischof Nikolaus Steno. Die
Gruppierung ist also mehr gefühlsmäßig als systematisch
vorgenommen — und darüber läßt sich nicht streiten
. An sich sind die einzelnen Beiträge sehr ungleichmäßig
in Wert und Charakter, es sind auch nicht alle
Originalbeiträge für dieses Sammelwerk.

Berlin. otto Lerche.

„Liber sententiarum" oder „sententiae" ist nicht weiter
zu kommen. Und doch wird man daran denken müssen,
einmal die Fülle der Codices discissi, nämlich die Bucheinbände
des 16./17. Jahrhunderts, genauer textlich zu
durchforschen. Wir sind überzeugt, daß sich auch darin
noch viel Material an frühscholastischen Texten finden
wird, die in der Reformationszeit überflüssig geworden
dann zu Bucheinbänden Verwendung gefunden haben.
Das ist freilich ein sehr spröder Stoff, mit dem nur einer

Weis weil er, Prof. Heinrich: Das Schrifttum der Schule An

selms von Laon und Wilhelms von Champeaux in deut- | V— *~* ."------*•■•« ^uvj..,

sehen Bibliotheken. Ein Beitrag zur Geschichte der Verbreitung l aeJ wenigen Sachverständigen, zu denen W gehört etwi-

der ältesten scholast. Schule in deutschen Landen. Münster i. W.: j wird anfangen können. ' '

Aschendorff'sche Verlagsbuchh. 1936. (XII, 415 S.) gr. 8° = Beiträge < Berlin.

zur Geschichte der Philosophie u. Theologie des Mittelalters. Bd. 33, 0tto Lerche.

H. 1/2. RM 18.80.

Die vorliegende außerordentlich tiefgründige Schrift,
in der der Verfasser vielfach gestützt auf Vorarbeiten
von Fr. Bliemetzrieder und namentlich M. Grabmann die
Resultate seiner vielen Studien zur Frühscholastik ergänzt
und zusammenfaßt, ist mehr theologiegeschichtlich als
bibliotheksgeschichtlich zu werten. Die Untersuchungen
Weisweilers aber machen deutlich, in wie hohem Maße
die Bibliothekswissenschaft als solche eine wirkliche Wissenschaft
ist, auch wenn sie als Hilfswissenschaft einer

Hüft er, Maria: Die Reformen in der Abtei Rijnsburg im 15.
Jahrhundert. Münster i. W.: Aschendorff 1937. (XVI, 19d S.) gr.
8° = Vorreformationsgeschichtliche Forschungen, hrsg. v. H. Finke.
Band XIII. RM 8.75.

Die rein geschichtliche Arbeit bildet die Fortsetzung
einer 1923 erschienenen Untersuchung der Vfn. über die
bedeutendste Benediktinerinnenabtei der mittelalterlichen
Grafschaft Holland in der Nähe von Leiden. Auf Grund
des gesamten Quellenmaterials wird eine umfassende Abteigeschichte
, in den Einzelheiten sorgfältig ausgearbeitet,
dargelegt und durch viele Hinweise und Beigabe der

anderen Disziplin auftritt. . „ , „. „_j w»

Anselm von Laon mit seinem Bruder Radulf und Wil- j wichtigsten Dokumente ergänzt. — Die ausführliche Ein-

helm von Champeaux, der leuchtendste Stern der be- leitung berichtet über Stiftung (1133) und Frühpeschich

rühmten Schule von St. Viktor, sind als bedeutsame te des Klosters, Besitz und Privilegien sowie über di-

Vertreter der Frühscholastik in Deutschland bekannt. Insassen und ihre Lebensweise, die die als adlig beerün-

Auch ihre Haltung gegenüber den führenden Sehola- , dete Frauenabtei mehr als eine Versorgungsanstalt mit

stikern, den Dialektikern, — Anselm von Canterbury, hofischen Umgangsformen charakterisiert. Das Haupt-

Abälard — war in großen Zügen durch die Forschung Interesse des Buches wendet sich den Reformplänen und

geklärt. Weisweiler weist nun im Einzelnen viele bisher , ihrer Durchführung zu, wie sie sich hauptsächlich

in

unbekannte Handschriften in deutschen Bibliotheken na- ; zwei Phasen vollzog, durch Nikolaus von Cues 1451 und

mentlich in Bamberg, München, Stuttgart, Wien, Kloster- j Benediktineräbte der Bursfelder Kongregation 1498. Eine

neuburg usw. nach, die Schriftgut der Fruhscholastik ( kurze Spätgeschkhte bis zum Untergang der Abtei im

aus der Schule von Laon enthalten. Diese Nachweisung ; niederländischen Freiheitskampf rundet das Bild ab. —

ist außerordentlich erschwert einmal durch die Anonymi- ! Die Reformen, die sich besonders auf das ungebundene

tät der Verfasser, die innerhalb einer Schule nicht vor j und weithin regelentfreindete Leben der Nonnen richte-

dem geistigen Eigentum eines anderen Theologen irgend ; ten, verliefen ohne tiefere Wirkung, da es den Nonnen

wie Halt machten oder Scheu hatten; sodann aber auch j stets gelang, durch alte, in der Verbindung mit dem Gra-

durch die Art der Überlieferung in Sentenzen, Sentenzen- [ fenhaus verankerte Privilegien sich Rehabilitierung und